Politik streitet über höhere Mehrwertsteuer für bessere Tierhaltung

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Angesichts von Billigpreisen für Fleisch in vielen Supermärkten ist Streit über mögliche höhere Steuern entbrannt. Nach Tierschützern zeigten sich mehrere Agrarpolitiker offen dafür. Der Grünen-Experte Friedrich Ostendorff sagte der «Welt» (Mittwoch): «Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen.» Spitzenvertreter von Union, SPD und Grünen wiesen solche Überlegungen umgehend zurück.

Auch Bauern und Verbraucherschützer lehnten eine höhere Besteuerung ab. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte aber die Diskussion darüber, dass mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif zu haben sei.

Bisher gilt für Fleisch wie die meisten anderen Lebensmittel der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent. Eine höhere Besteuerung hatte der Tierschutzbund wieder ins Gespräch gebracht.

«Parallel zur CO2-Steuer brauchen wir auch eine Fleischsteuer», sagte Präsident Thomas Schröder kürzlich der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Der CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann sagte der «Welt», eine Steuer könne «ein konstruktiver Vorschlag» sein. «Dafür müssten diese Mehreinnahmen aber zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden, um die Tierhalter in Deutschland beim Umbau zu unterstützen.» SPD-Experte Rainer Spiering sagte: «Eine Fleischsteuer, der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, wäre ein möglicher Weg, der sich allerdings hauptsächlich auf die Konsumenten bezieht.» Auch Einzelhandel und Fleischbranche müssten aber Beiträge zu einer nachhaltigen Nutztierhaltung leisten.

In der Koalition und auch bei den Grünen gab es umgehend Widerspruch zu den Äußerungen der Fachpolitiker. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag): «Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch hilft nicht dem Tierwohl, sondern macht Fleisch einfach nur generell teurer.» Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg (CDU) sagte der dpa, eine Erhöhung sei mit ihm nicht zu machen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sagte der «Thüringer Allgemeinen» (Donnerstag): «Wir wollen keine Erhöhung der Mehrwertsteuer und schon gar nicht für Lebensmittel.» Grünen-Chef Robert Habeck sagte der «Süddeutschen Zeitung», eine «isolierte Betrachtung von Einzelsteuersätzen» sei nicht sinnvoll.

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. Das Umweltministerium erklärte, es gebe effektivere Mittel als das Mehrwertsteuerrecht, um das zentrale Problem hoher Tierbestände anzugehen - etwa strengere Düngeregeln und die EU-Agrarfinanzierung. Laut Finanzministerium sind Steuereinnahmen generell nicht zweckgebunden. Klöckner begrüßte eine Sensibilität dafür, dass mehr Tierwohl auch mehr Geld koste. Dieses müsse «nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen». Sie verwies etwa auf das geplante staatliche Tierwohlkennzeichen für Fleisch aus besserer Haltung, das auch höhere Preise mit sich bringen soll.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, forderte zügige Schritte zum staatlichen Tierwohl-Logo. «Bei einer Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch würden Verbraucher draufzahlen, ohne dass etwas für das Tierwohl gewonnen wäre.» Die Organisation Foodwatch erklärte, sinnvoll für gesündere Ernährung wäre ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse. Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte dagegen, mit der Subvention von Fleisch- und Milchprodukten durch den ermäßigten Steuersatz müsse Schluss sein.

Der Bauernverband lehnte eine Fleischsteuer ab. «Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung», sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Die FDP-Agrarpolitikerin Nicole Bauer sagte: «Statt einer Steuer wäre es sinnvoll, Lebensmittel anständig zu bezahlen, denn dann kommt das Geld bei den Landwirten an.» Linke-Chefin Katja Kipping sprach von einer «Schaufensterdebatte, die sich an der Oberfläche verheddert, anstatt die Wurzeln des Problems in Angriff zu nehmen». AfD-Fraktionsvize Tino Chrupalla warnte, vielen Menschen würde durch eine Preiserhöhung für den Sonntagsbraten oder die Grillwurst ein Stück Lebensqualität verloren gehen.

Die Fleischproduktion in deutschen Schlachtbetrieben ging im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zurück. Die Fleischmenge inklusive Geflügelfleisch sank um 2,6 Prozent auf 3,9 Millionen Tonnen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Demnach wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 29,4 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde geschlachtet.


 

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