Im Gegensatz zum Totalausfall der Wintersaison 2020/21 in Österreich zog die Tourismusnachfrage im vergangenen Winter nach neuerlichen Betriebsschließungen zu Saisonbeginn stetig an. Der Rückstand von November 2021 bis April 2022 zum Vorkrisenniveau verringerte sich auf durchschnittlich knapp 28 Prozent bei Übernachtungen und gut 19 Prozent in Bezug auf die nominellen Tourismuseinnahmen .
Die Erwartungen der österreichischen Tourismuswirtschaft für die aktuelle Sommersaison sind durchweg positiv, nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen ist der Reisewunsch im In- und Ausland groß. Die durch den Krieg in der Ukraine angespannte geopolitische Lage und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, vor allem der massive Preisanstieg, trüben jedoch die Aussichten für die kommenden Monate zunehmend ein.
Trotz steigender Inflation und erheblicher wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten fällt auch die unternehmerische Einschätzung der derzeitigen Geschäftslage europäischer sowie österreichischer Tourismusbetriebe aktuell sehr positiv aus: Angebotsseitig wurden mit Mai 2022 neue Höchstwerte beider Indikatoren erreicht.
Durch den Lohndruck aufgrund des Fachkräftemangels und der hohen Inflationsraten, die steigenden Rohstoff- und Energiepreise sowie die Rückkehr zum üblichen Umsatzsteuersatz in Hotellerie und Gastronomie ist in naher Zukunft mit weiteren Preissteigerungen auch im Tourismus zu rechnen. Steigende Kosten werden sich negativ auf die unternehmerische Wertschöpfung auswirken.
Positiv stimmt, dass viele Gäste – vor allem mittlerer und höherer Einkommensschichten – offensichtlich bereit sind, ihr Urlaubsbudget für den Sommer 2022 auszuweiten. Das geht aus einer ÖAMTC-Umfrage unter Österreicherinnen und Österreichern zum Sommerurlaub 2022 hervor. Laut dieser Befragung ist von einer Erhöhung des durchschnittlichen Urlaubsbudgets um 15 Prozent im Vergleich zu 2021 auszugehen. Zudem werden viele Reisen und die betreffenden Aufwendungen tendenziell schon länger im Vorhinein verplant und damit in einem Umfeld hoher und sich beschleunigender Inflationsraten zu einem günstigeren Preis gebucht. Mit einem inflationsbedingten touristischen Konsumrückgang ist somit vermutlich verstärkt erst zum Jahresende hin zu rechnen.
Auch ein größerer Reisewunsch gegenüber den beiden Pandemiejahren kann aus der Umfrage abgeleitet werden; allerdings werden die Zieldestinationen österreichischer Reisenden in diesem Sommer wieder vermehrt im Ausland liegen (56 Prozent der Befragten, 2021: 43 Prozent) – es ist also von gewissen Nachholeffekten bei Auslandsreisen auszugehen. Von dieser erhöhten internationalen Reisebereitschaft, verbunden mit dem Wunsch nach Urlaub am Meer, werden vor allem südeuropäische Destinationen profitieren, aber auch der österreichische Städtetourismus, der von den Auswirkungen der Krise besonders stark getroffen wurde, könnte von diesen Nachholeffekten profitieren.