In seinem aktuellen Trendreport 2025/26 stellt Gastro-Experte Pierre Nierhaus die wichtigsten Entwicklungen vor und gibt Orientierung für die kommenden Monate. Den kompletten Bericht gibt es zum Download auf seiner Webseite.
2024 – ein Jahr der Extreme. Bewegende Momente voller Freude, aber auch Unsicherheiten durch Krisen und Krieg. Mitten darin als Lebensader und Taktgeber die Hospitality-Branche, die zu alter Stärke zurückgefunden hat. Reisen boomt, in 2024 beflügelt durch Sportevents wie die Fußball-Europameisterschaft und Konzerte der Mega-Stars. Die Gastronomie zeigt ein vielschichtiges Bild. Auf der Erfolgsspur waren Betriebe, die auf Professionalisierung und neue Geschäftsstrategien gesetzt haben. Eines ist sicher: Der Wandel ist allgegenwärtig.
Für 2025 prognostiziere ich große Chancen für die Individualgastronomie, die mit Echtheit, Herzlichkeit und Authentizität die emotionalen Bedürfnisse der Gäste erfüllt. Die Systemer haben sich gut optimiert und werden weiterhin auf der Erfolgsspur bleiben. Wünschenswert ist für 2025 eine Rückkehr zu mehr Stabilität und positiven Perspektiven in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuversicht und Optimismus sind das Gebot der Stunde. Gut gelaunte Menschen konsumieren, gehen aus und verreisen. Hierbei kann die Gastronomie eine wichtige Aufgabe übernehmen und ihre Stärke ausspielen: Menschen begeistern, berühren und verbinden. “Food & Beverage sind der Klebstoff der Gesellschaft!” Mein viel zitiertes Statement aus den Vorjahren gilt auch für den Trendreport 2025/26!
BIG PLAYER GASTWELT
Food & Beverage sind Teil der Gastwelt und damit des zweitgrößten privaten Arbeitgebers in Deutschland mit über 6 Millionen Beschäftigten. Mit einem Anteil von 13,5% bei den Erwerbstätigen und 11% beim Bruttoinlandsprodukt ist die Gastwelt (Tourismus, Travel, Hospitality, Foodservice, Freizeitwirtschaft) ein Big Player und auf Augenhöhe mit dem produzierenden Gewerbe und der Automobilindustrie. Flächendeckend im ganzen Land zuhause, beeinflusst sie das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben: Jede 8. Minute hat faktisch jeder einen Touchpoint mit der Gastwelt, sagen Denkfabrik und Fraunhofer in ihrem aktuellen Bericht über die Wertschöpfungseffekte der Gastwelt in Deutschland. Deutlich mehr als hierzulande hat die Politik in den Nachbarländern Schweiz und Österreich den Stellenwert und die Wertschöpfung der Gastwelt anerkannt.
GASTRONOMIE IM WANDEL
Der Trendreport 2025/26 stellt die Gastronomie in den Mittelpunkt. Sie durchläuft eine tiefgreifende Transformation: Regionalität, Nachhaltigkeit und Erlebnisse rücken in den Fokus, da Gäste zunehmend Wert auf authentische, ökologische und kulturell verankerte Konzepte legen.
Preisdruck und Personalmangel erfordern neue Lösungen. Professionalisierung und Effizienz sind entscheidend, um in dieser dynamischen Branche langfristig erfolgreich zu sein. Konsequent wurden in den letzten Jahren Prozesse vereinfacht, Öffnungszeiten angepasst und höhere Löhne eingeführt, um dem anhaltenden Personalmangel zu begegnen. Trotz Umsatzsteigerungen bleibt der Profit oft unverändert, da Kosten und Preisdruck steigen. Jetzt steht die Effektivität der Prozesse und eine klare konzeptionelle Ausrichtung im Fokus: Betriebe überlegen gezielt, welche Angebote und Abläufe notwendig sind und was weggelassen werden kann. Individualgastronomen müssen sich auf ihre USPs Individualität und Erlebnis konzentrieren.
Die Pandemie hat zu einem Quantensprung in der Professionalisierung geführt. Nur wirtschaftlich stabile und gut organisierte Betriebe haben diese Phase überstanden. Viele ineffiziente Betriebe mussten schließen oder wurden ersetzt. Profiteure waren Systemer und die schnelle Gastronomie. Die Rückzahlungsverpflichtung von Corona-Hilfen wird Betriebe in 2025 weiter unter Druck setzen.
Im deutschsprachigen Raum hemmen Krisenängste und Vorsicht die Ausgabebereitschaft, was zu Downgrades wie weniger Gängen oder reduzierten Restaurantbesuchen führt. Nur Betriebe, die mit Individualität und Erlebnis überzeugen, können sich langfristig behaupten. Die Gastronomie hat eine vielversprechende Zukunft – für alle, die mutig neue Wege gehen, Trends erkennen und die Bedürfnisse ihrer Gäste mit Leidenschaft in den Mittelpunkt stellen.
Lieblingsplatz Gastronomie
Die Gastronomie ist allgegenwärtig und spielt eine zentrale Rolle in Gesellschaft und Wirtschaft. Am Arbeitsplatz und in der Freizeit – überall ist Gastronomie. Die anderen Branchen haben die Bedeutung der Gastro als Anker erkannt und integrieren sie in ihre Konzepte, ob im Kino oder im Shopping Center. Pop-up-Konzepte sollen Innenstädte beleben und für Attraktivität sorgen. Auch Homeoffice hat die Gastro-Landschaft verändert: Arbeitsplätze im Büro werden reduziert, was neue Chancen für Stadtteilgastronomie und Gastrobäcker schafft.
NACHHALTIG UND OHNE ABFALL
Nachhaltigkeit prägt zunehmend die Branche, sei es durch natürliche Zutaten, innovative Verwertung von Reststoffen wie Treber oder den Einsatz von Zero-Waste-Konzepten wie Silo in Brighton, das ausschließlich mit geschlossenen Lieferketten arbeitet. In Deutschland setzt der Restlos Glücklich e.V. auf Bildungsarbeit in Form von Workshops, Mitmachaktionen usw., bei denen nur überschüssige Lebensmittel verwendet werden.
NEUER TREND LONGEVITY
Vielfalt und Inklusion sind in der Gastronomie längst gelebte Werte, während vegetarische und vegane Angebote zum Mainstream werden. Gleichzeitig rollt mit Longevity ein Megatrend aus den USA heran, der Gesundheit, Wellness und Fitness neu definiert: „Lang leben will jeder, aber alt werden will niemand.“
FOODPORN UND TRENDKONZEPTE
Durch Plattformen wie TikTok und Instagram werden Essgewohnheiten geprägt. F&B sind Superstars und lassen Gäste in Betriebe strömen. Überraschende Konzepte, wie ein Sterne-Restaurant und das Future-Genusskonzept Eatrenalin im Europa-Park oder die virtuellen Marken, zeigen, wie kreativ die Branche auf neue Trends reagiert – auch wenn Herausforderungen wie Qualitätsprobleme bleiben, so erlebt beim Social Media-Star Mr. Beast Burger.
SPIEGEL DER GESELLSCHAFT
Politische und bürokratische Hemmnisse bremsen die Entwicklung. Gefordert werden Regeln wie in der Industrie. Der Ruf nach mehr Unterstützung seitens der Politik bleibt laut. Die Gastronomie bleibt ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen – und ein Motor für Nachhaltigkeit, Vielfalt und innovative Erlebnisse.