Wem gehört der Borschtsch? Suppe wird zum Politikum

| War noch was…? War noch was…?

Ist der Borschtsch ukrainisch oder russisch? Eigentlich könnte man die Frage in diesen Tagen doch eher für nebensächlich halten. Weit gefehlt: Mit ihrer Entscheidung, die ukrainische Zubereitungsart der Rote-Bete-Suppe auf die Liste des weltweit zu schützenden Kulturerbes zu setzen, hat die Unesco in dem kriegsgebeutelten Land Euphorie ausgelöst. «Der Sieg im Krieg um den Borschtsch ist unser!», jubelte Kulturminister Olexander Tkatschenko. Vize-Außenministerin Emine Dschaparowa freute sich: «Der ukrainische Borschtsch ist entrussifiziert.»

Dabei wählte die Behörde der Vereinten Nationen mit Sitz in Paris wohl ganz bewusst eine vorsichtige Formulierung. Sie sprach in ihrer Begründung von der «nationalen Version des Borschtsch, der in mehreren Ländern in der Region gegessen wird». Borschtsch nämlich ist auch in Russland und anderen Staaten des postsowjetischen Raums sehr beliebt und verbreitet. Hier gehe es aber darum, angesichts des russischen Angriffskriegs aufs Nachbarland einen «wesentlichen Bestandteil des ukrainischen Familien- und Gemeinschaftslebens» zu schützen, so die Unesco.

Der «Suppenkrieg» ist deutlich älter als der richtige Krieg, auch wenn der jetzt auch schon seit Ende Februar dauert. Bereits im Mai 2019 löste ein Eintrag auf Russlands offiziellem Twitter-Konto in der Ukraine einen Sturm der Entrüstung aus. Dort hieß es: «Borschtsch ist eines der bekanntesten und beliebtesten Gerichte Russlands und ein Symbol der traditionellen Küche.» Darüber hinaus stamme das Wort Borschtsch vom russischen Wort für Bärenklau, der einst in der mittelalterlichen Rus als Suppengrundlage diente.

In den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook warfen Ukrainer Moskau damals schon vor, sich nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 nun auch noch die traditionelle Suppe aus Rote Bete, Kraut, Kartoffeln, Schweinefleisch, Dill und saurer Sahne aneignen zu wollen. Auch alte Wörterbücher wurden bemüht. Das russische Pendant zum Borschtsch sei die Krautsuppe Schtschi, hieß es von ukrainischer Seite. Und überhaupt hätten die Russen keine Ahnung, wie ein Borschtsch richtig zubereitet werde.

Einmal zum Politikum geworden nahm sich in Kiew auch das Kulturministerium der Sache an. Im Oktober 2020 wurde die «Borschtsch-Zubereitungskultur» in die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Auch das Außenministerium schaltete sich ein. Der Gastroführer Michelin musste sich bei der ukrainischen Botschaft in Paris für die Zuschreibung des Gerichts zur russischen Küche entschuldigen.

Im März vergangenen Jahres beantragte die Ukraine dann die Aufnahme ihres Borschtschs in die Liste des Kulturerbes der Menschheit. Medienberichten zufolge hätte darüber eigentlich erst im nächsten Jahr entschieden werden sollen. Solche Dinge dauern bei der Unesco normalerweise etwas länger. Doch nach dem Einmarschbefehl von Kremlchef Wladimir Putin wurde Kiew eine schnellere Prüfung zugestanden.

Der Streit um die Krautsuppe kann auf den ersten Blick deplatziert wirken angesichts Tausender Tote, zerstörter Städte und des riesigen Leids, das der Krieg über die Ukraine gebracht hat. Doch manchmal verbirgt sich im vermeintlich Unwichtigen eine tiefere Symbolik - so wohl auch beim Borschtsch: Kritiker werfen Russland immer wieder vor, sich das kulturelle Erbe anderer ehemaliger Sowjetrepubliken dreist anzueignen.

Hinzu kommt, dass die ukrainische Kultur - wie viele andere Lebensbereiche auch - vom Krieg bedroht ist. So heißt es auch von der Unesco, die durch den Krieg verursachte Vertreibung von Millionen Menschen führe dazu, dass viele nicht mehr in der Lage seien, zu kochen oder Gemüse für Borschtsch anzubauen. Wenn man sich aber nicht mehr zum Kochen versammeln könne, untergrabe dies das soziale und kulturelle Wohlergehen einer Gemeinschaft.

So groß die Freude in der Ukraine nun ist, so groß ist die Empörung in Russland. «Was kommt als Nächstes? Anerkennung von Schweinefleisch als «ukrainisches Nationalprodukt»?», spottete die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Die Diplomatin hatte zuvor schon für Aufsehen gesorgt, indem sie andeutete, der Krieg sei auch ausgebrochen, weil die Ukrainer den Borschtsch nicht teilen wollten. Nun verwies sie auf Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert, wonach der Borschtsch ein Gericht russischer Einwohner Kiews gewesen sein soll. Die Unesco-Entscheidung sei eine Bestätigung für ukrainische «Fremdenfeindlichkeit, Nazismus, Extremismus in allen Formen».

Die Unesco allerdings hat klar gemacht: Die Einstufung des ukrainischen Borschtsch als zu schützendes Kulturerbe bedeute «weder Exklusivität noch Eigentum am betreffenden Erbe». Sprich: Auch anderswo dürfen sich die Menschen die Suppe weiter kulturell verbunden fühlen. Zumindest Sacharowa scheint der Appetit auf Rote Bete für den Moment vergangen zu sein. Am Sonntag zeigte sie sich im Nachrichtendienst Telegram mit neuer Nahrung: Erdbeeren. «Meine Ernte», schrieb sie zu einem Video, das drei Minuten zeigt, wie sie genüsslich an einer Beere lutscht und schließlich ein Stück davon abbeißt. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Emotional wurde in der Pfalz über den Titel der Weinkönigin diskutiert. Eine neue Struktur soll her. Allerdings nur jenseits des Rheins. Denn Badener und Württemberger sehen das anders.

Für mehr als 200.000 Taylor-Swift-Fans ist die Absage der Konzerte in Wien eine herbe Enttäuschung. Aber Sicherheit geht vor: Die Veranstalter ziehen aus Sorge vor einem Terroranschlag die Reißleine.

Emotional wird über den ältesten Titel einer Weinmonarchin in Deutschland diskutiert - den der Pfälzischen Weinkönigin. Nun ist der Weg frei für die Wahl im Oktober. Dann soll eine neue Struktur her.

Kevin Costner feierte in dieser Woche die Deutschland-Premiere seines Westerns „Horizon - Eine amerikanische Saga“ in Berlin. Er und Vertreter der Tobis Film machten danach einen Abstecher in die Lang Bar im Waldorf Astoria. Unter anderem wurden der Palermo Paloma, ein Anti-Stress Negroni oder The Oaxaca Old Fashioned serviert.

Costa Rica hat internationale Anerkennung für seine offene Gastfreundschaft erhalten. In einer aktuellen Umfrage bewerten Auswanderer das tropische Paradies in Mittelamerika als das freundlichste Land der Welt.

Als Brad Pitt 40 wurde, wollte seine damalige Ehefrau Jennifer Aniston ihm offenbar etwas Besonderes schenken. Jamie Oliver erzählt, wie die Schauspielerin ihn damals kontaktierte.

Alfons Schuhbeck (75) sitzt seit Oktober 2022 wegen Steuerhinterziehung für drei Jahre hinter Gittern. Der TV-Koch hat in den vergangenen Monaten den offenen Vollzug genutzt und konnte sogar mehrere Nächte in seiner Münchner Wohnung verbringen – doch damit ist jetzt Schluss. 

Aktivisten fordern mehr Klimaschutz - auch mitten in der Nacht am größten Flughafen in Sachsen. Sie zielen vor allem auf den Frachtverkehr über eines der wichtigsten europäischen Drehkreuze.

Steht die Luft mal wieder im Büro? Heiße Sommertage sorgen bei vielen Arbeitnehmern für Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Welche Maßnahmen helfen, um trotz Hitze produktiv zu bleiben.

Die Diskussion über den ältesten Titel einer Weinmonarchin in Deutschland dauert an. Finden am Ende künftig zwei konkurrierende Wahlen in der Pfalz statt?