Nach Corona-Schock droht Gastronomie Pleitewelle

| Gastronomie Gastronomie

Dass der Gastronomie in Deutschland nach Einschätzung des Finanzinformationsdienstes eine neue Pleitewelle droht wurde gestern bekannt. Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Branche noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau arbeitet.

Nach Einschätzung des Finanzinformationsdienstes Crif gelten zurzeit mehr als 15 000 Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés in Deutschland als insolvenzgefährdet. Das Statistische Bundesamt belegte am Donnerstag mit Zahlen, dass die Branche den Umsätzen aus dem letzten Vorkrisenjahr 2019 immer noch deutlich hinterherhinkt. Es fehlt auch an Personal, was zu kürzeren Öffnungszeiten und einem geringeren Angebot geführt hat.

Steigende Preise für Energie und Lebensmittel sowie der Personalmangel machen der Branche zu schaffen. Nun soll nach dem Willen der Regierungskoalition im Bund die während der Corona-Pandemie von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkte Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2024 wieder auf den normalen Satz angehoben werden. Bayern hat für die Sitzung des Bundesrats an diesem Freitag beantragt, die gesenkte Umsatzsteuer auf Getränke auszudehnen und dauerhaft einzurichten. Dafür solle der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

In der Gastronomie ist laut Crif inzwischen jeder achte Betrieb (12,6 Prozent) von der Pleite bedroht - Tendenz weiter steigend. Wegen der zum Jahreswechsel geplanten Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz bei Speisen erwarten die Branchenbeobachter weitere Insolvenzen. «Die Anhebung der Mehrwertsteuer wird vor allem für bereits finanziell angeschlagene Gastronomiebetriebe die Lage weiter verschärfen», erläuterte Crif-Geschäftsführer Frank Schlein. Vor der Pandemie galten nur 10,7 Prozent der Betriebe als insolvenzgefährdet. In diesem Jahr erwartet Schlein in der Gastronomie rund 1600 Insolvenzfälle und damit 36,5 Prozent mehr als 2022. «Im kommenden Jahr werden die Insolvenzen in der Gastronomie weiter steigen», prognostizierte der Finanzexperte.

Der Dehoga-Verband hat die Hoffnung auf eine dauerhaft reduzierte Speisen-Besteuerung noch nicht aufgegeben, macht Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges deutlich. Man fordere seit Jahrzehnten die steuerliche Gleichbehandlung von Essen in Restaurants und Cafés mit den zum Mitnehmen angebotenen Speisen zum Beispiel in Supermärkten und der Essenslieferung. «Es kann nicht sein, dass nur das Essen auf unseren Porzellantellern ab 1. Januar mit 19 Prozent besteuert wird. Steuerfairness sieht anders aus», sagte Hartges der dpa.

Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag auch mit dem niedrigeren Steuersatz der preisbereinigte Umsatz der Betriebe im September 12,6 Prozent unter dem Niveau vom 2019. Besonders hart getroffen sind getränkeorientierte Kneipen, die von der zwischenzeitlichen Mehrwertsteuerabsenkung für Speisen kaum profitieren konnten. Im Bereich Getränkeausschank gingen die Erlöse innerhalb von vier Jahren um 34,5 Prozent zurück. Restaurants, Gaststätten und Cafés mussten mit einer Lücke von 8,1 Prozent zurechtkommen.

Mit den sinkenden Umsätzen und nach zwischenzeitlichen Lockdowns ist auch die Beschäftigtenzahl geschrumpft. Sie lag im September zwar 4,0 Prozent höher als vor einem Jahr, aber immer noch 6,7 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau von 2019. Im Kampf um das in der Pandemie knapper gewordene Personal können die Betriebe trotz einiger Tarifsteigerungen nicht auf gute Verdienstmöglichkeiten verweisen. Laut Bundesamt arbeitete im Oktober 2022 exakt die Hälfte der Gastronomie-Beschäftigten zu Niedriglohnbedingungen - im Vergleich zu 15,2 Prozent in der Gesamtwirtschaft.

Die Gewerkschaft NGG hält daher den Arbeitskräftemangel für hausgemacht. «Ohne Restaurantfachleute, Köchinnen und Fachleute, die den Laden am Laufen halten, müssen in Zukunft die Öffnungszeiten noch kürzer und die Karten noch kleiner werden und damit Umsätze weiter schrumpfen», mahnt NGG-Chef Guido Zeitler. Er verlangt einen echten Neustart für die Branche: «Die Löhne müssen flächendeckend steigen und die Tarifverträge endlich von allen Arbeitgebern angewendet werden. Nur mit besseren Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen wird die Branche wieder attraktiv und kann die großen Personallücken schließen.»

Die Dehoga setzt eher auf Impulse des Staates. «Auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir mehr Anreize, dass es sich lohnt, eine Arbeit aufzunehmen», sagt Hauptgeschäftsführerin Hartges. «Wir sind die Branche der Chancen und der Integration. Wer erst einmal in Arbeit ist, bekommt auch Chancen auf qualifiziertere Tätigkeiten.»


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

In den Alpen zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels etwa in Form von Wassermangel besonders deutlich. Der Betrieb von Berghütten wird deshalb immer schwieriger.

Mit der Eröffnung eines neuen ServiceStores DB am S-Hochbahnhof Schönhauser Allee in Berlin hat Casualfood seine Partnerschaft mit der Deutschen Bahn erneut erweitert: Das Portfolio umfasst jetzt insgesamt sechs dieser im Franchise betriebenen Outlets.

Das St. Peter Stiftskulinarium in der Salzburger Altstadt ist ab sofort Teil der Romantik Hotels & Restaurants. Die Gaststätte, in der seit 803 gekocht wird, gilt als ältestes Restaurant Europas.

Plätze im Bierzelt am Samstagabend auf dem Oktoberfest sind Mangelware. Manche lassen sich von Angeboten im Internet verlocken. Doch die Verbraucherzentrale Bayern warnt.

Typische Nachspeisen waren einst Milchreis oder Pudding. Heute sind anspruchsvollere Desserts angesagt. Kinder sprechen etwa über ihre Lieblings-Macarons oder Pavlova. Zeit für eine Nasch-Recherche.

Mit neun Restaurants, die vom Guide Michelin ausgezeichnet wurden, weist Nürnberg unter den deutschen Großstädten die meisten Michelin-Sterne pro Kopf auf. Auf dem ersten Platz weltweit landete Japans kulturelle Hauptstadt Kyoto.

Mittlerweile gibt es in vielen Orten in Deutschland Genossenschaften, die Gasthäuser betreiben. So auch im Örtchen Bärstadt in Hessen. Als es in der Gemeinde im Taunus keine Dorfkneipe mehr gab, nahmen die Menschen dort die Sache selbst in die Hand. Beratung kam von einem vergleichbaren Projekt.

Anlässlich der Berlin Food Week Anfang Oktober besucht Ferran Adrià die deutsche Hauptstadt. Am 9. Oktober wird er einen Vortrag vor geladenen Gästen mit dem Titel "Der Einfluss der katalanischen Haute-Cuisine auf die Gastronomie" halten.

Pommes mit einer kompostierbaren Gabel essen und dabei Livemusik hören, die zu 100 Prozent mit Öko-Feststrom produziert wird: Fans der Band Die Ärzte, die am 23., 24. und 25. August 2024 eines ihrer Konzerte auf dem Tempelhofer Feld in Berlin besuchen, werden wahrscheinlich die nachhaltigste Großveranstaltung erleben, die die Branche aktuell zu bieten hat.

Etwas weniger Besucher sind in diesem Jahr zum Gäubodenvolksfest in Straubing gekommen. Erst war es sehr heiß - doch zum Schluss gab es kräftigen Regen. Die Wirte schenkten in diesem Jahr rund 700.000 Liter Festbier aus.