Online Travel Agencies (OTAs) wie Booking.com oder Expedia sind aus der Hotellerie nicht mehr wegzudenken. Sie bieten enorme Reichweite, eine bequeme Buchungsplattform und Zugang zu Millionen potenzieller Gäste. Viele Hoteliers schimpfen über die Vermittler, arbeiten aber dennoch täglich mit Booking & Co. zusammen. Oft hat sich daraus eine fatale Abhängigkeit – vergleichbar mit dem Stockholm-Syndrom, bei dem sich Opfer mit ihren „Entführern“ verbünden und sich ihrer Kontrolle unterwerfen.
Warum schreiben so viele Hoteliers den OTAs zu große Bedeutung zu, fragt Seemann, obwohl die Nachteile immer deutlicher werden? Und wie gelingt es, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien, ohne Umsatzeinbußen zu riskieren? Wie gelangen Hoteliers zu einem ausgewogenen Vertriebsmix?
Über den Autor
Der ehemalige Hoteldirektor und Revenue Management-Experte Markus Seemann ist auch Berater und Trainer beim DEHOGA Baden-Württemberg und dem HGV in Südtirol tätig. Seemann unterstützt bei der richtigen Preisfindung und der betriebswirtschaftlichen Strategie geht. Mit Octopus Analytics hat Seemann ein erfolgreiches Tool entwickelt, das auch den Bedürfnissen familiengeführter Hotels entspricht. Gastgebern wird hier einfach und intuitiv darstellt, wie sich die wichtigsten Kennzahlen des Hotels in Echtzeit entwickeln.
Die gefährliche Co-Abhängigkeit: Warum Hotels sich OTAs unterwerfen
Viele Hoteliers stehen OTAs zwiespältig gegenüber: Einerseits bringen sie Buchungen, andererseits fressen hohe Provisionen die Gewinne auf. Doch trotz steigender Kosten und restriktiver Bedingungen bleiben Hotels in der Abhängigkeit gefangen – oft aus folgenden Gründen:
Angst vor Buchungseinbrüchen: Die große Unsicherheit
Viele Hoteliers befürchten, dass ohne OTAs die Auslastung drastisch sinkt. Sie glauben, nicht genug Direktbuchungen generieren zu können und fürchten den Umsatzverlust. Dabei wird oft übersehen: Ein gut geführtes Hotel mit einer starken Marke und direkter Kundenbindung ist langfristig unabhängiger und profitabler. Doch anstatt in eigene Strategien zu investieren, wird die Unsicherheit zum Totschlagargument: "Ohne OTAs geht es nicht!" – eine Behauptung, die in vielen Fällen schlicht nicht stimmt.
Bequemlichkeit: Warum selbst denken, wenn es andere tun?
OTAs übernehmen einen Großteil des Marketings, stellen eine funktionierende Buchungsplattform bereit und sorgen für Sichtbarkeit. Viele Hotels scheuen den Aufwand, selbst aktiv in Marketing und Kundenakquise zu investieren. Doch wer sich nur auf OTAs verlässt, begibt sich in eine gefährliche Passivität: Statt selbst Gäste zu gewinnen, lassen sich Hotels von einer Plattform fremdsteuern. Die Bequemlichkeit mag kurzfristig praktisch erscheinen, doch langfristig bedeutet sie Kontrollverlust – und oft eine schleichende Abwärtsentwicklung in der Rentabilität.
Schlechte eigene Online-Präsenz: Wer nicht gefunden wird, verliert
Viele Hotel-Websites sind veraltet, schlecht optimiert und wenig benutzerfreundlich. Gäste buchen dann lieber über bekannte Plattformen, anstatt sich durch komplizierte Buchungsformulare auf Hotel-Websites zu kämpfen. Dabei wäre es mit modernen Tools und etwas Einsatz leicht möglich, eine eigene, leistungsfähige Buchungsstrecke zu schaffen. Doch stattdessen verharren viele Hoteliers in einer Art digitalem Mittelalter – mit langsamen Seiten, unklaren Preisen und einer völligen Vernachlässigung der Nutzererfahrung. Wer nicht sichtbar ist, verliert. Wer nicht in die eigene Online-Präsenz investiert, überlässt seine Zukunft den OTAs.
Der Preis-Druck und die „Raten-Parität“: Der ruinöse Wettbewerb
Obwohl Buchungsportale das nicht mehr dürften, bieten Hotels auf der eigenen Webseite oft die dieselben Preise wie auf OTAs. Durch hohe OTA-Provisionen bleibt bei Direktbuchungen kaum ein finanzieller Vorteil – also denken viele Hoteliers, dass sie gleich alles über die OTAs laufen lassen können. Doch genau hier liegt die Falle: Hotels berauben sich selbst der Möglichkeit, die Preisstrategie aktiv zu steuern. Das Ergebnis? Eine permanente Abwärtsspirale der Preise, die oft zu Lasten der Qualität geht. Wer in diesem System mitspielt, verliert früher oder später – und zwar nicht nur Geld, sondern auch seine Unabhängigkeit.
Der psychologische Effekt: „Sie bringen uns Gäste – also sind sie gut für uns“
Hotels sehen die OTAs als mächtigen Partner an, weil sie täglich Buchungen liefern. Der Preis, den sie dafür zahlen, wird dabei oft ignoriert – ähnlich wie ein Opfer, das seinen Entführer verteidigt. Doch wer sich in einer erzwungenen Abhängigkeit allzu wohl fühlt, hat bereits verloren. OTAs sind keine Wohltäter der Branche, sondern profitorientierte Unternehmen, die auch aus der Lage vieler Hoteliers Kapital schlagen. Je abhängiger ein Hotel wird, desto mehr gerät es in eine Art „OTA-Sucht“: Ohne sie scheint nichts mehr zu funktionieren, obwohl es durchaus möglich wäre, wieder eigenständig zu agieren. Doch dafür müsste man den Mut aufbringen, sich aus dem bequemen Gefüge zu lösen – und genau daran scheitern viele.
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Die echten Kosten der OTA-Abhängigkeit
Hohe Provisionen zerstören die Marge
OTAs verlangen je nach Plattform und Region zwischen 15 und 25 Prozent Provision pro Buchung. Das bedeutet:
Ein Zimmer kostet 100 Euro pro Nacht. Die OTA-Provision beträgt 20 Prozent also 20 Euro Bleiben 80 Euro – doch davon müssen noch Personal, Reinigung, Frühstück, Energiekosten usw. bezahlt werden. Hotels, die zu stark auf OTAs setzen, verlieren oft 5 bis 10 Prozent ihrer möglichen Gewinne nur durch Provisionen – und das bei ohnehin knappen Margen.
Verlust der Kundenbeziehung: Die Gäste gehören den OTAs
Gäste, die über eine OTA buchen, haben in erster Linie eine Beziehung zur Plattform – nicht zum Hotel. Die Buchungsbestätigung kommt von der OTA, nicht vom Hotel. Alle Kommunikation läuft über die Plattform. Das bedeutet:
- Hotels können kaum eine direkte Kundenbindung aufbauen.
- Gäste vergleichen das Hotel mit anderen, statt eine direkte Verbindung einzugehen.
- Ein Wiederkommen ist unwahrscheinlicher – denn Gäste buchen beim nächsten Mal wieder über die OTA.
Fehlende Kontrolle über die Preisstrategie: Das Spiel der OTAs
Viele Hoteliers glauben, dass sie auf OTAs, ihre Preise unbedingt wettbewerbsfähig, also niedrig halten müssen. Das führt dazu, dass viele Hotels ihre Raten senken, um im Ranking besser zu stehen. Erst jüngst bemängelte der Hotelverband, dass Booking.com weiterhin indirekten Druck auf Hotels ausübe, indem es, aus der eigenen Marge, Zimmerpreise rabattiere („Undercutting“) und damit den Wettbewerb auf anderen Kanälen verzerre. Die Branchenvertreter argumentieren, dass dadurch de facto die gleichen negativen Ergebnisse wie mit Paritätsklauseln erreicht würden. Das Ergebnis könnte ein ruinöser Preiskampf ohne Gewinner sein - außer den OTAs.
OTA-Gäste sind oft „weniger wertvoll“
Gäste, die über OTAs buchen, sind zuweilen auch „Schnäppchenjäger“. Sie wählen das günstigste Hotel mit den besten Bewertungen, zeigen wenig Markentreue und buchen nur, wenn es Rabattaktionen gibt. Solche Gäste geben oft weniger für Extras aus und haben eine höhere Stornierungsrate.
Die gute Nachricht: Mit der richtigen Strategie kann sich jedes Hotel von seiner OTA-Abhängigkeit lösen – und endlich selbst über seinen Erfolg bestimmen.
Wie Hotels sich aus der OTA-Abhängigkeit befreien – ohne Umsatzeinbrüche
Ziel ist nicht, OTAs komplett zu vermeiden – sondern sie strategisch zu nutzen, ohne sich ihnen auszuliefern. Ein durchdachter Plan zur Reduzierung der Abhängigkeit beginnt mit einer gezielten Optimierung der eigenen Vertriebskanäle und einer klugen Strategie, um Direktbuchungen zu steigern.
Die eigene Website zur besten Buchungsplattform machen
Eine Hotel-Website ist das digitale Aushängeschild und sollte mindestens so attraktiv und funktional sein wie eine OTA-Plattform. Gäste müssen hier eine reibungslose, schnelle und vertrauenswürdige Buchungserfahrung haben.
- Mobilfreundlichkeit ist Pflicht: Mehr als die Hälfte aller Hotelbuchungen erfolgt über mobile Geräte. Eine langsame oder schlecht optimierte Website kostet wertvolle Direktbuchungen.
- Nutzerfreundlichkeit: Alles muss auf der Hotelwebseite genauso einfach sein, wie bei den Portalen. Dies umfasst eine intuitive Navigation, schnelle Ladezeiten und einen einfachen Buchungsprozess..
- Ein sicheres und einfaches Buchungssystem: Moderne ermöglichten die die direkte, reibungslose Buchung direkt auf der Webseite – ähnlich komfortabel wie bei den Plattformen. Leistungsfähige Internet Booking Engines (IBEs) sind von zentraler Bedeutung
- Transparente Preise und Stornierungsbedingungen: Gäste müssen sofort erkennen, dass sie auf der Hotel-Website mindestens genauso gute oder bessere Konditionen erhalten wie auf OTAs.
Anreize für Direktbuchungen schaffen
Gäste brauchen einen klaren Grund, warum sie direkt buchen sollten, anstatt den einfachen Weg über eine OTA zu gehen.
- Exklusive Vorteile für Direktbucher: Wer über die Hotel-Website bucht, sollte mehr bekommen – sei es ein kostenloses Frühstück, ein Zimmer-Upgrade oder eine späte Abreise.
- Rabatte clever nutzen: Auch wenn Ratenparität gefordert wird, lassen sich exklusive Gutscheine oder Zusatzleistungen anbieten, die den Mehrwert einer Direktbuchung verdeutlichen.
- Loyalitätsprogramme etablieren: Gäste, die direkt buchen, könnten Punkte sammeln oder spezielle Vorteile erhalten, um langfristige Bindungen aufzubauen. Für familiengeführte Häuser ist das nicht einfach. Es gibt aber auch gute Programme von Hotelkooperationen.
Gäste aktiv zur Direktbuchung bewegen
Viele Gäste buchen einmal über eine OTA – doch das muss nicht so bleiben. Der Einsatz der Gastgeber vor Ort kann sie zur Direktbuchung bewegen.
- OTA-Gäste zurückholen: Nach dem ersten Aufenthalt sollten Hotels gezielt Rabatte oder exklusive Angebote für eine zukünftige Direktbuchung anbieten.
- Direktbuchung schon beim Check-out promoten: Ein exklusiver Gutschein für die nächste Buchung oder ein persönlicher Hinweis auf bessere Konditionen direkt bei Abreise kann Wunder wirken.
- Nachhaltige Gästekommunikation: Wer Gäste nach dem Aufenthalt per E-Mail oder Social Media mit gezielten Angeboten anspricht, steigert die Chance auf Direktbuchungen.
Sichtbarkeit ohne OTAs erhöhen
Eine hohe Online-Sichtbarkeit bedeutet, dass Gäste das Hotel direkt finden – und nicht über Umwege zu einer OTA-Plattform gelangen. Auch wenn die Sichtbarkeit von aufgrund der Folgen des Digital Markets Acts (DMA) auf Google in den letzten Monaten deutlich abgenommen hat, dürfen diese Kanäle nicht vernachlässigt werden.
- Google Hotel Ads gezielt nutzen: Die Beschränkungen der Google Hotel Ads durch den DMA haben weitreichende Folgen für die Marketingstrategien von Hotels. Durch die Begrenzung der Werbemöglichkeiten auf Google wird es für Hotels zunehmend wichtiger, alternative Kanäle zu nutzen und ihre Sichtbarkeit in den Suchmaschinen durch Search Engine Advertising (SEA) und Search Engine Optimization (SEO) zu erhöhen.
- Suchmaschinenoptimierung (SEO) vorantreiben: Eine gut ausgeführte Suchmaschinenoptimierung bedeutet, dass ein Hotel bei der Suche nach bestimmten Schlagwörtern zu den ersten und relevantesten Ergebnissen gehört. Dadurch wird sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Nutzer auf Website klicken und ein Zimmer auch dort buchen. SEO ist ein komplexes Thema. Experten helfen hier weiter.
- Search Engine Advertising (SEA): Durch gezielte SEA-Kampagnen könnten Hotels weiterhin eine hohe Sichtbarkeit in den Suchmaschinen erreichen. Gleichzeitig sei es wichtig, die eigene Website für Suchmaschinen zu optimieren und zielgruppenrelevante Inhalte zu erstellen. Experten helfen hier weiter.
- Social Media & E-Mail-Marketing einsetzen: Durch regelmäßige Newsletter, Social-Media-Aktivitäten und gezielte Angebote bleibt das Hotel in den Köpfen der Gäste präsent.
OTA-Buchungen strategisch begrenzen Statt sich blind auf OTAs zu verlassen, sollten Hotels diese Kanäle gezielt steuern.
- OTA-Kontingente begrenzen: Wer weniger verfügbare Zimmer auf OTAs anbietet, kann die Nachfrage für Direktbuchungen erhöhen.
- Höhere Preise auf OTAs setzen: Falls möglich, sollten Direktbuchungen auf der eigenen Webseite die günstigste Option sein.
- OTAs für schwache Buchungszeiträume nutzen: Statt OTAs als Hauptquelle für Buchungen zu nutzen, sollten sie gezielt für schwache Saisons oder kurzfristige Füllungen eingesetzt werden.
Fazit: Raus aus dem Stockholm-Syndrom – hin zu einer gesunden Vertriebsstrategie
OTAs sind ein nützliches Werkzeug – aber kein Geschäftsmodell. Wer blind auf OTAs setzt, verliert Kontrolle, Marge und Kundenbeziehungen. Hotels, die sich bewusst mit ihrer Abhängigkeit auseinandersetzen und schrittweise unabhängiger werden, sichern sich langfristig höhere Gewinne, treue Gäste und mehr unternehmerische Freiheit.
Die gute Nachricht: Mit der richtigen Strategie kann sich jedes Hotel von seiner OTA-Abhängigkeit lösen – und endlich selbst über seinen Erfolg bestimmen.
Über den Autor
Der ehemalige Hoteldirektor und Revenue Management-Experte Markus Seemann ist auch Berater und Trainer beim DEHOGA Baden-Württemberg und dem HGV in Südtirol tätig. Seemann unterstützt bei der richtigen Preisfindung und der betriebswirtschaftlichen Strategie geht. Mit Octopus Analytics hat Seemann ein erfolgreiches Tool entwickelt, das auch den Bedürfnissen familiengeführter Hotels entspricht. Gastgebern wird hier einfach und intuitiv darstellt, wie sich die wichtigsten Kennzahlen des Hotels in Echtzeit entwickeln.