Freibier statt Gully? Betriebe müssen Bier loswerden

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Es war kein gutes Jahr für die Brauereien. Wegen der monatelangen Corona-Lockdowns litt (und leidet) ihr Absatz massiv unter ausfallenden Veranstaltungen und geschlossenen Lokalen. Beim eingelagerten Bier tickt derweil unerbittlich die Uhr bis zum Verfallsdatum, und vielen krisengebeutelten Brauereien und Gastronomien stellt sich die Frage: Wohin mit dem Gerstensaft? Damit nicht alle Vorräte in den Gully fließen müssen, wird das Bier teilweise verschenkt – oder auf kreative Weise zweckentfremdet.

In der Klosterbrauerei Irsee im Allgäu sind Ende Februar 2500 Liter nur noch kurz haltbares Bier gratis ausgeschenkt worden. «Das tolle Bier darf nicht vernichtet werden», sagt David Frick von der Brauerei. «Zwei Tage davor habe ich bei Whatsapp aufgerufen, enge Bekannte eigentlich, dass sie das Bier doch abholen sollen.» Das habe sich dann unverhofft ausgeweitet – und so seien nach und nach Hunderte Menschen mit Krügen, Kanistern und anderen Gefäßen zum Abfüllen gekommen. Die Leute hätten vorbildlich FFP2-Masken getragen, Abstand gehalten und das Bier nicht vor Ort getrunken, betont Frick. Allerdings bleibe die Aktion wohl einmalig.

Auch die Oechsner-Brauerei in Unterfranken hat bislang an zwei Freitagen Bier verschenkt. Um Menschen, die Sehnsucht nach Fassbier hatten, eine Freude zu machen, habe man den großen Ausschankwagen im Hof zur «Bier-Tankstelle» umfunktioniert, sagt Yvonne Schmieg von der Brauerei. Auch hier seien Menschen mit verschiedensten Gefäßen gekommen, um sich für das Wochenende frisch gezapftes Bier abzuholen. Trotz der positiven Reaktionen sollen die Aktionen aber auch hier die Ausnahme bleiben.

In Essen betreibt Christian Fischer zusammen mit seiner Frau Carmen den Club und Pub «Don`t Panic». Pünktlich zum zweiten Lockdown sei das Fassbier im Rahmen einer Aktion für wenig Geld verkauft worden, sagt Fischer. Einige Vorräte seien auch verschenkt worden. Derzeit seien noch etwa 30 Kisten Bier mit Ablaufdatum im April in den Kühlhäusern übrig – und «Vernichten ist keine Option», wie Christian Fischer betont. Bei einer Dankesaktion für die treuen Gäste sollen bald die Biervorräte unter Berücksichtigung der Corona-Verordnungen umsonst verteilt werden.

Eine ganz andere Nutzungsidee für das überschüssige Bier haben die Betreiber des «Café Kosmos» in München: Inhaber Andi Rehm ist nämlich nicht nur Barkeeper, sondern auch gelernter Friseur – und so verschenkt er zusammen mit seinem Partner Florian Schönhofer Bier als Haartonikum. Das Frischbier sei maximal acht Wochen haltbar und man wolle nichts wegschütten, sagt Schönhofer. «Wir sind darauf gekommen, dass Bier ja traditionelles Festiger-Mittel ist. Das hat man früher gerne genommen. Es festigt die Haare natürlich und es stinkt nicht.» Für einige Besucher gibt es dann auch einen Gratis-Haarschnitt dazu.

Hunderte kleine Flacons des flüssigen Golds seien abgefüllt worden, sagt Schönhofer. Die Menschen seien begeistert von der ungewöhnlichen Idee und sogar Friseure hätten sich Fläschchen abgeholt. Ob der Gerstensaft dann wirklich immer auf dem Kopf gelandet ist, sei aber nicht ganz klar, so Schönhofer: «Ich weiß nicht, ob sie es nicht auch teilweise getrunken haben.»

In Rheinland-Pfalz wird überschüssiges Bier zu anderen Lebensmitteln: Als das Verfallsdatum seines Bieres näher rückte, kam Jens Lenhardt, Geschäftsführer eines Getränkevertriebs in Freinsheim, eine echte «Schnapsidee»: Er sprach den Betreiber einer Destillerie in der Nähe an, der seither den überschüssigen Gerstensaft zu Schnaps brennt – Dutzende Fässer, die sonst abgelaufen wären, sind so schon verbrannt worden. In Ludwigshafen zum Beispiel backt ein Bäckermeister Brot aus gekauftem Bier und hilft damit der heimischen Gastronomie.

Trotz aller Kreativität sind alternative Nutzungen und der Gratis-Ausschank wohl aber nicht der Regelfall: «Freibier-Aktionen stehen nicht nur die bestehenden Kontaktbeschränkungen entgegen, sondern auch die zusätzlichen Kosten für Schankwagen und Personal», gibt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes, zu bedenken. Die Idee, das Fassbier umzufüllen und zu verkaufen, sei unter anderem technisch meist nicht problemlos umsetzbar.

Oft müsse das Bier letztlich in großem Stil entsorgt werden – für die Braukultur eine bittere Pille: «Fassbier im Wert von mehreren Millionen Euro, dessen Haltbarkeitsdatum überschritten wurde oder absehbar ausläuft, muss vernichtet werden», resümiert Eichele. Dass bei der Entsorgung in der Brauerei dem Betrieb wenigstens die Biersteuer zurückerstattet werde, sei nur «ein schwacher Trost».

Zwar sei die kürzlich bei einer Schalte der Länder mit den zuständigen Bundesministerien beschlossene Erstattung für abgelaufenes Fassbier im Rahmen der Überbrückungshilfe III laut Brauerbund ein «wichtiger Schritt in die richtige Richtung». Dennoch fielen noch immer die meisten Brauereien durch das Raster, obwohl sie hart vom Zusammenbruch des Fassbiermarktes getroffen seien. Um die Situation in der Branche zu verbessern, sei man weiter «in intensiven Gesprächen mit der Bundesregierung», hieß es. (dpa)


 

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