Baden-Württemberg ruft Alarmstufe aus - 2G-Regel auch für Gastronomie

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Es ist die vorerst höchste Eskalationsstufe: Baden-Württemberg schreitet aufgrund der sich zuspitzenden Lage auf den Intensivstationen in die sogenannte Alarmstufe. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat am Dienstag strengere Regeln für Ungeimpfte angekündigt - bereits ab Mittwoch sollen sie gelten.

Was es mit der Alarmstufe auf sich hat

Das baden-württembergische Stufensystem hängt unter anderem von der Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen an. Die Alarmstufe wird ausgerufen, sobald mehr als zwei Tage in Folge über 390 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen im Land behandelt werden müssen. Dann tritt landesweit die 2G-Regel etwa in Restaurants, Museen, Kinos, Schwimmbädern, Fitnessstudios sowie in den meisten anderen öffentlichen Veranstaltungen in Kraft. Auch die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte werden weiter verschärft. Ausnahmen gelten für Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren.

Warum der Winter auch für Geimpfte ungemütlich werden könnte

Die Landesregierung will erstmal an der 2G-Regel festhalten - sie könnte aber die Zügel noch deutlich anziehen. Kretschmann schließt sogar einen erneuten Lockdown nicht mehr aus. «Ob wir nochmal in die Situationen kommen, dass wir noch weitergehen müssen, hängt auch von den Auffrischungsimpfungen ab», sagte er - und stellte bereits in Aussicht, die Größe von Veranstaltungen zu begrenzen. Wenn man feststelle, dass sich die Lage nicht bessere, dann müsse man über Beschränkungen befinden, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Weihnachtsmärkte sollen aber nach aktueller Lage stattfinden könnten. Man müsse sich die Konzepte vor Ort anschauen, sagte Lucha. Er rief am Dienstag erneut dazu auf, sich impfen zu lassen.

Wie wahrscheinlich eine Impfpflicht ist

Das Impfen sei nach wie vor ein scharfes Schwert im Kampf gegen die Pandemie, sagte Kretschmann. Er sprach sich denn auch für eine Impfpflicht für Beschäftigte in Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern aus. Darüber wollen auch die möglichen künftigen Ampel-Regierungspartner im Bund sprechen. Er sei ein «klarer Anhänger einer Impfpflicht» für diese Berufe, sagte Kretschmann. In einem zweiten Schritt solle es auch eine Impfpflicht für Lehrkräfte und die Polizei geben. Gesundheitsminister Lucha sagte sogar, es wäre besser gewesen, zu Beginn der Pandemie eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen. Man habe dies aber aus Sorge um eine weitere Polarisierung der Gesellschaft unterlassen.

Warum die Impfzentren nicht wieder geöffnet werden sollen

Seit der Schließung der Impfzentren im September sind in Baden-Württemberg zudem mobile Impfteams unterwegs. Aber die Nachfrage steigt. Die CDU fordert eine Wiedereröffnung. Aber Lucha winkt vorerst ab - und verweist auf die hohen Kosten. Dafür habe man die Zahl mobiler Impfteams auf 155 aufgestockt. Die Impfzentren seien zudem für 2000 Leute am Tag ausgerichtet, «da hätten sich die Leut' verlaufen». Hingegen meinte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch: «Die Nachfrage ist riesig, und diese Stützpunkte wären jetzt so notwendig wie nie, für das Boostern wie für die Erstimpfungen.»

Was die Alarmstufe für Schulen bedeutet

Schulkinder und Lehrer müssen ab Mittwoch in der Klasse ab sofort wieder Maske tragen. Für Schulbesuche von Museen oder Ausstellungen gilt nun die 2G-Regel - nur noch geimpfte oder genesene Lehrer dürfen die Kinder begleiten, teilte das Ministerium mit. Für Schüler, die sich regelmäßig testen lassen, ändere sich nichts. Die regelmäßigen Corona-Tests in Schulen und Kitas sollen mindestens bis zu den Faschingsferien Ende Februar fortgesetzt werden. Es sei oberstes Ziel, so viel Präsenzunterricht wie möglich anzubieten und dabei den Gesundheitsschutz an den Schulen an das Infektionsgeschehen anzupassen, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) am Dienstag. «Schulschließungen sollten also keine Option mehr sein.»

Was Baden-Württemberg im Bund durchsetzen möchte

Ausgangs- oder Reisebeschränkungen sollen nach dem Auslaufen der sogenannten epidemischen Lage nationaler Tragweite im Bund nicht mehr möglich sein. Der Südwesten sieht sich in seinem Instrumentenkasten im Kampf gegen die Pandemie dadurch beschnitten. Das Land will bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag auf eine andauernde Rechtsgrundlage für Ausgangsbeschränkungen pochen. Vizeregierungschef Thomas Strobl (CDU) forderte zudem am Dienstag von den Ampel-Parteien in Berlin neben einer zügigen Einführung einer bundesweiten 2G-Regel eine Corona-Auskunftspflicht gegenüber Arbeitgebern.

Was die Corona-Alarmstufe bedeutet

Für viele Menschen an etlichen Orten in Baden-Württemberg heißt es ab diesem Mittwoch: «Bitte draußen bleiben». Mit der Corona-Alarmstufe setzt die Landesregierung in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Lebens auf das sogenannte 2G-Modell - nur noch Geimpfte und Genesene dürfen in Restaurants und Kinos, Bäder und das Theater. Wer ungeimpft ist und nur einen Test vorweisen kann, bleibt außen vor. Was die Alarmstufe bedeutet, welche Ausnahmen es gibt und warum sie nicht ganz neu ist, wird nachstehend erläutert.

Was ist die Alarmstufe?

Wesentlicher Grund für die strengeren Vorgaben für Ungeimpfte ab diesem Mittwoch ist die angespannte Situation in den Krankenhäusern. Mit der letzten Eskalationsstufe der derzeit geltenden Corona-Verordnung möchte die Landesregierung diese Lage im Gesundheitswesen so gut wie möglich entspannen. Ein entscheidender Wert ist die Zahl der Intensivbetten, in denen Covid-Patientinnen und -Patienten behandelt werden. Ist bei der Intensivbettenbelegung an zwei Werktagen in Folge die Schwelle von 390 erreicht oder überschritten, gilt ab dem nächsten Tag die landesweite 2G-Regelung.

Was bedeutet das für mich?

Kommt drauf an, ob Sie geimpft sind oder nicht. Denn für viele Bereiche des öffentlichen Lebens ist in der Alarmstufe der Zugang nur noch für Geimpfte und Genesene erlaubt. Das gilt etwa fürs Kino, fürs Museum und auch fürs Schwimmbad oder für ein Fitnessstudio, fürs Theater und die Oper, Volkshochschulkurse und Musikschulen. Im Restaurant oder Café reicht in Innenräumen ein Test ebenfalls nicht mehr aus.

Und wo haben ungeimpfte Menschen in der Alarmstufe Zutritt?

Natürlich gibt es auch Ausnahmen, etwa für öffentliche Verkehrsmittel und Religionsveranstaltungen. Auch im Einzelhandel gilt in der Alarmstufe 3G ohne PCR-Test-Pflicht. Ausgenommen sind zudem Geschäfte der Grundversorgung wie Supermärkte sowie Märkte im Freien und Abhol- und Lieferangebote. Für die Übernachtung im Hotel müssen Ungeimpfte dagegen einen PCR-Test vorlegen. Auch beim Friseur oder im Nagelstudio gilt in der Alarmstufe 3G mit PCR-Test-Pflicht.

Welche Einschränkungen gibt es noch?

Die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte werden weiter verschärft. Treffen sind in der Alarmstufe nur noch für einen Haushalt und eine weitere Person erlaubt. Ausgenommen sind davon Geimpfte, Genesene und Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Auch Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre werden nicht mitgezählt.

Was heißt das für die Weihnachtsmärkte?

Auch auf den in diesem Jahr wieder in einigen Städten angekündigten Märkten gilt nun zumindest zum Teil die 2G-Pflicht. Wer eine Bratwurst oder einen Glühwein möchte, braucht einen Impf- oder Genesenen-Nachweis. Für den reinen Warenverkauf soll das nicht nötig sein. Das heißt, auch ungeimpfte Personen können auf dem Weihnachtsmarkt einkaufen. Doch einige Städte setzen bei ihren Märkten direkt auf eine strenge 2G-Regel mit Einlasskontrollen.

Und die Gastronomie?

Auch dort gilt ab Mittwoch 2G, zumindest in den Innenräumen. Dann müssen die Beschäftigten in der Gastronomie kontrollieren, abweisen und wohl auch die ein oder andere Diskussion aushalten. Screenshots von Impfnachweisen werden nicht akzeptiert. Das Bier oder den Wein können Ungeimpfte draußen und unter dem Heizpilz trinken. Sie müssen einen negativen PCR-Test mit dabei haben, wie ein Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sagte.

Und wann ist wieder Schluss mit den strengeren Regeln?

Damit die verschärften Corona-Maßnahmen außer Kraft treten, müssen die Schwellenwerte an fünf Werktagen in Folge unterschritten werden. Nach der Alarmstufe würden zunächst wieder die Regeln der Warnstufe gelten.

Geht Baden-Württemberg voraus mit der Entscheidung für 2G?

Nein, Sachsen nutzte als erstes Flächenland bereits umfassend 2G. Darüber wird heftig gemurrt, vor allem unter Gastwirten. Auch andere Länder, wie etwa Bayern, setzen inzwischen auf 2G für Bereiche wie Gaststätten und Hotels. Die Partner der anvisierten Ampel-Koalition im Bund planen, den Ländern je nach dem Infektionsgeschehen zu ermöglichen, 2G plus, 2G- und 3G-Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Bei 2G plus wäre der Eintritt nur für Geimpfte und Genesene gestattet, die zusätzlich getestet sind.

Gibt es Erfahrungen, ob die 2G-Regel etwas bringt?

Ja, eine Begleiterscheinung ist bereits zu beobachten: Die Impfzahlen gehen hoch - selbst in Sachsen, dem Bundesland, das bisher die niedrigste Impfquote Deutschlands vorweist. In Baden-Württemberg steigt die Nachfrage auch, die Schlangen vor den Impfbussen sind lang. Auch in Berlin, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern nimmt das Interesse an Impfungen zu.

Gibt es auch kritische Stimmen zur neuen Regel?

Natürlich. 2G gebe eine «Scheinsicherheit», kritisierte zum Beispiel der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit im Deutschlandfunk. Auch Geimpfte könnten sich infizieren und das Virus übertragen - wenn auch seltener als Ungeimpfte. Wirkliche Sicherheit gäben nur Tests. Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, der in seinem Bundesland ähnlich dramatische Corona-Zahlen hat wie Sachsen, ist auf Distanz zu 2G. Sein Argument: Wer soll das alles kontrollieren? Und was nützen Regeln, die niemand überwacht? (dpa)


 

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