Fachkräfte: Bundestag beschließt neues Einwanderungsrecht

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Der Bundestag hat eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und eine Ausweitung der sogenannten Westbalkanregelung beschlossen. In der abschließenden Debatte dazu prallten am Freitag im Bundestag sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration aufeinander. Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten.

Am Mittwoch hatte der Innenausschuss des Bundestages verschiedene Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung von März beschlossen, die auch einige der wesentlichen Kritikpunkte des DEHOGA aufgreifen.

Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit «Nein». In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.

Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs «das modernste Einwanderungsrecht der Welt» bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, «maßgeblich Bürokratie abzubauen», um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.

Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Die Reform sei eine «Mogelpackung», kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein «Bürokratiemonster», sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem Erleichterungen, von denen Ausreisepflichtige mit Qualifikation und Jobangebot profitieren sollen.

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Möglichkeit eines «Spurwechsels» für Ausreisepflichtige diene auch dazu, diese «aus der staatlichen Abhängigkeit herauszulösen».

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, Deutschland orientiere sich bei der Reform an erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland und Australien. «Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen», fügte er hinzu. Sein Parteikollege Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Ampel durch eine Änderung der Beschäftigungsverordnung außerdem das Kontingent für die Westbalkanregelung von 25 000 auf 50 000 Arbeitskräfte pro Jahr verdoppeln werde. Die Regelung erlaubt auch eine Einreise von Arbeitskräften ohne besondere Qualifikation, wenn diese einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte: «Insbesondere das Baugewerbe kann von diesen zusätzlichen Arbeitskräften profitieren.»

Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation, wie etwa Reinigungskräften, nicht gestattet werde, sei aber «eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik», die ihre Fraktion ablehne.

Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein «Heimatland», sagte Norbert Kleinwächter von der AfD. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

Neben Faeser und Abgeordneten der Union verwiesen auch Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf zu hohe bürokratische Hürden. Aus Sicht von BA-Vorständin Vanessa Ahuja geht die Reform in die richtige Richtung. Sie mahnte aber: «Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA.»

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: «Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können.»

Laut DEHOGA Bundesverband wurden in dieser Woche noch verschiedene Änderungen an dem Gesetz vorgenommen, die auch einige der wesentlichen Kritikpunkte des Verbandes aufgreifen würden. Hierzu schreibt der DEHGOA:

„Insbesondere enthält das Gesetz jetzt eine gute Anschlussperspektive für Personen, die mit einer Chancenkarte einreisen. Ein vom DEHOGA geäußerter großer Kritikpunkt am ursprünglichen Entwurf war, dass die Chancenkarte nur einen Suchtitel für maximal 12 Monate ermöglicht. Wenn sich in dieser Zeit Mitarbeiter und Arbeitgeber finden, eine Anerkennung des ausländischen Abschlusses als gleichwertig mit einem deutschen Abschluss aber nicht erfolgen kann, sollte der Drittstaatler, auch wenn er einen Job in Deutschland gefunden hätte, wieder ausreisen müssen. Das wäre ineffizient und für alle Beteiligte frustrierend gewesen. Hier wurde jetzt seitens der Regierung nachgebessert: Die Chancenkarte soll nunmehr um bis zu zwei Jahre als Folge-Chancenkarte verlängert werden können, wenn der Drittstaatler einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsangebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat. Das verschafft Mitarbeitern und Arbeitgebern Luft. Außerdem wird das für die Chancenkarte mindestens erforderliche Sprachniveau von A2 auf A1 herabgesetzt; dies kann auch ersetzt werden durch Englischkenntnisse auf Niveaustufe B2. Bessere Deutschkenntnisse führen zu Punkten im Rahmen des Punktsystems.

Weiter wird die bisherige Ausbildungsduldung in einen regulären Aufenthaltstitel umgewandelt. Damit wird ebenfalls eine Anregung des DEHOGA für eine bessere Integration von Geflüchteten aufgegriffen. Geflüchtete, die während des Asylverfahrens eine Ausbildung aufgenommen haben, dürfen diese fortsetzen, auch wenn der Asylantrag nicht erfolgreich ist. Wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird, kann für zwei weitere Jahre eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Damit kann das Potenzial dieser bereits hier lebenden Menschen für den Arbeitsmarkt genutzt werden; die Planungssicherheit für den Arbeitgeber und Beschäftigte wird verbessert.

In begrenztem Umfang wird für Geflüchtete auch ein sog. „Spurwechsel“ zugelassen: Wer vor dem 29. März 2023 eingereist ist, sich noch im Asylverfahren befindet und gleichzeitig die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel als Fachkraft besitzt, kann das Asylverfahren freiwillig beenden und stattdessen eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen, ohne zuvor auszureisen und ein Visumverfahren zu durchlaufen.

Eine weitere Ankündigung, die auf eine Forderung des DEHOGA zurückgeht, ist eine erweiterte Nutzung der Westbalkan-Regelung. Gegen die Stimmen der Opposition beschloss der Innenausschuss eine Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die sogenannte Westbalkan-Regelung „zu einem Teil des Instrumentenkastens für Migrationsabkommen zu machen“. Wenn mit einem Staat ein Migrationsabkommen mit der analogen Anwendung der Westbalkan-Regelung geschlossen wird, soll das darin verhandelte Kontingent nicht auf das bestehende Kontingent der Westbalkan-Staaten angerechnet werden.

Schließlich soll das vorgeschriebene Mindestgehalt für die sog. Blaue Karte EU für Hochschulabsolventen auf 43.800 € deutlich gesenkt werden.“  (mit dpa)


 

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