Marco Nussbaum, Gründer und Geschäftsführer der prizeotel-Gruppe, prüft die Rückforderung von fast fünf Millionen Euro Provisionen von Booking.com. Für derzeit sechs Hotels in Deutschland verantwortlich, argumentiert der Hotelier, dass bei der Buchung über das Portal seit 2012, laut Bürgerlichem Gesetzbuch, kein Vertrag zustande gekommen sei. Booking.com habe es unterlassen, den Buchungsprozess rechtskonform zu gestalten. Nussbaum trommelt derzeit weitere Hoteliers zusammen, um gegebenenfalls gemeinsam zu klagen.
Im Kern geht es darum, dass es im deutschen Verbraucherschutzrecht seit 2012 eine Vorschrift gibt, die besagt, dass ein Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigen müsse, dass er sich zu einer Zahlung verpflichte. Der Paragraph 312 BGB fordert außerdem, dass eine „Schaltfläche“ gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein müsse. Diese sogenannte „Button-Lösung“ sei allerdings von Booking.com nie wirklich umgesetzt worden, argumentiert Nussbaum und sieht in dem Versäumnis gewaltige Sprengkraft liegen: „Ist der Button falsch beschriftet, ist kein Geschäft zustande gekommen“, so Nussbaum und weiter: „Wenn es also keinen Vertrag gibt, weil dieser von Anfang an unwirksam war, kann Booking dafür auch keine Provision verlangen.“ Es sei daher unter Umständen möglich, dass jeder Hotelier alle Provisionen, die in den letzten Jahren an Booking.com geflossen seien, und die nach deutschem Recht laufende Verbraucherverträge betreffen, zurückfordern könne – und zwar bis zum Jahr 2012, so Nussbaum weiter.
Der Hotelier hat mit Spirit Legal nun eine renommierte Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung der Interessen seines Unternehmens beauftragt. „Jeder Geschäftsführer einer Gesellschaft hat die Verpflichtung zu prüfen, welche Ansprüche gegen Dritte bestehen. Insbesondere in der aktuellen Notsituation. Ich kann mir gut vorstellen, dass unserem Beispiel nun viele Hoteliers in Deutschland folgen“, erläutert Nussbaum.
Dass die Hotellerie gemeinsam für ihre Interessen streiten kann, hat im letzten Jahr eine Auseinandersetzung der Branche mit der Buchungsplattform HRS gezeigt, bei der eine außergerichtliche Lösung des Themas „Schadensersatz für Bestpreisklauseln“ erzielt wurde: HRS hat damals einen einmaligen Betrag von vier Millionen Euro an den Hotelverband Deutschland (IHA), in dem Nussbaum im Vorstand sitzt, geleistet. Aus dem Betrag hat die IHA die rund 600 Hotels entschädigt, die sich zusammengeschlossen hatten, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Wenn jetzt, in der Corona-Krise, Hotels oder Marken zahlungsunfähig werden sollten, schlägt zudem die Stunde der Insolvenzverwalter. Denn grundsätzlich können diese Rechtsgeschäfte der letzten Jahre anfechten. Nach Paragraf 133 der Insolvenzordnung sogar bis zu zehn Jahre rückwirkend. Auch Insolvenzverwalter werden überprüfen, ob Zahlungen an Booking.com deutschem Recht entsprechen oder zurückgefordert werden können.
Marco Nussbaum gilt als erfahrener Unternehmer in der Hotellerie, der genau weiß, wovon er spricht. Bereits vor fünf Jahren sorgte er mit einem offenen Brief an den damaligen Europachef von Booking.com über die Branche hinaus für großes Aufsehen. Damals ging es darum, dass Booking.com bei Google Werbung auf die Markennamen der Hotels schaltet und dadurch die Vertriebskosten der Herbergen in die Höhe treiben würde, das sogenannte Brand Bidding.