Quarantäne im Urlaub und die Folgen - Bundesrichter verhandeln

| Politik Politik

Pech gehabt? Diese Frage stellen sich seit Beginn der Pandemie immer wieder Arbeitnehmer, wenn sie während ihres Urlaubs in Corona-Quarantäne oder -isolation müssen, ohne Symptome und damit ohne Krankenschein. Doch sind die Urlaubstage damit verloren, oder müssen sie vom Arbeitgeber gutgeschrieben werden? Die strittige Frage ist nun beim höchsten deutschen Arbeitsgericht in Erfurt gelandet. Am Dienstag (10.00 Uhr) wird ein Fall aus Nordrhein-Westfalen verhandelt. Ob er auch entschieden wird, ist allerdings offen.

Die Ausgangslage

Es gibt bisher keine gesetzliche Regelung für den Fall, dass Arbeitnehmer während ihres Urlaubs als Kontaktperson eines Corona-Infizierten in häusliche Quarantäne müssen oder in Isolation, weil sie positiv getestet, aber ohne Krankheitssymptome sind. Das Bundesurlaubsgesetz regelt nur, was passiert, wenn jemand im Urlaub krankgeschrieben wird: «Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet», heißt es in Paragraf 9. Urlaub wird also für diese Tage gutgeschrieben - er kann später nachgeholt werden.

Worum es geht

Ob Corona-Quarantäne oder -isolation ohne Symptome trotzdem wie eine Krankschreibung zu behandeln ist, darüber streiten Arbeitsrechtler in Deutschland. Es gebe sehr unterschiedliche, teils entgegengesetzte Gerichtsurteile dazu, sagen Fachleute. Teilweise sogar im gleichen Bundesland. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise seien Gerichte in Köln und Hamm zu unterschiedlichen Entscheidungen gekommen.

Der Fall

Geklagt hat ein Schlosser aus der Region Hamm. Er hatte im Oktober 2020 acht Tage Urlaub. Weil er Kontakt mit einem Covid-19-Infizierten hatte, ordneten die kommunalen Behörden für ihn häusliche Quarantäne an. Der Mann informierte seinen Arbeitgeber darüber und forderte ihn ohne Erfolg auf, ihm die in Quarantäne verbrachten acht Urlaubstage gutzuschreiben. Eine Corona-Infektion hatte er nicht und damit auch keine ärztliche Krankschreibung. Er pocht darauf, seinen Urlaub nachzuholen - schließlich habe die Quarantäne seiner Erholung im Wege gestanden - so wie es bei einer Krankheit auch der Fall gewesen wäre. Kurzum, er konnte seinen Urlaub nicht genießen. Für seinen Arbeitgeber kam die Anwendung des Passus im Bundesurlaubsgesetz jedoch nicht infrage.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht wies die Klage des Mannes ab. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr statt. In seinem Urteil heißt es: «Die Anordnung einer Quarantäne steht einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet.»

Entscheidung offen

Die Urlaubsregelung bei Quarantäne ohne Krankenschein beschäftigt immer wieder die Arbeitsgerichte in Deutschland. Eines von ihnen hat nach Angaben von Fachleuten bereits den Europäischen Gerichtshof (EuGH) dazu angerufen, auch das Landesarbeitsgericht Hamm, das dem Mann eine Urlaubsgutschrift zubilligte, nutzte europarechtliche Argumente. Offen ist, ob das Bundesarbeitsgericht trotzdem direkt entscheidet oder vor seinem Urteil den EuGH einschaltet.

Was derzeit gilt

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind Quarantäne und Isolation derzeit nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern in den Corona-Verordnungen der Länder. In der Regel werde auf die Isolation von nachweislich Infizierten gesetzt, derzeit weniger auf Quarantäne. Laut RKI gab es in der vergangenen Woche im Schnitt täglich rund 50 000 registrierte Corona-Neuinfektionen. Im August seien knapp zehn Prozent der positiv auf Covid-19 Getesteten symptomfrei geblieben. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Meldeschein soll künftig nicht mehr von Gästen mit deutscher Staatsangehörigkeit ausgefüllt und unterschrieben werden. Der Deutsche Tourismusverband und der Deutsche Heilbäderverband fordern jedoch eine angemessene Übergangsfrist.

Die Bundesregierung hat einen Vorschlag der Ampel-Fraktionen aufgegriffen, der den bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber etwas reduzieren soll. So sollen etwa Arbeitsverträge künftig vollständig digital abgeschlossen werden können.

Nach dem Beschluss des Rates der Stadt Hildesheim zur Einführung einer Bettensteuer ab 2025 zeigt sich die Hildesheimer Hotellerie tief enttäuscht: Hier werde eine einzelne Branche zum Stopfen von Haushaltslöchern herangezogen, so der Dehoga.

Berlin (dpa) - Zuckerhaltige Limonaden sollen nach dem Willen mehrerer Bundesländer teurer werden. 9 von 16 Bundesländern setzen sich für eine sogenannte Softdrink-Steuer ein, wie «Bild» unter Berufung auf eine Protokollerklärung zur Verbraucherschutzministerkonferenz berichtet.

Nach Willen der EU-Länder soll in der EU weniger Essen weggeworfen werden. Bis 2030 sollen Lebensmittelabfälle, die im Einzelhandel und beim Verbrauch - etwa zuhause oder in Restaurants - entstehen, um 30 Prozent pro Kopf reduziert werden.

Die Firmen in Sachsen-Anhalt suchen dringend nach Fachkräften und Auszubildenden. Weil viele Stellen nicht besetzt werden können, sucht das Land jetzt im Ausland. Vor allem Vietnam ist im Fokus.

Die Länder-Wirtschaftsminister wenden sich gegen Kürzungen bei der Deutschen Tourismus-Zentrale. Alle Länder seien bei der Wirtschaftsministerkonferenz dem Antrag von MV und anderen beigetreten.

Die erste Tarifrunde für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern blieb ohne Ergebnis. Die Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaft liegen noch weit auseinander.

Während der Fußball-EM dürfen Berliner Restaurants, Kneipen und Biergärten, die Spiele übertragen, ihre Außenbereiche bis zum Spielende öffnen. Eine entsprechende Verordnung erließ Umweltsenatorin Ute Bonde.

MV-Tourismusminister Meyer sorgt sich um die Auslandswerbung der Deutschen Zentrale für Tourismus. Die Bundesmittel sollen gekürzt werden, sagt er. Dagegen macht er jetzt mobil.