DEHOGA-Frühlingsfest in Stuttgart: 3.000 Wirte schlagen Alarm

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Vor mehr als 3.000 Gastronomen und Hoteliers hat der Vorsitzende des DEHOGA Baden-Württemberg, Fritz Engelhardt, vor den Folgen des Dorfgasthaussterbens gewarnt. Um das Frühlingsfest hatte es im Vorfeld Diskussionen gegeben, da der Verband auch einen Vertreter der AfD auf die Bühne ließ.(Tageskarte berichtete)

Bei der Politischen Kundgebung am 6. Mai auf dem DEHOGA-Frühlingsfest in Stuttgart forderte Engelhardt Politiker in Bund und Land zum Handeln auf. Gastredner in Grandls Hofbräuzelt waren die Vorsitzenden der fünf im Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Parteien. (Hier zur Bildergalerie der Veranstaltung)

„Wenn die Entwicklung so weitergeht, verlieren wir einen großen Teil unserer kleinen  Familienunternehmen“, betonte der DEHOGA-Landesvorsitzende. In 11 Prozent der Gemeinden Baden-Württembergs gebe es heute bereits weniger als ein Gasthaus pro 1000 Einwohner. 4 Prozent der Gemeinden hätten gar keine Gastronomie mehr. In einigen ländlich strukturierten Kreisen Baden-Württembergs sei die Zahl der gastgewerblichen Betriebe in den letzten 10 Jahren um mehr als 20 Prozent gesunken.

„Mit jedem Gasthaus, das verschwindet, verlieren wir ein Stück Kultur und Lebensqualität im ländlichen Raum, und wir verlieren Chancen zur touristischen Vermarktung“, betonte der Verbandsvorsitzende. Verschärft werde die Situation durch die Kürzung von Öffnungszeiten bei zahlreichen bestehenden Betrieben, die sich angesichts der Mitarbeiterknappheit und der starren gesetzlichen Vorgaben nicht mehr anders zu helfen wüssten.

Wichtige Gründe für den Rückzug der Gastronomie aus dem ländlichen Raum liegen nach den Worten Engelhardts in zu viel Bürokratie, steigenden Kosten und nachteiligen Rahmenbedingungen: „Allergenkennzeichnung, Arbeitszeitdokumentation, Datenschutz – kein Mensch fragt, wie Kleinbetriebsinhaber das alles noch leisten sollen.“ Hinzu komme die Benachteiligung der Branche bei der Mehrwertsteuer: „Wurstsalat im Plastikbecher zum Mitnehmen gibt’s beim Discounter mit 7 Prozent-Mehrwertsteuer. Essen im Gasthaus besteuert der Staat dagegen mit 19 Prozent.“

Die Folge dieser und weiterer Ungerechtigkeiten seien unbefriedigende Erträge und Investitionsstau in vielen Betrieben. Wenn der Generationenwechsel anstehe, finde sich häufig kein Nachfolger mehr, berichtete Engelhardt.

Um gegenzusteuern, forderte der Verbandsvorsitzende Entlastungen für die Branche. Neben Bürokratie-Abbau und einer fairen Mehrwertsteuer-Regelung für die Gastronomie sei vor allem die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes notwendig. Engelhardt forderte die grün-schwarze Landesregierung auf, hierfür eine Bundesratsinitiative zu starten. Ein guter Vorschlag zur Flexibilisierung des Gesetzes sei von Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut vorgelegt worden.

Gleichzeitig mahnte der Verbandsvorsitzende die Landesregierung zum Handeln: „Wenn wir in Baden-Württemberg abwarten, bis die bundespolitischen Blockaden beim Arbeitszeitgesetz und anderen wichtigen Themen irgendwann gelöst sind, ist es für viele Betriebe zu spät.“

Es gelte deshalb, jetzt alle Hebel in Bewegung zu setzen, die wir hier im Land in der Hand haben. Der DEHOGA plädiert in diesem Zusammenhang unter anderem für gezielte Landeszuschüsse für investitionsbereite Betriebe.

Das sagten die Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien bei der politischen Kundgebung zu den Anliegen des Gastgewerbes:

Sandra Detzer (Bündnis 90/ Die Grünen):

"Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist eine gute Ausbildung ein geeignetes Mittel. Die Duale Ausbildung ist eine Perle, Deutschland braucht nicht nur Akademiker. Wer etwas leisten will, ist willkommen in Deutschland, danke an alle Betriebe, die Geflüchtete beschäftigen, sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration. Um die Flexibilisierung der Arbeitszeiten auszuhandeln ist die Sozialpartnerschaft der richtige Ort."

Thomas Strobl (CDU):

"Das Gastgewerbe braucht Flexibilität, wir stehen zur geringfügigen Beschäftigung und wollen sie weiter ausbauen. Das Abeitszeitgesetz ist 25 Jahre alt, es wird Zeit, es an die moderne Arbeitswelt anzupassen. Unsere Dorfgaststätten sind ein wichtiges Kulturgut. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das ein Investitionsprogramm für die Dorfgastronomie aufgelegt hat. Doch nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Kein Antrag ist bisher abgelehnt worden."

Dirk Spaniel (AfD):

"Wir wollen ein gesamtwirtschaftlich sinnvolles Mehrwertsteuer-Konzept, keine Klientelpolitik. Die vielen Dokumentationspflichten sind das Gegenteil des versprochenen Bürokratieabbaus. Wir haben nichts gegen Menschen, die hier arbeiten und Steuern zahlen, egal wo sie herkommen und welche Hautfarbe sie haben. Wir haben nur etwas gegen illegale Einwanderung."

Andreas Stoch (SPD):

"Dorfgaststätten sind wichtige Treffpunkte und ein Stück Heimat, wir müssen alles tun, um sie zu erhalten. Ich bin dafür, dass das Land die kleinen und mittleren Familienbetriebe unterstützt. Es ist aber auch wichtig, dass die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen stimmen, damit die Mitarbeiter gerne in der Branche arbeiten. Das derzeitige Arbeitszeitgesetz bietet schon die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten."

Michael Theurer (FDP):

"Wir haben uns für den reduzierten Mehrwertsteuersatz eingesetzt, damit die Hotellerie im Wettbewerb in Europa mithalten kann. Und wir brauchen das auch für die Gastronomie. Ebenso wie die Erhöhung der Verdienstgrenze bei 450-Euro-Jobs und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Wir stehen zu den Anliegen des Gastgewerbes und kämpfen weiter dafür."


 

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