Özdemir will mehr gesunde Mahlzeiten in Kantinen und Mensen

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Zum Mittagstisch mehr Regionales und öfter auch mal Bio: Bundesernährungsminister Cem Özdemir strebt gesündere Mahlzeiten in Betrieben, Kitas, Schulen und Krankenhäusern an. Er wolle den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollen, sagte der Grünen-Politiker nach einem Kabinettsbeschluss zu Eckpunkten für eine Ernährungsstrategie der Regierung am Mittwoch in Berlin.

«Ich möchte dafür sorgen, dass es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft.» Auch die Gemeinschaftsverpflegung in Mensen und Kantinen solle deswegen als ein Hebel dafür genutzt werden.

Die Ernährungsstrategie soll bis Ende 2023 beschlossen werden. Dazu gehört, Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bis 2030 zum Standard in der Gemeinschaftsverpflegung zu machen. So sollen mehr saisonale, regionale und ökologisch erzeugte Lebensmittel verwendet werden. «Wer die Erfahrung macht, wie gut Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchte schmecken, greift vielleicht seltener zum beliebtesten Kantinengericht der Deutschen, der Currywurst mit Pommes», sagte Özdemir. Das schone die eigene Gesundheit, die Umwelt und das Klima.

Weiteres erklärtes Ziel ist eine insgesamt stärker pflanzenbasierte Ernährung mit weniger Fleisch. In Rezepturen von Fertigprodukten sollen Zucker, Fette und Salz weiter reduziert werden. Weniger Lebensmittel sollen im Abfall landen. Selbstverpflichtungen der Branche auf freiwilliger Basis dazu hatte schon die vorherige Regierung angestoßen. Als Ziel im Koalitionsvertrag werden außerdem auch Werbebeschränkungen für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz genannt, die an Kinder unter 14 Jahren vermarktet werden.

Özdemir wies darauf hin, dass gut zwei Drittel der Männer, die Hälfte der Frauen und fast jedes sechste Kind hierzulande übergewichtig seien. Er wandte sich gegen Einwände, dass eine ausgewogene Ernährung automatisch mit hohen Preisen verbunden sei. «Es stimmt schon, wenn man Erdbeeren im Winter möchte, dann wird es teurer.» Wenn man sich aber saisonal orientiere, könne es sogar günstiger werden.

Für die mitregierende FDP sagte Fraktionsvize Carina Konrad mit Blick auf eine bessere Schul- und Kitaverpflegung: «Hohe Qualität darf nicht mit Bio-Quoten verwechselt werden. Derartige Vorgaben machen die Mahlzeiten nur teuer, aber keineswegs auch qualitativ besser.» Die Träger der Einrichtungen müssten das Augenmerk vielmehr darauf legen können, dass möglichst alle Kinder mit einem gesunden Angebot erreicht werden. Das gelinge auch über den Preis.

DEHOGA: Öko-Quote hilft definitiv nicht

„Eine Öko-Quote hilft definitiv nicht, die mit der Ernährungsstrategie verfolgten Zielen zu erreichen. Wer eine Bio-Quote in staatlichen Kantinen fordert, muss auch sagen, wer die dafür anfallenden Mehrkosten bezahlt. Der Staat? Den sehe ich stattdessen bei der Sicherstellung gesunder und bezahlbarer Ernährung in Kitas und Schulen gefragt“, kommentiert DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges die Pläne. „Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Mehrzahl der Verbraucher wie der Gäste in der Kantine nicht bereit ist, für Bio mehr zu bezahlen. Das gilt erst recht aktuell! Der Anteil der Umsätze mit Bio-Produkten im Außer-Haus-Markt liegt bei deutlich unter 2 %. Für die Betriebe ist die Bio-Zertifizierung mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden.  Regionale und saisonale Produkte sind nachhaltiger und liegen voll im Trend, mit ihnen gelingt es, das Angebot vegetarischer wie veganer Gerichte erfolgreich zu gestalten. Gegenüber manch Bio-Produkten haben sie den Vorteil kurzer Transportwege und stärken regionale Wirtschaftskreisläufe.“

Fodwatch: Leere Worte statt wirksame Maßnahmen

Kritik kam auch von der Organisation Foodwatch: „Die Ernährungsstrategie von Cem Özdemir greift viel zu kurz: Statt mit wirksamen Maßnahmen Fehlernährung insbesondere bei Kindern entgegenzuwirken, enthält seine Strategie viele leere Worte und wenig Neues. Dass Cem Özdemir für die Gemeinschaftsverpflegung die Qualitätsstandards der DGE verpflichtend machen will, ist ein PR-Gag. Für die Abstimmung mit den Bundesländern will er sich bis 2030 Zeit lassen. Bis dahin stirbt dieser Plan im deutschen Föderalismus einen langsamen Tod", so Chris Methmann. 

Konkrete Maßnahmen, die Gesundheitsorganisationen und Verbraucherverbände seit Jahren fordern, könne Ernährungsminister Özdemir demnach schon jetzt umsetzen: Zum Beispiel müsse die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gestrichen werden. Im Gegenzug sollten Hersteller von überzuckerten Getränken eine Abgabe zahlen. 

Einen Fortschritt enthält die Strategie laut Foodwatch jedoch: Es sei gut, dass Minister Özdemir Werbung für Ungesundes an Kinder beschränken wolle – aber nur, wenn diese Regelung auch Zähne habe: In Radio, TV und Streamingdiensten sollten zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich nur noch gesunde Lebensmittel beworben werden. 

(Mit Material der dpa)


 

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