Enge Liaison mit «Leading» - Interview Andrea Scherz vom Gstaad Palace

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Das Gstaad Palace und Leading Hotels of the World (LHW), das ist eine «Love Affair». Der letztes Jahr verstorbene Ernst Andrea Scherz hatte sich von 1974 bis 1989 für diese Hotelgruppe von ungeheurer Strahlkraft als Chairman engagiert. Nun schliesst sich der Kreis, wieder ist ein Scherz Vorstandsvorsitzender. Andrea Scherz im Gespräch mit tageskarte.io über seine Pläne für diese Vereinigung der besten Hotels der Welt.

Herr Scherz, in der Satzung von Leading Hotels of the World steht offenbar, dass ein Schweizer als Vorstandsvorsitzender, idealerweise mit eigenem Hause in Familienbesitz, agieren solle. Für 15 Jahre war es ihr Vater, zuletzt Andrea Kracht vom Baur au Lac in Zürich für 10 Jahre, jetzt sind es Sie. Wieso immer diese Schweizer – scherzhaft gefragt?

Andrea Scherz: Die Aktiengesellschaft, die «Leading» kontrolliert, ist eine Schweizer Gesellschaft. Somit sollte auch der Verwaltungsratspräsident ein Schweizer sein. Klar ist auch: Die Schweiz war stets ein Massstab für die weltweite Luxushotellerie. Nicht zuletzt wegen der vielen bekannten Hotelfachschulen, die wir in unserem Lande haben. Kommt hinzu, dass die Familienhotellerie in diesem Segment ein immer rarer werdendes Gut ist, das wir unbedingt erhalten müssen. Insofern waren unsere Grossväter und Väter da durchaus weitsichtig.

Unter Ihrem Vater wuchsen «Leading»-Hotels von 70 auf 220 Betriebe wuchs die Vereinigung. Erinnern Sie sich noch, wann Sie als Kind mit LHW erstmals in Kontakt kamen?

Andrea Scherz: Und wie! Das war glaub im Jahre 1984, als ich ihn – zusammen mit meiner Familie – nach New York begleiten durfte, wo damals wie heute die Geschäftsstelle von «Leading» ist. Das war so ein richtiger Augenöffner, sah ich doch das erste Mal im Leben Computer, Beamer – und ein Callcenter mit über 50 Agenten. Die Drähte liefen heiss, aus aller Welt riefen Reisebüros und Vertreter an. Das war wirklich «leading».

Was hat Ihr Vater geschafft, das Sie auch erreichen wollen?

Andrea Scherz: Erstens hat er «Leading» gross gemacht, im Sinne einer relevanten Gruppierung mit damals über 200 führenden Häusern. Zweitens – und das war noch wichtiger – hat er früher als viele andere das Computerzeitalter eingeläutet. Das gab uns in Sachen Technologie-Know-how einen riesigen Vorsprung, von dem wir heute noch zehren. Auch jetzt müssen wir technologisch an der Spitze sein. Ich will das «Leading» weiterhin eine Organisation von Hoteliers für Hoteliers bleibt. Sie soll individuell geführten Luxushotels helfen, unabhängig zu bleiben, damit sich diese neben den grossen Hotelketten behaupten können.

Was ist für Sie persönlich ein gutes «Leading»-Hotel?

Es ist nicht zu gross, hat eine ausserordentliche Geschichte und Lage. Und ist idealerweise in der Hand der Besitzerschaft, oder zumindest sehr persönlich geführt. Zudem ist das Haus aufs engste mit seiner Region verbunden, auch das ein Plus, den heutige Gäste sehr schätzen.

 

«Leading» ist eine grosse Familie, Ihr Haus ist ebenfalls ein Familienbetrieb. Eignet sich «Leading» gerade für solche Betriebe besonders?

Andrea Scherz: Auf jeden Fall. Wir ticken anders. Wir kennen unsere Gäste seit Jahren, Jahrzehnten zum Teil. Wir kennen ihre Vorlieben, wir begleiten sie, ihre Kinder und Grosskinder sogar schon in der schönsten Zeit ihres Lebens, in den Ferien. Unsere Hotels sind für viele wie ein zweites Zuhause, viele – wie im Palace – lassen sogar persönliche Einrichtungsgegenstände, Kleider oder andere Utensilien bei uns. Alles Dinge, die grosse Hotelketten nicht leisten können und auch nicht wollen.

Wie viel Zeit wenden Sie für den Job bei «Leading» auf? Oder anders gefragt: Ist Ihnen im Palace etwa langweilig?

Andrea Scherz: Keine Sorge, mir geht die Arbeit auch im eigenen Hause nicht aus. Die Arbeit für «Leading» ist Ehrensache – auch eine Hommage an meinen letztes Jahr verstorbenen Vater, der stets stolz war, dass ich schon länger als Vizepräsident tätig war. Zudem will ich mit unserer «Leading»-Familie den nächsten grossen Schritt in der digitalen Transformation mitbegleiten. Diese stellt uns vor grosse Herausforderungen.

Inwiefern?

Andrea Scherz: Unsere Gäste werden immer schneller, sind stets mit ihrem Mobile unterwegs. Die Services müssen jederzeit, rund um die Uhr verfügbar sein. Nicht nur beim Buchen, das immer häufiger direkt statt über Callcenter oder booking.com erfolgen. Auch wenn die Gäste dann hier sind, sind sie immer online und entscheiden ad-hoc, welche Erlebnisse sie wann geboten erhalten mögen. Diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist nicht immer einfach.

Und sie werden immer jünger, die Millionäre – Segen oder Sorgenkinder?

Andrea Scherz: Beides, würde ich sagen. Natürlich war der klassische Luxusgast bislang – gerade in einem Palace – eher auf Understatement bedacht. Man hatte Geld, zeigte es aber nicht oder nur diskret. Bei den neuen Millionären ist das Geld zwar auch nicht die Hauptsache der Welt, aber es ist sozusagen die Währung für permanente Verfügbarkeit.

LHW ist heute eine Vereinigung von über 400 Hotels in 80 Ländern und auf allen Kontinenten vertreten. Früher war es vor allem ein von europäischen Gastgebern getriebene Vereinigung. Was hat sich in der Kultur verändert?

Andrea Scherz: Eigentlich nichts Grundlegendes. Wir waren immer sehr kosmopolitisch. Und wir sind froh, dass neue Regionen der Welt dazu stossen. Wir bleiben weiterhin selektiv und wollen nur die Besten in unserem Verbunde an Bord haben. Dass es gerade in der neuen Welt und in Asien ganz viele neue Formen von Luxushotellerie gibt, ist eine Bereicherung und eine Chance für uns Altgedienten. Denn wir müssen sehen: Der neue Luxus ist oft die Ruhe, die Abgeschiedenheit, das Alles-Dürfen und Nichts-Müssen. Da sind Dinge wie rigide Kleiderordnung oder fixe Essenszeiten passé.

Viele Hotelverbünde sind unter Druck. Sie haben ihre einstige Bedeutung, den freundschaftlichen Austausch unter Gleichgesinnten, verloren. Was macht LHW anders, besser vielleicht?

Andrea Scherz: Wir sind immer noch eine Gruppierung, die im Innern von verbindenden Werthaltungen getragen wird. Wir sind aber zugleich eine hochagile Vertriebsorganisation, die stark digital unterwegs ist. Und wir sind ein Brand mit magischer Strahlkraft. Diesen gilt es zu pflegen, zu erneuern auch. Und stets – gerade durch exzellenten Service in allen Belangen – gilt es zu beweisen, dass wir «leading» sind.

Was angesichts des Fachkräftemangels nicht ganz einfach sein dürfte.

Andrea Scherz: Sie sagen es. Das ist eine unserer grössten Sorgen. Wie gelingt es uns, als «Leading»-Hotels Arbeitgeber zu sein, die ihre Mitarbeitenden begeistern, weiterentwickeln, zu einer spannenden Karriere verhelfen. Da sehe ich grosse Vorteile, denn vereint können wir in Zukunft in die Schulung unserer Standards investieren. Dadurch können wir selber Talente im lokalen Markt finden und ausbilden.

Sie haben in einem Interview zum Antritt bei LHW gesagt, dass Vertriebsfragen bei LHW stets im Zentrum stünden. Und Sie haben dabei eine magische Gleichung genannt: Ein Hotelier, der bei «Leading» seinen Beitrag bezahlt, soll 10-mal so viel Umsatz erhalten. Indiskrete Frage: Geht die Rechnung für Sie im Palace auf?

Andrea Scherz: Diese Frage – obwohl Schweizer sonst nie über Geld sprechen – kann ich ganz klar bejahen. Sonst wären wir ja nicht mehr dabei… Im Ernst: Klar zählt am Schluss neben ideellen Werten immer auch die Bottomline. Welches Geschäft können wir über welchen Kanal generieren? Und da bringt «Leading» – gerade auch mit den neuen Tools, die unsere CEO Shannon Knapp seit 2019 eingeführt hat – enorm viel. Wir können und wollen nicht billig sein, aber preiswert.

Immer mehr Kunden buchen direkt oder über die Grossen dieser Welt. Hat da eine Vertriebskooperation wie LHW überhaupt noch eine Chance?

Andrea Scherz: Wie gesagt – als Einzelbetrieb, auch wenn man einen magischen Namen wie unser Gstaad Palace hat – ist man im B2C-Geschäft allein nicht erfolgreich genug. Oder man verkauft seine Seele an die Grossen, sei es an die weltumspannenden Brands, sei es an globale Bookingmaschinen, die einem mit ihrer Online-Präsenz ein Schaufenster verschaffen – allerdings zu horrenden Kommissionen. Wir bei «Leading» verfolgen demgegenüber ein systematisches Stammkundenmarketing und binden unsere Gäste über den «Leaders Club» sehr erfolgreich an unsere Vereinigung.

Das grosse Wachstum für Luxushotels ist in Asien. Wo sehen Sie Potenzial für LHW, insbesondere was das geographische Wachstum angeht?

Andrea Scherz: Wir schauen auf allen Kontinenten nach geeigneten Partnern. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nach wie vor auswählen können und nicht Bittsteller sind. Asien ist definitiv ein Wachstumsmarkt, aber auch bestehende Märkte wie die USA oder der Mittlere Osten haben noch Potenzial.

Gibt es noch blinde Flecken auf der Landkarte von LHW?

Andrea Scherz: Ja, die Antarktis. Scherz beiseite – der neue Luxus geht hinaus, aus den Städten, in die abgelegenen Regionen dieser Welt. Gerne hätten wir auch die Peninsula Gruppe bei uns.

Plakativ gefragt: Gehen «good old Europe» und die USA allmählich unter?

Andrea Scherz: Das glaube ich nicht. Denn wenn wir an die Wertfrage denken und auch an den Fakt, dass Historie und Service-Tradition Assets sind, die Menschen (wieder) suchen, dann bin ich optimistisch. Zum Beispiel gerade jetzt wo die Leute nach der Pandemie wieder reisen dürfen, erfährt die Schweiz ein Boom wie selten. Aber andersherum gesagt: Nur weil man 100 oder mehr Jahre am Markt ist, heisst noch nicht, dass man «leading» ist. Man muss seine Hausaufgaben machen und sich stets neu erfinden.

Womit wir bei der Frage sind, wie streng «Leading» sein muss, wenn es um die Aufnahmekriterien geht. Streben Sie eine Entrümpelung des Portfolios an?

Andrea Scherz: Entrümpelung ist jetzt gerade etwas gar dick aufgetragen. Aber ja: Wir wollen nicht primär wachsen. Oder wenn, dann nur qualitativ. Wir wollen uns vor allem noch mehr Gedanken machen, was «Leading» in Zukunft bedeutet. Vielleicht kann man uns schon bald auch im Metaverse finden, aber letztlich ist unser Geschäft ein ganz handfestes. Wir verkaufen Träume – nicht ganz billig, und erst noch auf Vorkasse.

Auch die «Leading»-Hotels haben während der Covid-Pandemie gelitten. Was hat die Vereinigung für die Members in dieser schweren Zeit geleistet? Kam es zu Austritten?

Andrea Scherz: Wir hatten schwierige Zeiten, ja. Vor allem die Kollegen in den grossen Metropolen, wo der Geschäftstourismus und das Corporate Business komplett eingebrochen ist. Auch dass die internationalen Kunden – wie bei uns im Palace, wo sie über 60 Prozent der Gästeschaft ausmachen – nicht mehr reisen durften, hat uns allen geschadet. Aber wir sehen im Moment eine extreme Gegenbewegung: Wir verkaufen aktuell vor allem die teuersten Zimmer zu sehr guten Raten. Auch lief es uns – dank vieler Sofortmassnahmen – verhältnismässig besser. So haben unsere Mitglieder durchschnittlich im Jahr 2020 «nur» 37 Prozent Geschäft verloren. Und im 2021 wieder 67 Prozent zugelegt. Das stimmt mich zuversichtlich.

Haben Sie Signale, dass die Gäste wieder reisefreudig sind?

Andrea Scherz: Ganz klar ja. Wir im Palace beispielsweise begrüssen wieder viele Gäste aus Stammmärkten wie USA oder UK. Und auch aus den Golfstaaten kommen viele Gäste zurück.

Wo steht «Leading» in 20 Jahren?

Andrea Scherz: Wenn ich das wüsste, könnte ich vermutlich für den Nobelpreise kandidieren… Ohne Witz: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann: «Leading» Hotels of the World wird eine fixe Grösse im Topsegment der weltweiten Hotellerie sein. Leading wird DIE Adresse sein für unabhängige Luxushotels und individuelle Luxusreisende. Wir werden uns behaupten, weil wir anders sind. Und weil wir unseren Job – die Gastfreundschaft und die Servicekultur – besser, menschlicher, authentischer noch machen. Sicherlich auch weniger formell, auch frecher und wo immer sinnvoll mit Hilfe technologischer Tools unterwegs. Aber: Hotellerie auf diesem Niveau bleibt stets ein People Business.

Schlussfrage: Sie haben zwar eben erst begonnen. Und doch die Frage: Wie lange machen Sie den Job?

Andrea Scherz: Das müssen Sie unsere Mitglieder fragen. Vorerst bin ich für drei Jahre im Amt. Und wir Bergler sind ja bekanntlich zäh. Ich bin gekommen, um zu bleiben, aber nicht für ewig…

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