Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampel-Koalition eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Vieles wird teurer werden, mancher Zuschuss des Staates gekürzt oder gestrichen. Die reduzierte Gastro-Mehrwertsteuer fand keine Erwähnung und dürfte damit Ende des Jahres Geschichte sein.
Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampel-Koalition eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. SPD, Grüne und FDP wollen nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an ihren zentralen Zielen festhalten, sehen sich aber nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zu Kürzungen und Einsparungen gezwungen. «Die machen wir nicht gerne, klar, sie sind aber nötig, damit wir mit dem Geld, was uns zur Verfügung steht, hinkommen», sagte Scholz am Mittwoch in Berlin.
Nach seiner Darstellung werden klimaschädliche Subventionen abgeschafft, Ausgaben einzelner Ressorts reduziert und Bundeszuschüsse verringert. Die Ampel prüfe auch eine Ausnahme von der Schuldenbremse für die weiteren Zahlungen für die von der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 betroffenen Menschen. Sie werde auf die Union als größte Oppositionsfraktion zugehen und um deren Unterstützung für diesen Schritt werben.
Der Kanzler bekräftigte die drei zentralen Ziele der Ampel-Koalition: «Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran. Wir stärken den sozialen Zusammenhalt. Und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland.» Diese drei Ziele leiteten die Bundesregierung unverändert. «Klar ist aber, wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, um diese Ziele zu erreichen.»
Mit der Einigung, um die Scholz sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) tagelang gerungen hatten, gibt es fast vier Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Lösung der Haushaltskrise. Die Ampel-Spitzen hatten seitdem beraten, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat für das kommende Jahr gestopft werden kann. Außerdem ging es um die Finanzierung zahlreicher Investitionen in den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft.
Nach dem Urteil aus Karlsruhe fehlen 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, die für die nächsten Jahre schon fest eingeplant waren - allein 2024 rund 13 Milliarden Euro. Die Karlsruher Richter hatten eine Umwidmung im Etat von 2021 für nichtig erklärt und entschieden, dass die Bundesregierung Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf.
Reduzierte Gastro-Mehrwertsteuer kein Thema auf der Pressekonferenz
Um die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ging es bei der Pressekonferenz der Ampelspitzen allerdings nicht. Damit dürfte so gut wie feststehen, dass die Mehrwertsteuer von sieben Prozent ab dem 1.1.2024 ausläuft und wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten. Auf geliefertes Essen und auf Mitnahme werden weiterhin sieben Prozent fällig. Nur eine Gesetzesinitiative im Bundestag, die die Befristung der reduzierten Mehrwertsteuer aufhebt oder verlängert, könnte das Gastgewerbe in den Genuss der verlängerten Regelung bringen. Dies ist zeitlich in diesem Jahr kaum noch möglich. Wir keine Aktion im Bundestag ergriffen, läuft die Regelung einfach aus.
Davon geht auch Martin Behle, Chief HoReCa-Officer der Metro AG aus, der auf Linkedin schrieb: «So, das wars! Die Messe ist gelesen. Die 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen kommen Montag in zwei Wochen förmlich wieder auf den Tisch. Das ist ein Fehler, liebe Politiker. Die 3,4 Milliarden werden nicht kommen. Mehr Menschen verlieren ihren Job. Die individuelle Gastronomie wird Platz machen für Kettengastro mit einheitlichen Gerichten - designed to cost. Und zuschlechterletzt: die Ungleichbehandlung gegenüber ToGo und Belieferung ist zurük! »
Gestern hatte sich auch der Präsident des DEHOGA Bundesverbande, Guido Zöllick, geäußert und sagte: «Statt Steuerfairness zu schaffen und Essen einheitlich mit sieben Prozent zu besteuern, werden mit der Steuererhöhung auf 19 Prozent ab 1. Januar 2024 Tausende Existenzen gefährdet, der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert. Dramatische Umsatzeinbußen in der Branche und bei ihren Partnern, Jobverluste, Betriebsaufgaben, Insolvenzen sowie marode regionale Wirtschaftskreisläufe sind vorprogrammiert. Diese 19 Prozuent-Entscheidung macht deutliche Preiserhöhungen notwendig. Damit trifft sie Normal- und Geringverdiener besonders hart. Nur mit den sieben Prozent Mehrwertsteuer sei es bislang gelungen, die enormen Kostensteigerungen nicht 1:1 an die Gäste weiterzugeben.»
Was die Ampel beschlossen hat
Die Ampel will nun unter anderem den CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien anheben. Es werde auf den alten Preispfad der großen Koalition zurückgekehrt, sagten Habeck und Lindner am Mittwoch bei gemeinsamen Statements mit Scholz im Kanzleramt. Gestrichen werden soll ein eigentlich geplanter milliardenschwerer Zuschuss zu Entgelten für das Stromnetz, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen erfuhr. Der Abbau klimaschädlicher Subventionen soll laut Lindner einen Umfang von drei Milliarden Euro haben.
Die Ampel-Koalition will zudem bis 2027 Klimaschutz- und Transformationsprojekte im Volumen von 45 Milliarden Euro kürzen. Der Klima- und Transformationsfonds bleibe das zentrale Instrument des Bundes für den klimaneutralen Umbau des Landes, sagte Scholz. Er habe noch immer ein Gesamtvolumen von 160 Milliarden Euro. Allein 2024 würden die Ausgaben aber um 12 Milliarden Euro verringert.
Lindner betonte, es werde «keine Reduzierung von sozialen Standards geben». Dennoch erreiche man durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen eine Einsparung von 1,5 Milliarden Euro. Als ein Beispiel nannte der FDP-Vorsitzende den Arbeitsmarkt. So sollten Geflüchtete aus der Ukraine besser vermittelt werden. Laut Habeck soll auch die Förderung für den Kauf von Elektro-Autos früher als geplant auslaufen. Bislang war das Jahr 2025 vorgesehen. Darüber hinaus werde es Kürzungen in der Solarindustrie geben. «Das tut mir weh», sagte Habeck mit Blick auf beide Maßnahmen.
Die Spitzen der Koalition sicherten zugleich der Ukraine weitere und umfassende Hilfen zu. Diese Unterstützung werde aus dem Regelhaushalt gestemmt, «so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig», sagte Scholz. Dazu zählten 8 Milliarden Euro für Waffen, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt und voraussichtlich mehr als 6 Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge hier in Deutschland. «Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen», sagte Scholz.
Eigentlich wollte die Ampel-Regierung den Etat 2024 unbedingt noch vor Jahresende beschließen, schon in der vergangenen Woche war aber klar, dass das wegen Beratungszeiten von Bundestag und Bundesrat nicht mehr gelingen wird. Nun könnte möglicherweise zumindest der Haushaltsausschuss des Bundestags seine Beratungen vor Weihnachten abschließen. Das hängt aber vom genauen Umfang der Änderungen am Etat ab. Im Januar könnte der Bundestag dann zur Haushaltswoche zusammenkommen und das Zahlenwerk beschließen, danach der Bundesrat grünes Licht geben.
So lange würde eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien jedoch bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.
CO2-Verteuerung: Kostenanstieg bei Energie
Die sehr geringen Zusatz-Belastungen beim Benzinpreis, von denen Scholz spricht, resultieren daraus, dass der Preis für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) stärker angehoben wird als zunächst geplant: von 30 Euro je Tonne CO2 auf nun 45 statt nur 40 Euro. Damit verteuern sich unter anderem Sprit, Erdgas und Heizöl, um wie viel ist schon berechnet worden. Der ADAC gibt die zusätzliche Belastung bei Benzin und Diesel mit 1,4 bis 1,6 Cent je Liter an (einschließlich bereits beschlossener Anhebung von 2023 auf 2024: rund 4,3 bzw. 4,7 Cent). Beim Gas-Bezug bedeutet das nach Berechnung des Vergleichsportals Check24 für einen Haushalt mit 20 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch nun eine Zusatz-Belastung von 20 Euro (insgesamt gegenüber 2023: 60 Euro mehr).
Hinzu kommt, dass der Bundeszuschuss zu den Stromnetz-Kosten gestrichen wurde, so dass die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzentgelte steigen - bei einem Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Jahresverbrauch laut Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz um 60 Euro.
Kritik von außen: Sozialausgleich der Belastungen fehlt
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm appelliert deshalb an die Ampel, zum Ausgleich die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Zahlung eines Klimagelds an die Bürger einzuführen. «Das wäre eine sehr wichtige Maßnahme, um Akzeptanz für den Klimaschutz zu schaffen», sagte sie dem Sender Welt TV. Menschen mit wenig Einkommen würden davon besonders profitieren: Sie hätten in der Regel einen kleinen CO2-Fußabdruck, würden pro Kopf aber so viel zurückbekommen wie alle anderen auch.
Ähnlich sieht es der Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller. «Dass der CO2-Preis steigt, ist etwas, das Ökonomen schon lange empfohlen haben, um die Klimaschutzziele effizient zu erreichen», sagte er dem MDR. Dass der Sozialausgleich aber fehle, sei «ein Mangel».
Auch der Sozialverband VdK fordert, das noch zu ändern. «Eine Erhöhung des CO2-Preises ist unsozial», sagte VdK-Chefin Verena Bentele dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Deshalb muss das Klimageld kommen, damit Menschen mit kleinem Geldbeutel nicht übermäßig belastet werden.»
Karlsruher Urteil: Neuer Haushalt nötig
Die Spitzen der Koalition hatten sich nach wochenlangem Streit am frühen Mittwochmorgen geeinigt. Nötig geworden war die neue Etatplanung, weil nach einem Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt von 2021 die alte Planung mit Sondervermögen als nicht mehr verfassungsgemäß galt. Damit fehlten der Koalition für 2024 rund 30 Milliarden Euro.
Der Kompromiss: Die Eckpunkte der Lösung
- Schuldenbremse: Sie soll 2024 zunächst nicht ausgesetzt werden, es soll aber eine Ausnahme für die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal geprüft werden. Auch für den Fall einer veränderten Lage in der Ukraine behält sich die Ampel das spätere Aussetzen und das Aufnehmen zusätzliche Kredite vor.
- Milliardenzuschüsse für Industrieprojekte in Ostdeutschland wie die Chipfabrik von Intel bei Magdeburg: Daran will die Ampel festhalten - ebenso wie am Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft.
- CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien: Dieser soll zum 1. Januar 2024 nicht wie bisher geplant auf 40 Euro pro Tonne steigen - sondern auf 45 Euro und 2025 dann auf 55 Euro.
- Entgelte für die Stromnetze: Der 5,5-Milliarden-Euro-Bundeszuschuss wird gestrichen. Strom wird also teurer.
- E-Auto-Förderung: Sie soll früher enden - wann, ist offen.
- Energiesteuer: Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel sollen abgeschafft werden.
(mit dpa)