Bund und Länder ringen um Corona-Lockerungen

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Inmitten höherer Infektionszahlen ringen Bund und Länder um Corona-Lockerungen und den grundlegenden Weg aus der Krise über den Frühling hinaus. Vor neuen Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Länder-Regierungschefs an diesem Donnerstag brachte die Ampel-Koalition ihre Pläne in den Bundestag ein. Demnach soll es von Sonntag an nur noch wenige allgemeine Schutzregeln im Alltag geben. Von Ländern, Opposition und Sozialverbänden kamen Proteste und Warnungen. Im Bundestag laufen die Beratungen über konkrete Entwürfe für eine allgemeine Corona-Impfpflicht an.

Die künftige bundesweite Rechtsgrundlage für Corona-Regeln soll unter hohem Zeitdruck an diesem Freitag von Bundestag und Bundesrat besiegelt werden. Die Antwort der Koalition auf die schlimme Lage lasse einen fassungslos zurück, sagte der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt im Bundestag. Der Linke-Politiker Ates Gürpinar verwies auf die höchsten Fallzahlen seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. «Als Reaktion gibt die Regierung nahezu alle Regelungen ab, die die Inzidenzen beherrschbar machen könnten.»

Ein von der Bundesregierung erarbeiteter Entwurf sieht vom 20. März an nur noch Schutzregeln mit Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen vor. Für regionale «Hotspots» sollen aber weitergehende Beschränkungen möglich sein, wenn das Landesparlament eine besonders kritische Lage feststellt. Viele Länder wollen eine Übergangsfrist nutzen und aktuelle Schutzregeln bis zum 2. April behalten.

Die rasante Virus-Ausbreitung beschleunigte sich weiter. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen stieg laut Robert Koch-Institut (RKI) auf den Höchstwert von 1607,1. Die Spanne bei der Sieben-Tage-Inzidenz reicht von 827,5 in Hamburg bis 2300,1 in Mecklenburg-Vorpommern. Über der Schwelle von 2000 liegen auch Bayern, das Saarland und Thüringen. Bundesweit meldeten die Ämter mehr als 260 000 neue Infektionen sowie 269 weitere Todesfälle.

Vor den Beratungen mit Scholz kamen aus den Ländern erneut Rufe nach mehr Eingriffsmöglichkeiten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mahnte: «Die Pandemie ist nachweislich nicht vorbei, und sie wird auch Anfang April nicht vorbei sein. Deshalb brauchen wir auch nach der Übergangszeit noch den bisherigen Instrumentenkasten.» Bei Hotspots sei es praxisfern, durch Landesregierung und Landtag spezifische Maßnahmen für einzelne Landkreise oder kreisfreie Städte festzulegen. In der vom Bund vorgesehen Form handele es sich um eine «Hotspot-Regelungs-Verhinderungsregelung».

Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus verteidigte die Pläne. Die Infektionszahlen seien hoch, Belastungen der Kliniken hätten sich aber weitgehend entkoppelt. Einschränkungen solle es nur noch dort geben, wo sie wirklich notwendig seien. Eine allgemeine Maskenpflicht solle entfallen. «Da setzen wir nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.» SPD und Grüne verwiesen darauf, dass es sich um einen Kompromiss handele. An die Adresse des Koalitionspartners hieß es, auch Nachsteuerungen seien möglich.

Der Sozialverband VdK warnte, ein Aus der Maskenpflicht in Geschäften und öffentlich zugänglichen Räumen erhöhe Ansteckungsgefahren für Menschen mit Behinderung oder Ältere. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, SPD und Grüne knickten vor dem kleinen Koalitionspartner ein.

Der Bundestag befasst sich am Donnerstag in erster Lesung mit Initiativen für eine allgemeine Corona-Impfpflicht. Eine Gruppe um den Grünen-Politiker Janosch Dahmen und SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hat einen Entwurf für eine Pflicht ab 18 Jahren vorgelegt. Daneben gibt es den Entwurf einer Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann für eine Beratungspflicht und dann eine mögliche Impfpflicht ab 50. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki lehnt die Impfpflicht ab. Auch Union und AfD legen Anträge vor. Entscheiden soll der Bundestag ohne sonst übliche Fraktionsvorgaben wohl Anfang April.

Lindner verteidigt Corona-Öffnungsplan: «Schritt Richtung Normalität»

FDP-Chef Christian Lindner hat den trotz steil ansteigender Infektionszahlen geplanten Wegfall der meisten bundesweiten Corona-Auflagen gerechtfertigt. «Es ist ein Schritt in Richtung Normalität, und ich sage, den brauchen wir auch», sagte Lindner in der Nacht zu Donnerstag in der ARD-Sendung «maischberger. die woche». Eine strukturelle Überlastung des Gesundheitssystems sei derzeit nicht zu sehen. In Alten- und Pflegeheimen sowie anderen Einrichtungen mit besonders gefährdeten Menschen solle es wie auch im öffentlichen Nahverkehr weiter Maskenpflichten geben. Wo aber regional das Gesundheitssystem nach einem Massenausbruch des Virus überlastet werden könnte, «da braucht es zusätzliche Maßnahmen».

Ein entsprechender Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) soll am Freitag im Bundestag beschlossen worden. Mehrere SPD- und Grünen-Politiker hatten deutlich gemacht, dass sie sich gewünscht hätten, dass mehr Schutzmaßnahmen deutschlandweit möglich bleiben, dass mit der FDP aber ein Kompromiss nötig gewesen sei.

Seit Tagen steigen die Corona-Inzidenzen stark an, täglich werden derzeit mehr als 200 neue Todesfälle gemeldet. (dpa)


 

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