Corona-Lockerungen auf der politischen Agenda in Berlin

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Nach wochenlang steigenden Corona-Infektionszahlen in Deutschland kommen bundesweite Lockerungen bei Alltagsbeschränkungen konkret auf die Agenda. Die wissenschaftlichen Prognosen zeigten, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in Sicht sei, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag. «Das erlaubt uns, beim Bund-Länder-Treffen nächste Woche einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick zu nehmen.»

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, bei den Beratungen an diesem Mittwoch könnten «maßvolle Lockerungen» besprochen werden, aber keine massiven. Für den Anspruch auf kostenlose PCR-Tests greifen ab Samstag neue Regeln - vorher muss man dafür nun einen positiven Schnelltest von einer Teststelle haben.

Scholz sagte im Bundesrat mit Blick auf mögliche Öffnungen, man werde sich wie bisher von wissenschaftlichen Expertisen leiten lassen. «Denn wir wollen unseren Erfolg jetzt nicht aufs Spiel setzen.» Zu konkreten Ansatzpunkten hielt sich die Regierung vorerst bedeckt. Es gehe nicht darum, alles auf einmal aufzumachen, sondern um ein gestaffeltes Vorgehen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Lauterbach verwies auf nach wie vor steigende Fallzahlen und betonte: «Wir gehen dem Höhepunkt zu, aber eine massive Lockerung würde das Problem nur verlängern oder möglicherweise verschärfen.»

Bund und Länder hatten zuletzt Ende Januar beschlossen, dass weitreichende Beschränkungen wie Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) noch bleiben sollen. Es wurde aber grundsätzlich schon angekündigt, Öffnungsperspektiven für den Moment zu entwickeln, «zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann». Aus den Ländern sind Rufe nach Lockerungen laut geworden - insbesondere nach einem Wegfall der 2G-Regel im Einzelhandel, die allerdings auch schon in vielen Ländern aufgehoben wurde.

Ab diesem Samstag gilt eine neue Testverordnung, wie Lauterbach sagte. Mit dem Prinzip, dass man zunächst einen Schnelltest machen muss, solle sichergestellt werden, dass möglichst wenige PCR-Tests für negative Ergebnisse verwendet werden. Auch bei einer roten Kachel auf der Corona-Warn-App müsse man zuerst einen Schnelltest machen.

Die schon beschlossene erste Impfpflicht für Personal in sensiblen Einrichtungen kann nach grünem Licht des Bundesverfassungsgerichts nun wie geplant Mitte März greifen. Die Richterinnen und Richter lehnten es im Eilverfahren ab, die Vorschriften vorläufig außer Kraft zu setzen. Damit ist noch nicht über mehrere Verfassungsbeschwerden entschieden. (Az. 1 BvR 2649/21). Das Gesetz sieht vor, dass Beschäftigte in Pflegeheimen, Kliniken und weiteren Einrichtungen bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Die CDU hatte mit Verweis auf ungeklärte praktische Fragen ein Aussetzen gefordert, Bayern hatte einen entsprechenden Schritt angekündigt.

Die Vorschläge für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren nehmen unterdessen konkrete Formen an. Sieben Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und FDP legten am Freitag einen Entwurf für ein «Gesetz zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2» vor. Demnach sollen die Krankenkassen zunächst bis 15. Mai alle Erwachsenen persönlich kontaktieren und über Beratungs- und Impfmöglichkeiten informieren. Ab 1. Oktober müssen dann alle Erwachsenen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland Nachweise über drei Impfungen oder als Genesene haben und sie auf Anforderung vorlegen - bei Behörden oder der Krankenkasse.

Bürgerinnen und Bürger, die nicht geimpft werden können, sowie Frauen zu Beginn der Schwangerschaft sollen ausgenommen sein. Das Gesetz soll bis 31. Dezember 2023 befristet sein. Die Bundesregierung soll die Wirksamkeit bis dahin alle drei Monate überprüfen und dem Bundestag darüber berichten. Der Vorschlag stammt von den SPD-Abgeordneten Dirk Wiese, Heike Baehrens und Dagmar Schmidt, den Grünen Janosch Dahmen und Till Steffen sowie Katrin Helling-Plahr und Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Sie erklärten: «Wenn wir warten, bis die nächste Infektionswelle in Sichtweite ist, ist es für vorausschauendes Handeln zu spät.» Dann ließen sich die Bevölkerung und das Gesundheitssystem wieder nur mit einschränkenden Maßnahmen schützen. «Freiheit für alle geht nur mit Solidarität von allen.»

Der Bundestag soll nach Plänen der Ampel-Koalition ohne sonst übliche Fraktionsvorgaben über eine mögliche Regelung entscheiden. Daneben gibt es eine Initiative einer Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki gegen eine allgemeine Impfpflicht. Eine Gruppe um den FDP-Politiker Andrew Ullmann arbeitet an einem Vorschlag für einen «Mittelweg»: Mit Beratungsgesprächen für alle volljährigen Ungeimpften und - wenn nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht ist - einer Pflicht zum Nachweis einer Impfung ab 50 Jahren. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte am Freitag im ZDF: «Wir werden den Zeitplan einhalten, also am Ende dieses ersten Quartals eine Entscheidung treffen.»

Die Union schlug zunächst den Aufbau eines Impfregisters vor. Man setze auf Augenmaß, sagte der gesundheitspolitische Fraktionssprecher Tino Sorge (CDU). Die Pläne für eine Impfpflicht ab 18 oder ab 50 seien Scheinlösungen, die im Bundestag keine Mehrheit finden würden. «Was wir aber jetzt unbedingt brauchen, ist ein Register», sagte der CDU-Abgeordnete und frühere Berliner Justizsenator Thomas Heilmann. In einem Antrag soll die Regierung aufgefordert werden, ein Gesetz dafür zu erarbeiten. Zudem solle es einen «gestuften Impfmechanismus» geben, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage in Kraft setzen könnten. Dieser könnte dann auch eine Impfpflicht vorsehen, aber nur für gefährdete Bevölkerungs- und Berufsgruppen.

Die offiziellen Fallzahlen könnten sich allmählich einem Plateau nähern. Erstmals seit Ende Dezember meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut weniger neue Fälle pro Tag als am gleichen Tag der Vorwoche: nun 240 172 nach 248 838 am Freitag vergangener Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1472,2 nach 1465,4 gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und sieben Tagen am Vortag. Es ist schwer zu sagen, ob die Zahlen das reale Geschehen widerspiegeln oder es Effekte eines überlasteten Melde- und Testsystems gibt. (dpa)


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