7. FCSI-Stammtisch in Stuttgart: Die Zukunft der Stadt und der Hospitality

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Fünf Experten, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen, wie die Stadt der Zukunft schöner und menschenfreundlicher wird, hatte der FCSI Deutschland-Österreich am INTERGASTRA-Sonntag auf die Bühne im Kongresszentrum West der Messe Stuttgart geladen. Als Experten diskutierten der Gastronom und Stadtvisionär James Ardinast aus Frankfurt, Nils Runge, Nachtmanager im Auftrag der Stadt Stuttgart und sein Kollege Andreas Topp, Wirtschaftsgeograph und Insider für das Thema Nachtökonomie, sowie Inge Vogt, Fachfrau für Retail-Management in München. Mit Frank Wagner, Fachplaner und Präsident des FCSI Deutschland-Österreich, trafen reichhaltige Erfahrungsschätze und unterschiedliche Perspektiven auf die Stadt der Zukunft in einer spannenden Runde zusammen.

Bangkok, Barcelona oder doch eher Nairobi? Welche internationalen Metropolen können heute schon Vorbild für die Stadt der Zukunft sein? Frank Wagner und Inge Vogt waren sich da nicht sicher. „In Nairobi hat beispielsweise der Bau einer Stadtautobahn dazu geführt, dass die Menschen nicht mehr zu den Shopping-Centern am Stadtrand fahren konnten. Dadurch ist in den Innenstadtvierteln wieder eine erstaunliche Vielfalt an kleinen, lokalen Shops entstanden, was die Lebensqualität dort deutlich erhöht hat”, berichtete Wagner und hoffte, dass eine solche Entwicklung auch in anderen Städten möglich ist. Inge Vogt stimmte ihm zu: „Wir kehren ein Stück weit zurück in die Gründerzeit: Arbeiten, wohnen, ausgehen passiert zunehmend nicht mehr in getrennten Bereichen der Stadt. Die Leute wollen alle relevanten Angebote ohne weite Wege in ihrem eigenen Kiez finden.”

Es sei deshalb Zeit, dass Städte und Investoren Gastronomie neu denken und planen, um die Bedürfnisse der Menschen in der Umgebung im Mittelpunkt zu stellen. „Es wäre wünschenswert”, verwies Vogt auf den oft mühsamen Umgang mit den Behörden, „dass diejenigen, die für die Befriedigung dieser Bedürfnisse Verantwortung übernehmen, stärker von Politik und Verwaltung unterstützt und weniger dabei behindert werden.”

Aktionismus statt echter Veränderung

DIE Stadt der Zukunft könne es ohnehin nicht geben, war sich die Runde einig, da jede Stadt auf ihrer ganz persönlichen Geschichte und DNA aufbaut, für die die individuelle Gastronomielandschaft eine wichtige Rolle spielt. „Jede Stadt müsste sich eigentlich Gedanken darüber machen, wer oder was sie ist und was sie in Zukunft sein will”, forderte James Ardinast. „Leider gibt es in Deutschland angesichts sterbender Innenstädte vielfach eher planlosen Aktionismus statt wirklicher Veränderungsbereitschaft.”

Eine der Städte, die sich hingegen intensiv mit der Frage nach ihrer Zukunft befasst, ist Stuttgart, wo Andreas Topp und die Koordinierungsstelle Nachtleben in einer wissenschaftlichen Studie untersucht haben, welchen ökonomischen, kulturellen und auch sozialen Wert das Nachtleben für die Gesellschaft hat. „Wir sprechen – konservativ hochgerechnet – von einer Wertschöpfung von 148 Mio. Euro jährlich”, erläuterte Topp. „Das ist selbst für eine so wirtschaftsstarke Stadt wie Stuttgart beachtlich.” Jeder Euro, der im Nachtleben ausgegeben wird, hat zudem einen Mehrwert für weitere Branchen wie Taxiunternehmen, Einzelhandel oder Hotellerie. „Das alles macht die Urbanität und die Attraktivität einer Stadt aus.” Gleichzeitig sehen sich 50 Prozent der befragten Gastronomie-Betriebe in ihrem Fortbestand gefährdet. „Darum müssen wir uns kümmern, damit die Stadt nicht kippt”, betonte Topp. „Denn während der Corona-Lockdowns haben wir gemerkt, was es bedeutet, wenn die Bars und Clubs im öffentlichen Raum als sozialer Ort fehlen.”

Gesamtgesellschaftliches Thema

Die Stadt für alle zu einem lebenswerten und sicheren Ort zu machen, ist eine der Aufgaben von Nils Runge, der als Nachtmanager in Stuttgart für den Interessenausgleich und die Kommunikation zwischen Unternehmern, Gästen, Anwohnern, Verwaltung und Politik zuständig ist. „Die Stadt der Zukunft ist ein gesamtgesellschaftliches Thema”, unterstrich Runge, „zumal die Zahl der Beschwerden über gastronomische Einrichtungen in den vergangenen zehn Jahren um 120 Prozent gestiegen ist. Hier ist etwas im Ungleichgewicht, das wir in schlichtenden Gesprächen zu lösen versuchen.”

Angesichts rasant steigernder Mieten in den Metropolen sieht Frank Wagner Markthallen, die gastronomische Angebote bündeln und nicht mit Wohnraum konkurrieren, als eines der Gastro-Formate, mit denen Wohnviertel in Zukunft konfliktfreier an Attraktivität gewinnen können. Noch größer ist allerdings die Herausforderung in problematischen Bereichen wie dem Frankfurter Bahnhofsviertel, wo James Ardinast inmitten von Rotlicht und Drogenszene Restaurants betreibt. „Unsere Aufgabe dort besteht nicht nur darin, Essen zu verkaufen. Es geht auch darum, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden, durch Sauberkeit und Beleuchtung für Sicherheit zu sorgen, gleichzeitig mit den Menschen auf der Straße zu interagieren und ihnen auch zu helfen.” Eine diverse Stadtgesellschaft brauche endlich lösungsorientierte Ideen für die Zukunft, hob Ardinast hervor. „Wir finden in Deutschland häufig Gründe, warum etwas nicht funktioniert. Dabei geht viel Potenzial verloren, urbane Lebensräume positiver zu gestalten.” Dafür brauche man mehr Konsens und weniger Egoismen.

Um diese urbanen Lebensräume auch für die Bewohner des ländlichen Raums zu erschließen, ist unter anderem ein leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr unerlässlich. „Diesen zu stärken, ist eines der wirksamsten planerischen Hebel, die wir haben, um den Anstieg der Mietpreise in der Stadt zu bremsen”, erläuterte Andreas Topp. Hier ist ebenfalls eine engere Zusammenarbeit mit den Akteuren aus den umliegenden Gemeinden notwendig, um sowohl Gästen als auch Mitarbeitern den Weg in die Stadt zu erleichtern und damit die gesamte Region zu stärken.

Flexible Zwischennutzung von Flächen

Viel Veränderung und Transformation herrscht auch bei der Planung und Gestaltung von Bürostandorten angesichts von immer flexibler werdenden Arbeitszeiten und -orten. „Auf die Mittagsverpflegung spezialisierte Konzepte müssen sich überlegen, welche Standorte in Zukunft für sie in Frage kommen”, gab Inge Vogt zu bedenken. „Der Markt wird kleiner werden.” Nils Runge schlug eine fluidere Nutzung von Räumen vor, um diese weiterhin wirtschaftlich zu betreiben. „Warum nicht tagsüber in einem Club Yoga anbieten? Oder dort Probemöglichkeiten für Bands einrichten? Unterschiedliche Nutzungen eines Gebäudes, die zu verschiedenen Zeiten Menschen anziehen und Flächen effizient bespielen, könnten in Zukunft an Relevanz gewinnen.” Zum Beispiel als Option für leerstehende Warenhäuser, ergänzte Inge Vogt. „Allerdings muss es jemanden geben, der die Verantwortung übernimmt und das Miteinander gestaltet. Dann sind Kooperationen verschiedener Akteure ein sinnvoller Ansatz in Zeiten von weniger Flächen und Mitarbeitern.”    

Themen wie Außengastronomie und Schallschutz sollten frühzeitig mitbedacht werden, wenn es um die Eröffnung neuer Konzepte geht, empfahlen die Experten.  „Ein schalldichter Club ist möglich - man muss nur wissen, wie man es macht!”, kommentierte Frank Wagner. Für James Ardinast sind Rücksicht aufeinander und Verständnis für die Bedürfnisse des anderen in einer dicht besiedelten Stadt sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein harmonisches Miteinander. „Das gilt auch für die Gastronomen untereinander!”

Über den FCSI Deutschland-Österreich e.V.

Als Bestandteil des weltweiten Verbandes mit insgesamt 1.400 zertifizierten Mitgliedern fokussiert sich der FCSI Deutschland-Österreich auf die Beratung von Betrieben der Hotellerie, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. In Deutschland und Österreich sind ca. 60 Professionelle Mitglieder registriert. Unterstützt und gefördert wird der Verband durch die branchenweite Zuliefer-Industrie. Das Engagement des Verbands für die Branche erstreckt sich von der Nachwuchsförderung, über die Anerkennung und Zertifizierung des Beraterstatus bis hin zur aktiven Mitgestaltung der Zukunftsfähigkeit der Hospitality Branche.


 

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