Eigener Schreibtisch in Gefahr - «shared desks» und die Tücken für Unternehmen

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Die Corona-Pandemie wird die Arbeitswelt mutmaßlich dauerhaft verändern: Viele Büroangestellte wollen nach dem Ende der Pandemie zumindest tageweise weiter daheim arbeiten, Unternehmen brauchen daher weniger Büroarbeitsplätze. Doch für Unternehmen birgt die Umstellung der Arbeitsorganisation Risiken, wie Wissenschaftler sagen. Mögliche Folgen bei Planungsfehlern sind niedrigere Produktivität und schlechteres Betriebsklima.

Die Pandemie befeuert einen schon Jahre zuvor aus den USA nach Deutschland importierten Trend: Einzelbüros werden zu Großraumbüros, persönliche Schreibtische durch Gemeinschaftstische ersetzt, im Managementjargon «shared desks» genannt.

Arbeitgeber sehen ihre Belegschaften traditionell am liebsten in der Firma, doch Corona hat das Umdenken beschleunigt: Viele Arbeitnehmer sind gern daheim tätig, und arbeiten dort mehrheitlich ebenso viel - und häufig sogar mehr - als zuvor.

«Viele Leute arbeiten zuhause länger, weil der Arbeitsweg weggefallen ist», sagt Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. «Die Zeit, die man sonst im Zug oder im Auto verbracht hat, wird quasi dem Arbeitgeber geschenkt.»

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) befragte 2020 im ersten Pandemiejahr Unternehmen nach ihren Plänen: «Unter den großen Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten wollten über 50 Prozent das Home Office ausbauen», sagt Nils Backhaus, Fachmann für Arbeitsorganisation. «Da drei Viertel der Beschäftigten in großen Betrieben arbeiten, wird das doch sehr viele Menschen betreffen.»

Damit müssen Unternehmen naturgemäß aber auch überlegen, wie viele Büroarbeitsplätze sie eigentlich noch brauchen. «Die wenigsten Beschäftigten wollen hundert Prozent Home Office», sagt Backhaus. «Es wird darauf hinauslaufen, dass ein Großteil der Beschäftigten an bestimmten Wochentagen ins Büro kommen will.»

Doch das birgt Tücken. Ein kleines Beispiel: Befragungen zufolge sind Montage und Freitage die beliebtesten Heimarbeitstage. Sollte sich die Mehrheit der Belegschaft von Dienstag bis Donnerstag in der Firma drängeln wollen, kann es in verkleinerten Büros zu eng werden. «Wenn die Büros an drei Tagen in der Woche ausgelastet sind, muss man unter Umständen den Beschäftigten vorschreiben, wer an welchen Tagen ins Büro kommen darf», sagt Backhaus.

Unfrieden in einem Unternehmen könnte nach Backhaus' Einschätzung auch die Kluft zwischen Heimarbeitern und den im Betrieb Unverzichtbaren auslösen: «Wenn diejenigen, die schon während der Pandemie Privilegien hatten, weil sie zuhause arbeiten konnten, diese Privilegien auch nach der Pandemie behalten oder sogar ausbauen können, dann wäre das mit einem Anstieg der Ungleichheit im Betrieb verbunden», sagt der Wissenschaftler. «So etwas könnte auch den Betriebsfrieden massiv beeinträchtigen.»

Die Organisation hybrider Arbeitszeitmodelle mit dauerndem Wechsel zwischen Arbeit im Betrieb und Zuhause werde eine große Herausforderung für die Unternehmen, sagt Backhaus. «Da kommt den Betriebsräten und Beschäftigten eine große Rolle in der Mitbestimmung zu.»

Flexi-Büros und Gemeinschaftsschreibtische sind Teil einer unter dem Schlagwort «New Work» aus den USA importierten Form der Arbeitsorganisation.

Flexibles Arbeiten als solches ist unter Arbeitnehmern keineswegs unpopulär. Mit der Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort steige die Arbeitszufriedenheit, sagt Hannah Schade vom Dortmunder Leibniz-Institut. Doch gleichzeitig steigt demnach auch der «Optionsstress». Salopp formuliert: Wer die Wahl hat, hat die Qual und muss sich selbst organisieren.

Für Unternehmen ist die Gestaltung flexibler Büros mit ganz praktischen Schwierigkeiten verbunden. In vielen Firmen müssen die Angestellten Schreibtische elektronisch buchen. Sind die Arbeitnehmer erst einmal gezwungen, sich freie Plätze zu organisieren, führt das naturgemäß zu Verdruss.

«Spitz auf knapp kalkulierte Büros scheinen mir verführerisch für den Arbeitgeber, der denkt, das wird günstiger für mich», sagt Schade. «Doch eine Umstellung, die allen etwas bringt - auch dem Arbeitgeber durch gesteigerte längerfristige Produktivität und höhere Zufriedenheit der Arbeitnehmer - die ist nicht günstig», meint die Wissenschaftlerin.

«Also keine Mini-Telefonboxen, in denen man das Gefühl hat, keine Luft zu bekommen. Sondern verschiedene Arten von Räumen für verschiedene Tätigkeiten und genug Platz für alle Tätigkeiten, die die Mitarbeiter ausüben.»

Zu Flexi-Büros gibt es nach Schades Worten noch keine größer angelegten wissenschaftlichen Studien. Bereits ziemlich gründlich untersucht sind dagegen die üblichen Großraumbüros.

Demnach sind diese der Produktivität und der Kommunikation eher abträglich. «Man kann mit Großraumbüros Platz sparen, aber mit einer Produktivitätssteigerung kann man nicht rechnen, insbesondere dann nicht, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie beobachtet werden», sagt Schade.

Als zweifelsfrei erwiesen gilt, dass ein hoher Geräuschpegel im Büro Stress bedeutet. Dementsprechend werden Großraum-Belegschaften angehalten, möglichst geräuschlos zu arbeiten. Im Ergebnis leidet dann die Kommunikation: Für eine 2018 erschienene britische Studie bauten die Wissenschaftler die Trennwände in Büros aus. Ergebnis: Die Zahl der Gespräche von Mensch zu Mensch sank um 70 Prozent.


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