Neue Bundesregierung im Amt - Olaf Scholz ist neuer Kanzler

| Politik Politik

Deutschlands erste rot-grün-gelbe Bundesregierung ist im Amt und kann mit ihrer geplanten Erneuerung des Landes loslegen. Der Bundestag wählte am Mittwoch in Berlin den Sozialdemokraten Olaf Scholz zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er und seine 16 Ministerinnen und Minister erhielten anschließend von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunden. Dieser rief die neue Regierung dazu auf, bei ihrer Reformpolitik alle Menschen mitzunehmen. Mit dem Antritt der Ampel-Koalition ist die Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren beendet.

Auf Scholz entfielen in der geheimen Wahl im Bundestag 395 von 707 abgegebenen Stimmen. Es gab 303 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen, 3 Stimmen waren ungültig. Dem Sozialdemokraten fehlten damit mindestens 15 Stimmen aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP. Zur Wahl waren 369 Stimmen nötig. Die Ampel-Parteien verfügen im Parlament über 416 Mandate - 47 mehr als die sogenannte Kanzlermehrheit. Sechs Abgeordnete der drei Fraktionen nahmen nach deren Angaben nicht an der Abstimmung teil, etwa weil sie krank waren.

Scholz ist erst der vierte SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik - nach Willy Brandt (1969-1974), Helmut Schmidt (1974-1982) und Gerhard Schröder (1998-2005). Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie zuletzt Kanzlerin Merkel.

Als Erster überreichte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem neuen Kanzler einen Blumenstrauß, dann Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Auch der unterlegene Unionskanzlerkandidat Armin Laschet gratulierte.

Scholz sprach im Bundestag die im Grundgesetz festgelegte Eidesformel: «Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.» Der SPD-Politiker - und später sieben seiner Ministerinnen und Minister - verzichtete auf den Zusatz «So wahr mir Gott helfe».

Steinmeier sagte bei der Überreichung der Ernennungsurkunden, die neue Regierung habe sich «viel Fortschritt, viel Reform und viel Veränderung vorgenommen». Veränderung treffe die Erwartungen und wecke die Hoffnungen der einen. Bei anderen aber schüre sie auch Unsicherheit und Zweifel. «Die Mehrheit hat Ihnen ein Mandat für mutige Schritte des Wandels gegeben. Aber: Wer mutig vorangeht, wird Sorge dafür tragen, dass die weniger Starken Schritt halten können, dass die Menschen, für die Veränderung Verlust bedeutet, auch Neues gewinnen können.»

Der Bundespräsident erinnerte die Ampel-Koalition auch an ihre außenpolitische Verantwortung. Deutschland sei keine abgelegene Insel, sagte er. «Die Welt schaut auf unser Land. Die Erwartungen an Deutschland sind groß. Unsere Verlässlichkeit und unser Einstehen für Regeln und Zusammenarbeit, für die liberale Demokratie und für das vereinte Europa, für den Frieden und unsere Sicherheit im Bündnis, all das wird Ihnen viel Zeit und Mühe abverlangen.»

Am Nachmittag wollte Scholz im Kanzleramt von Merkel die Amtsgeschäfte übernehmen. Das neue Kabinett wollte sich am Abend zu seiner ersten Sitzung treffen. Merkel verfolgte die Kanzlerwahl auf der Gästetribüne des Bundestags. Als sie bei der Eröffnung der Sitzung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) begrüßt wurde, standen die Abgeordneten - mit Ausnahme der AfD-Parlamentarier - auf und klatschten stehend Beifall.

Der Kanzlerwahl wohnten auch ehemals führende Politiker wie Altbundespräsident Joachim Gauck und der letzte SPD-Kanzler Schröder bei. «Olaf Scholz wird das sehr, sehr gut machen», sagte Schröder dem Fernsehsender «Welt». «Ich traue ihm eine Menge zu und deswegen bin ich guten Mutes.» Ratschläge wollte Schröder der Regierung nicht mit auf den Weg geben. «Mein Rat ist, dass sie ihre Arbeit tun», sagte er am Rande der Vereidigung von Scholz.

SPD, Grüne und FDP haben ihren 177 Seiten starker Koalitionsvertrag unter das Leitmotiv «Mehr Fortschritt wagen» gestellt. Sie wollen unter anderem die Mietpreisbremse für Neuvermietungen verlängern und auf angespannten Wohnungsmärkten Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen begrenzen. Stromkunden sollen durch den Wegfall der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms Anfang 2023 entlastet werden. Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen. Die Ampel will den öffentlichen Nahverkehr stärken und den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen.

Zum Schutz der Bundeswehr-Soldaten bei Auslandseinsätzen wollen die Ampel-Parteien eine Bewaffnung von Drohnen ermöglichen. Es wird ein neues Bundesbauministerium geben, dem Wirtschaftsministerium wird der Klimaschutz zugeschlagen. Im kommenden Jahr will die Ampel-Koalition wegen der andauernden Pandemie nochmals neue Kredite aufnehmen, ab 2023 dann aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder einhalten. Neue Steuern oder Steuererhöhungen soll es nicht geben. Kommunen mit hohen Altschulden sollen entlastet werden.

In der neuen Regierung stellt die SPD sieben Ministerinnen und Minister: Wolfgang Schmidt (Kanzleramtschef), Karl Lauterbach (Gesundheit), Hubertus Heil (Arbeit und Soziales), Nancy Faeser (Innen), Christine Lambrecht (Verteidigung), Klara Geywitz (Bau) und Svenja Schulze (Entwicklung). Für die Grünen sind im Kabinett: Annalena Baerbock (Außen), Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz), Anne Spiegel (Familie), Steffi Lemke (Umwelt) und Cem Özdemir (Agrar). Habeck ist auch Vizekanzler. Die Kabinettsmitglieder der FDP sind: Christian Lindner (Finanzen), Volker Wissing (Verkehr), Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung). (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.