Lyon: Schlemmen auf den Spuren von Paul Bocuse

| Gastronomie Gastronomie

Meterlange Käsetheken, Patisserien mit Macarons in allen Farben, riesige Stände mit Fischen, Hummern und Austern - Lyons Markthalle ist ein Schlaraffenland für Genießer und ein Denkmal für Paul Bocuse. «Merci Monsieur Paul» - diese Dankesbotschaft steht unter einem großen Porträt des 2018 verstorbenen Jahrhundertkochs an der Fassade der «Halles de Lyon Paul Bocuse».

Den berühmten überdachten Markt hatte die Großstadt am Fuße der Alpen schon zu dessen Lebzeiten nach Bocuse benannt, der nördlich der Stadt in Collonges-au-Mont-d'Or geboren wurde - und bis heute der berühmteste Koch der Welt ist.

«Bocuse ist für jeden Koch, der seinen Beruf liebt, Inspiration und Vorbild», sagt Chefkoch David Delsart vom Restaurant Les Terrasses de Lyon. Der Sternekoch ist einer der Top-Küchenchefs vor Ort. Hoch über der Altstadt tischt Delsart in seinem Lokal im Hotel Villa Florentine Gerichte in der Tradition seines großen Vorbilds auf.

Als einflussreichster Wegbereiter der «Nouvelle Cuisine» hat Bocuse die moderne Gourmet-Küche geprägt wie kein Zweiter. Er garte Fisch und Fleisch weniger durch, machte Saucen leichter, konzentrierte Aromen und verkleinerte die Portionen.

So konnte er bis zu zwölfgängige Menüs servieren, die Feinschmeckern eine nie dagewesene Vielfalt boten.

Zauberer am Herd - und Geschäftsmann

Bocuse war nicht nur ein Zauberer am Herd, sondern auch ein begnadeter Selbstdarsteller und Geschäftsmann. In Lyon hat er die Köche aus den Küchen herausgeholt und zu Stars gemacht. Rund um sein Restaurant Paul Bocuse, das der Guide Michelin von 1965 bis 2019 ununterbrochen mit der Höchstnote von drei Sternen auszeichnete, entstand ein weltweit operierendes Gourmet-Imperium.

Von Bocuses Ruhm profitierte Lyon, das sich selbstbewusst Welthauptstadt der Gastronomie nennt. Seit 1990 wird dort im Institut Paul Bocuse die junge Gastronomie-Elite ausgebildet. Alle zwei Jahre wird hier im Rahmen der Gastronomiemesse SIRHA der «Bocuse d'Or»-Kochwettbewerb ausgetragen. Ein Sieg dort ist für junge Köche so etwas wie Olympia-Gold für Sportlerinnen und Sportler.

Käse, Wein und Austern in den Markthallen

Touristen kommen der Kochlegende im Gastronomie-Kulturzentrum Cité Internationale de la Gastronomie und vor allem in den Markthallen am nächsten. In den «Halles de Lyon Paul Bocuse» wird zelebriert, was Bocuse sein Leben lang propagierte: frische Zutaten aus der Region unverfälscht auf den Tisch zu bringen.

An fast allen Marktständen kann man die Köstlichkeiten auch probieren. An Metzgerei-Ständen werden Steaks gebrutzelt, Wurst- und Käsehändler schleppen üppig gefüllte Bretter mit Saint-Marcellin-Käse und luftgetrockneter Rosette-de-Lyon-Salami herbei. Bei Fischhändlern wie Chez Léon sind die Platten und Etageren mit frischen Austern die Renner. Überall werden dazu Dutzende offene Weine von der Rhône und aus anderen Regionen angeboten.

Bocuse hat gern in den Markthallen eingekauft, die auch dessen Vorbildern, den Mères Lyonnaise, ein Denkmal setzen. Die «Lyoner Mütter» betrieben in der Stadt einfache Gasthäuser, von denen sich einige zu feinen Restaurants entwickelten. Mit großen Fotos sind die Mères in der Markthalle verewigt. Dazu zählt auch die spätere Drei-Sterne-Köchin Eugénie Brazier, bei der Bocuse lernte.

Bocuse-Nostalgie hat ihren Preis

Drei-Sterne-Restaurants, die Eliteklasse der Gourmetküche, gibt es derzeit in Lyon allerdings nicht, was enorm an der Eitelkeit der Lyoner kratzt. Immerhin aber zeichnet der Guide Michelin 14 Lokale mit einem Stern und fünf Restaurants mit zwei Sternen aus.

Mit zwei Sternen dekoriert ist auch das immer noch existierende Restaurant Paul Bocuse in dessen Geburtsort Collonges-au-Mont-d'Or. Außen ist die Pilgerstätte mit Wandmalereien, innen mit Bildern des Kochs übersäht.

Auf der Karte finden sich Bocuse-Klassiker wie der ganze Wolfsbarsch im Teigmantel mit Sauce Choron. Bocuse-Nostalgiker müssen dafür tief in die Tasche greifen: 220 Euro kostet der Fisch für zwei Personen.

Traditionsküche in den Bouchons

Sehr viel günstiger isst man in den unzähligen Bouchons - kleine, urige Wirtshäuser. In der Altstadt («Vieux Lyon») zählt das Bouchon les Lyonnais zu den Klassikern. Dort stehen lokale Spezialitäten wie der Salade Lyonnaise, pochierte Eier, Hechtklöße mit Hummersauce und Huhn in Essig nach Art der Mères Lyonnaise auf der Karte. Die traditionelle Lyoner Küche ist köstlich, aber nicht leicht.

Statt mit der Standseilbahn «Ficelle» hochzufahren, nimmt man nach einem üppigen Mittagessen deshalb lieber die Treppen in der Nähe des Bouchon les Lyonnais für einen Ausflug auf den Fourvière-Hügel.

Vom Lyoner Hausberg kann man an klaren Tagen über die ganze Stadt bis zum schneebedeckten Mont Blanc am Horizont schauen. Undurchschaubar ist dagegen das Labyrinth der engen Altstadtgassen rund um die Kathedrale, in der vor fünf Jahren 1500 Chefköche Bocuse die letzte Ehre erwiesen.

Die geheimen Gänge der Altstadt

Vor allem die «Traboules» sind für Fremde kaum zu erkennen. Das sind öffentliche Durchgänge, die sich hinter nicht verschlossenen Türen verstecken. Einheimische nutzen diese Wege quer durch Privathäuser und Innenhöfe geschickt als Abkürzungen.

1998 wurde die Altstadt von Lyon mit ihrer 2000 Jahre zurückreichenden Geschichte auf die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Die historischen Viertel Vieux Lyon und Croix-Rousse erstrecken sich an der Saône, die in Lyon in die Rhône mündet. An den Ufern sind zahlreiche zu Bars- und Restaurants umgebaute Lastenkähne («Péniches») vertäut.

Entlang der Flüsse lässt sich wunderbar bis zum modernen Stadtteil Confluence spazieren oder radeln. Wo sich die beiden Flüsse treffen, ist aus dem einstigen Industriehafen Rambaud ein Szeneviertel mit Agenturen und dem futuristischen Wissenschaftsmuseum «Des Confluences» entstanden.

Auch in Confluence gibt es einige Restaurants mit traditioneller Küche. Nirgendwo jedoch fließen die verschiedensten kulinarischen Einflüsse und die Geschichte Lyons als Gourmet-Hochburg so wunderbar zusammen wie in den «Halles de Lyon Paul Bocuse».

Über Lyon:

Reiseziel: Die selbst ernannte Welthauptstadt der Gastronomie hat gut eine halbe Million Einwohner und lockt Gourmets mit 4000 Restaurants und den nach Jahrhundertkoch Paul Bocuse benannten Markthallen.

Anreise: Lyon ist besonders bequem mit dem Schnellzug TGV erreichbar. Zudem gibt es zahlreiche Direktflüge zum internationalen Flughafen.

Informationen: www.visiterlyon.com (Tourismusbüro der Stadt), www.france.fr (Französische Zentrale für Tourismus). (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Radisson Hotel Group hat ein neues digitales Angebot vorgestellt, das Gästen und Einheimischen erstmals die direkte Buchung von Restaurantbesuchen über die Website RadissonHotels.com ermöglicht.

Toilettenbesuch ohne Verzehrzwang: Die Stadt Frankfurt beteiligt sich an der Initiative «Nette Toilette» und sucht dafür nun Gastro-Betriebe, die ihre sanitären Einrichtungen der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellen.

Wenn die Temperaturen steigen, zieht es die Menschen nach draußen. Eine aktuelle Auswertung von Lightspeed zeigt: Der Sommer bringt der Branche mehr Gäste, aber mit einem veränderten Konsumverhalten.

McDonald’s hat bekanntgegeben, seine Getränkekette CosMc’s noch im Juni vollständig zu schließen. Die Entscheidung betrifft alle fünf bestehenden Filialen in den USA – eine in Illinois und vier in Texas – sowie die Einstellung der dazugehörigen App und des Treueprogramms. Die Schließung erfolgt nur zwei Jahre nach dem Start des Konzepts.

Mit Helsinki als „hidden star“ und Amsterdam als vielfältiger Gastro-Hotspot präsentiert Pierre Nierhaus zwei der innovativsten Hospitality Destinationen. Weiter geht es im Spätherbst mit Los Angeles und Singapur. ​​​​​​​Jetzt anmelden – begrenzte Teilnehmerzahl!

Bartender Wladimir Reichert aus Zürich gewinnt den renommierten Cocktail-Wettbewerb «Made in GSA». Sein Drink enthält unter anderem Whisky, Wermut und Kirschlikör.

Das Bier auf der Wiesn wird wieder teurer: Zwischen 14,50 und 15,80 Euro soll die Maß auf dem Oktoberfest in diesem Jahr kosten. Das sind im Schnitt 3,52 Prozent mehr als 2024. Damals kostete der Liter noch zwischen 13,60 und 15,30 Euro.

Die britische Pub-Kultur steckt in einer tiefen Krise: In den vergangenen 25 Jahren haben mehr als 15.800 Pubs im Vereinigten Königreich dauerhaft geschlossen. Doch trotz der düsteren Zahlen gibt es auch Lichtblicke.

​​​​​​​Höhere Restaurantpreise drücken auf die Gästestimmung. Obwohl die Gesamtzufriedenheit leicht stieg, bewerten Gäste das Preis-Leistungs-Verhältnis kritischer denn je, so eine Untersuchung. Deutschland verliert seinen Spitzenplatz in der DACH-Region an die Schweiz. In Großstädten wie Berlin werden bereits die Hälfte aller Bewertungen nicht mehr auf Deutsch verfasst.

Trotz des verhaltenen Konsumklimas in Deutschland bleibt die Handelsgastronomie weiter auf Wachstumskurs. Laut der aktuellen EHI-Befragung konnten die Händler ihren gastronomischen Umsatz im Jahr 2024 durchschnittlich um 6,1 Prozent steigern. Der Gesamtumsatz erreichte damit ein Rekordniveau von 12,41 Mrd. Euro.