Auch wenn heute jedes durchschnittliche Wohnzimmer stärker digitalisiert ist als das Standard-Hotelzimmer, sagt Moritz von Petersdorff-Campen (SuitePad), dass Hotels durchaus innovationsfreundlich sind. Der SuitePad-Gründer spricht im Tageskarte-Interview über das Hotelzimmer der Zukunft und darüber, wie sich Hotels auf die digitale Revolution vorbereiten sollten, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Tageskarte: Herr von Petersdorff-Campen, mit SuitePad waren Sie der erste Anbieter von digitalen Gästemappen in Deutschland. Als Sie angefangen haben, waren fast alle Hotelzimmer noch komplett analog. War es damals eigentlich sehr anstrengend, der Hotellerie Digitalisierung zu predigen?
Moritz von Petersdorff-Campen: Ich glaube mit jeder Innovation gibt es am Markt Early Adopters, die sehr schnell auf solch ein Thema anspringen. Wir hatten großes Glück, dass wir mit SuitePad auch in der Hotellerie einige finden konnten, die sofort von unserem Produkt überzeugt und sogar begeistert waren. Denn auch diese Branche hat richtig mutige innovative Querdenker und Vorantreiber. Und so konnten wir relativ schnell auch die ersten Kunden gewinnen.
Wenn man dann versucht, das Produkt im breiten Markt zu etablieren, stößt man natürlich auch auf Hoteliers, die weniger digitalisierungsgetrieben sind. Und da haben wir uns tatsächlich gerade am Anfang bei dem einen oder anderen doch sehr stark die Zähne ausgebissen, sie davon zu überzeugen, dass sie die Digitalisierung zu ihrem Vorteil nutzen können. Das war und ist heute teilweise immer noch eine sehr große Herausforderung.
Tageskarte: Fest steht aber auch, dass heute immer noch jedes durchschnittliche Wohnzimmer stärker digitalisiert ist als das Standard-Hotelzimmer. Sind Gäste in Herbergen auf der Suche nach Digital Detox, oder sind viele Hoteliers noch nicht so richtig technologiefreundlich?
Moritz von Petersdorff-Campen: Früher war es so, dass Hotelgäste in ihrem Hotelzimmer Zugriff auf Technologien bekommen haben, die sie zuhause in ihrem Wohnzimmer nicht hatten. Denken Sie beispielsweise an das Smart-TV oder das Pay-TV. Mittlerweile haben Sie allerdings Recht, dass sich der Spieß umgedreht hat. Das eigene Wohnzimmer ist oft viel stärker digitalisiert als das typische Hotelzimmer. Das ist eine Entwicklung, die man über die letzten Jahre erkennen kann und die sicherlich vor allem mit der Innovationsgeschwindigkeit insbesondere der großen Unternehmen wie Amazon, Google und Apple zu tun hat. Und da scheint die Hotellerie noch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit mithalten zu können.
Warum ist das so? Erstens, weil diese technologischen Innovationen auch immer erst auf den Use Case Hotellerie angepasst werden müssen. Nehmen Sie z. B. Alexa. Die kann ich nicht einfach so in mein Hotelzimmer stellen, weil ich dann eben den hohen Datenschutzanforderungen nicht gerecht werde. Zweitens ist es am Ende des Tages ein Thema, was sehr stark vom Gast getrieben sein wird. Sprich, wenn der Gast einen bestimmten Service, ein bestimmtes Produkt, oder ein bestimmtes digitales Tool tagtäglich zuhause nutzt, dann kommt diese Erwartungshaltung auch mehr und mehr in die Hotellerie. Und die muss dann überlegen, ob es sich lohnt nachzuziehen und auch nachzurüsten. Denn die Einführung neuer Technologien ist vor allem auch immer eine Investitionsfrage.
Ich denke grundsätzlich, dass der durchschnittliche Hotelier ähnlich technikaffin wie der durchschnittliche Hotelgast ist. Ich würde der Branche also definitiv nicht pauschal bescheinigen, dass es von “Technologiemuffeln” wimmelt.
Und zum Thema Digital Detox: Ja, es wird diese Hotels geben, die bewusst auf jeglichen technischen Schnickschnack verzichten, wo ich vielleicht sogar Störsender habe, so dass ich keinen Handyempfang mehr im Hotel habe. Und für solche Hotels werden sich auch bewusst Gäste entscheiden. Das sind aber absolute Ausnahmen, vielleicht ein oder zwei Prozent des Hotelmarktes. In den allermeisten Hotels werden wir den Trend zu Digital Detox nicht erleben.
Tageskarte: Vielleicht sehen viele Hoteliers einfach auch keine Notwendigkeit, Zimmer zu digitalisieren. Es soll ja auch Gäste geben, die einfach nur Bett, Dusche und Frühstück wollen.
Moritz von Petersdorff-Campen: Absolut. Es gibt Hoteliers, die werden ihre Zimmer nicht groß digitalisieren und das ist auch vernünftig. Als Pensionsbetrieb zum Beispiel ohne große Zusatzservices und einem Zimmerpreis von 30-50 Euro pro Nacht ist es natürlich auch wieder eine Frage des Investments. Und da kann ich auch jeden Betrieb verstehen, der sagt: „Naja, ich werde jetzt nicht der Vorreiter in Sachen Digitalisierung sein.“
Man darf dabei aber natürlich auch nicht vergessen, dass vor 10 bis 15 Jahren viele Hoteliers auch nicht die Möglichkeit oder nicht die Notwendigkeit gesehen haben, sich mit Online-Distributionskanälen wie booking.com auseinanderzusetzen. Auch in diesem Bereich hat mittlerweile bereits eine starke technologische Veränderung des Gastverhaltens stattgefunden, ebenso wie nach dem Aufenthalt durch Feedbackplattformen wie TripAdvisor.
Ich glaube, die Hotellerie darf daher einen Fehler nicht machen. Und das ist die Phase der Customer Journey, die noch wenig digitalisiert ist – nämlich die während des Aufenthalts – auf die leichte Schulter zu nehmen. Weil in dem Moment, wo ich das als Hotel tue und mich damit nicht auseinandersetze laufe ich einfach Gefahr, dass mir Ähnliches passiert wie in der Phase vor und nach dem Aufenthalt, nämlich dass ich die Gastkommunikation aus den eigenen Händen gebe. Und das rächt sich natürlich umso mehr, da viele Betriebe margenschwächer sind als noch vor einigen Jahren.
Tageskarte: Fakt ist, dass in neunzig Prozent der Hotelzimmer die letzte große Innovation die Einführung der Minibar war. Das Potenzial für SuitePad müsste also eigentlich riesig sein.
Moritz von Petersdorff-Campen: (lacht) Ja, das ist richtig. Kann ich genau so unterstreichen!
Tageskarte: Auf der anderen Seite gibt es ja mittlerweile bei der Gastinformation und der Digitalisierung der Hotelzimmer jede Menge Wettbewerber. Kannibalisieren sich die Konkurrenten mittlerweile gegenseitig oder ist der Kuchen noch groß genug?
Moritz von Petersdorff-Campen: Grundsätzlich ist ein gesunder Wettbewerb ja keine schlechte Sache. Und wenn man wie wir als Innovator in einer Branche erfolgreich ist, dann ist auch klar, dass früher oder spätere andere Copy Cats dazustoßen. Es gibt im englischen diesen schönen Spruch “Imitation is the sincerest form of flattery”. Wichtig ist, dass man sich nie mit dem Erreichten zufrieden gibt und vor allem auch auf das Feedback und die Wünsche der Kunden hört. Der Markt jedenfalls, der Markt ist sehr, sehr groß und ich bin positiv optimistisch, dass wir uns auch langfristig einen großen Teil des angesprochenen Kuchens sichern können. Hungrig darauf sind wir allemal. (lacht)
Tageskarte: Das gilt ja vor allem für den deutschsprachigen Markt. Warum tun sich die deutschen Anbieter so schwer, ins europäische Ausland oder noch weiter international zu expandieren?
Moritz von Petersdorff-Campen: Wir tun uns tatsächlich gar nicht so schwer. Zum Beispiel gibt es mittlerweile in mehr als dreißig Ländern SuitePad-Installationen. Wir haben Vertriebsteams in sechs europäischen Ländern und als großen, wichtigen Markt für uns auch den Mittleren Osten gewinnen können, mit tollen Referenzkunden wie z. B. den Jumeirah Hotels und Caesars Entertainment. Und auch in Asien arbeiten wir bereits mit den ersten Hotelgruppen zusammen.
Es ist natürlich unternehmerisch eine Herausforderung, die Firma so zu strukturieren, dass sie auch international erfolgreich sein kann. Da spielen viele Faktoren mit hinein. Wir haben jetzt seit zwei Jahren aktiv einen Fokus darauf und sehen bereits Erfolge und signifikante Umsätze im europäischen Ausland, aber auch darüber hinaus.
Tageskarte: Viele der Konkurrenten setzen mittlerweile nicht mehr nur auf die Tablets in den Zimmern, sondern bringen die Gästemappen auf die Smartphones der Gäste, meist als Bring-your-own-device (BYOD) Lösung ohne App. Haben Sie Zahlen dazu, welcher Weg stärker genutzt wird?
Moritz von Petersdorff-Campen: Also es ist ja so, dass wir mit SuitePad kein reiner In-Room-Tablet-Anbieter sind. Wir bieten neben den In-Room-Tablets auch ein Produkt für die Lobby an und wir ersetzen den Hotelfernseher sowie das Hoteltelefon. Und wir haben auch eine BYOD-Lösung für die gasteigenen Geräte im Portfolio, auch ohne App.
Daher können wir auch Nutzungsstatistiken von unseren Kunden vergleichen. Und ich muss ganz offen gesprochen sagen, dass solch eine BYOD-Lösung bei weitem nicht so oft und erfolgreich genutzt wird wie das In-Room-Tablet. In reinen Zahlen ausgedrückt wird das In-Room-Tablet im Schnitt zwanzig Mal häufiger verwendet als die BYOD-Lösung. Und dieser Faktor von 1:20 bezieht sich übrigens nur auf Installationen, wo wir die BYOD-Lösung mit unseren normalen SuitePad-Tablets verglichen haben. In dem Moment, wo wir z. B. noch die Hotelfernbedienung im Tablet integriert haben, liegt der Faktor sogar bei bis zu 1:50.
Warum sind die nackten Zahlen auf dem Papier so schlecht für BYOD? Der beste Weg, die BYOD-Lösung zu kommunizieren, ist auf der WLAN-Startseite. Denn ins WLAN loggt sich fast jeder Gast ein. Nur dann klickt der Gast mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit von ungefähr neunzig Prozent das BYOD-Angebot weg. Das liegt daran, dass er eben in dem Moment nicht die Hotelinformation sehen möchte, sondern weil er zu Facebook will, seine E-Mails checken, oder irgendetwas anderes online machen möchte. Und mit der BYOD-Lösung kann der Gast beispielsweise auch nicht seinen Fernseher steuern.
Zusammengefasst sind das alles schon starke Argumente für die In-Room-Tablets und das ist für uns auch der Grund – obwohl wir ein sehr breites Produktportfolio haben – dass unser Kernprodukt nach wie vor das In-Room-Tablet ist.
Tageskarte: Jetzt haben Sie schon die Hotelfernbedienung angesprochen. Inzwischen nehmen mehrere Anbieter ja auch immer mehr zusätzliche Services in die Gästemappen mit auf: Telefon, TV-Fernsteuerung und vieles mehr. Ist das ein Vorgeschmack darauf, wie das smarte Hotelzimmer zukünftig gesteuert wird?
Moritz von Petersdorff-Campen: Ich denke, das geht sehr stark in die richtige Richtung. Wenn ich mir stellvertretend unser Produkt anschaue, dann ersetzt das Tablet die Hotelfernbedienung, das Hoteltelefon bzw. die gesamte Telefonanlage, die Gästemappe, den Feedbackbogen, die Spa-Broschüre, die Room-Service-Information, die Hotelzeitungen, die Bibel und vieles vieles mehr. Ich glaube also im ersten Schritt, dass die Dinge, die sich heutzutage im Hotelzimmer befinden, zentral auf einem Gerät zusammengeführt gehören. Das wäre der Status Quo.
Perspektivisch werden aber genau an der Stelle sowohl weitere Hard- als auch Software-Innovationen folgen, um zusätzliche Services und Angebote zum Vorteil des Gasts und des Hoteliers mit aufzunehmen zu können. Das Thema Integrationen und Integrationsfähigkeit wird hier eine bedeutende Rolle spielen. Wir stehen da gerade am Anfang eines sehr großen und interessanten Ecosystems, was über die nächsten Jahre noch deutlich weiter ausgebaut werden wird.
Tageskarte: In China hat eine Alibaba-Tochter gerade das Flyzoo Hotel eröffnet. Das Hotel ist eine Mischung aus Marketinggag und Versuchslabor. Hier ist alles digital, von der Gesichtserkennung bis hin zur Zimmeröffnung. Das gesamte Zimmer ist sprachgesteuert, digitale Gästemappen gibt es nicht. Sind die Chinesen einen Schritt weiter, oder sind sie hintendran?
Moritz von Petersdorff-Campen: Man muss sich immer fragen, was seine Zielgruppe ist und was man erreichen will. Das Wort Marketinggag trifft es für das Flyzoo Hotel wohl ganz gut.
Gleichzeitig ist ein Thema wie Sprachsteuerung sicherlich auch eine Sache, die schon im Konsumentenbereich mit Einzug gehalten hat und die wir wahrscheinlich in naher Zukunft auch in der Hotellerie mehr und mehr sehen werden. Auch wenn eine neue SiteMinder-Studie gegenteilig schreibt, dass sich aktuell nur 8,63% der deutschen Hotelgäste über die Anwendung von Voice-Technologien und digitalen Sprachassistenten im Hotelzimmer freuen würden.
Ich glaube auch nicht, dass eine reine Sprachsteuerungslösung für das Hotelzimmer das sein wird, was den Gast langfristig zufriedener macht. In dem Moment, wo ich zum Beispiel sage: „Alexa, bestelle mir den Room Service oder lies mir die Speisekarte vor“, dann kann mir Alexa zwar die gesamte endlos lange Liste der Room-Service-Items vorlesen, aber wenn Alexa unten angekommen ist, dann habe ich das Erste schon wieder vergessen. Ich denke, viel realistischer wird eine Kombination sein von Sprachsteuerungslösungen, von Touchscreens und von Screens; so dass ich den Gast im Prinzip mit allen Sinnen erreichen kann und mit ihm auch über alle Sinne kommunizieren kann.
Tageskarte: SuitePad war vor einigen Jahren der Innovator und ist zum Gejagten der digitalen Gästemappen Me-Too-Bewegung geworden. Wie will SuitePad zukünftig wieder oder weiter an der Spitze der Bewegung stehen.
Moritz von Petersdorff-Campen: Also zunächst muss ich sagen, wir fühlen uns nicht gejagt (lacht). Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen, haben mittlerweile sechzig Mitarbeiter und expandieren sowohl national als auch international. Insbesondere da wir über die letzten Jahre sowohl im Drei-, Vier- und Fünf-Sterne-Segment unser Wachstum deutlich ausbauen konnten, sehe ich der Zukunft extrem positiv entgegen.
Wie bleibt man bei so einer Entwicklung und steigendem Wettbewerbsdruck weiter an der Spitze? Die Ressourcen eines Unternehmen sind da extrem entscheidend und auch die Frage, wo und wie man sie einsetzt. Wir haben als Platzhirsch der Branche die größten Ressourcen und das größte Budget, was wir in unsere Produktentwicklung stecken können. Das ist sicherlich ein wichtiger Wettbewerbsvorteil um langfristig kompetitiv zu bleiben; die Entwicklung von neuen innovativen Features und Produkten. “Vom Markt her denken, zum Markt hin handeln” lautet hier unsere Maxime.
Ein zweiter Punkt, der uns große Zuversicht für die Zukunft macht ist das starke Vertrauen der Hotelgruppen, mit denen wir zusammenarbeiten. Die haben sich natürlich im Auswahlprozess auch verschiedene Anbieter angeschaut und sich bewusst für uns entschieden. Hier ist es natürlich jetzt super wichtig, mit unserem gesamten Team eng am Kunden zu sein und nicht nur Branchenmaßstäbe im Produkt, sondern vor allem im Kundenservice und im Support zu setzen.
Tageskarte: Wir werden Ihren Weg verfolgen und wünschen Ihnen dabei viel Erfolg. Vielen Dank für das Gespräch!
Registrieren Sie sich auch für das Live-Webinar zum Thema “Das Hotelzimmer der Zukunft – Wie sich Hotels auf die digitale Revolution im Hotelzimmer vorbereiten sollten” am 27.06.2019 mit Moritz von Petersdorff-Campen. Jetzt kostenlos anmelden!