Berlin führt 2G-Optionsmodell ein

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Geimpfte und genesene Menschen in Berlin können in der Corona-Pandemie mit weiteren Erleichterungen rechnen. Für Ungeimpfte könnte es hingegen schwieriger werden, zum Essen in ein Restaurant zu gehen oder eine Veranstaltung zu besuchen. Denn der Senat beschloss am Dienstag die Einführung eines 2G-Optionsmodells. Für etliche Bereiche können die Betreiber dann selbst entscheiden, ob sie den Zutritt zu Innenräumen wie bisher Geimpften, Genesenen und Getesteten (3G) erlauben oder unter Wegfall etwa der Maskenpflicht und mit mehr Teilnehmern nur noch Geimpften und Getesteten (2G).

Nach den Worten von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) gilt die geänderte Corona-Rechtsverordnung voraussichtlich ab 18. September etwa für die Gastronomie, bei Veranstaltungen oder im Sport- oder Kulturbereich. Auch körpernahe Dienstleistungen wie Friseursalons oder touristische Angebote können auf 2G umschwenken. Bei Großveranstaltungen dürfen Räume unter 2G-Bedingungen zu hundert Prozent ausgelastet sein - allerdings bei einer weiter geltenden Obergrenze von 25 000 zeitgleich anwesenden Personen.

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Berlin begrüßte das neue Modell. «Das Wahlrecht für Betreiber war unsere Präferenz», sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder der Deutschen Presse-Agentur. Wie viele Betreiber die 2G-Regel tatsächlich einführen, sei aber offen. Erlaubt ist ihnen nach der Regelung, generell auf 2G umzuschwenken oder gegebenenfalls nur an bestimmten Tagen oder Zeiträumen im Wechsel mit 3G.

Das 2G-Modell, das auch in anderen Bundesländern diskutiert oder bereits angekündigt wurde, ist umstritten. Denn diese faktische Beschränkung von Rechten für Ungeimpfte gilt als ernster Grundrechtseingriff. Der Druck auf nicht geimpfte Menschen, sich doch noch impfen zu lassen, dürfte nun umso mehr steigen, je mehr Anbieter sich für 2G entscheiden.

Unter Getesteten sind indes nicht nur Impfverweigerer und -skeptiker, die unter dem Druck von 2G womöglich noch umzustimmen sind. Es handelt sich auch um Kinder unter zwölf Jahren oder Menschen mit bestimmten Erkrankungen, die gar nicht geimpft werden können. Für diesen Personenkreis sollen aber dort, wo 2G umgesetzt wird, keine Ausnahmen gelten. Denn es sei ja auch 3G möglich - und 2G mit Ausnahmen sei faktisch 3G, argumentierte Kalayci.

Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, sieht das kritisch. «Es ist richtig, dass der Senat die Option auf 2G eröffnet, es muss aber Ausnahmen für Kinder und Menschen geben, die nicht geimpft werden können», sagte sie nach Angaben der «B.Z.». «Es darf nicht dazu kommen, dass Kinder etwa wieder vom Theater oder Sport ausgenommen werden. Ich erwarte, dass hier schnell nachgebessert wird.»

Auch der Direktor des Deutschen Spionagemuseums in Berlin, Robert Rückel, zeigte sich in der rbb-«Abendschau» kritisch. Die Ausgestaltung, wie sie jetzt in Berlin sei, finde er katastrophal, weil es keine Ausnahmeregeln für Kinder geben solle. Auch der Leiter des Jugendtheaters Grips, Philipp Harpain, kündigte an, bei den 3G-Regeln bleiben zu wollen. Ähnlich ist es am Berliner Ensemble.

Bisher gilt 2G in Berlin nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts lediglich in Clubs und Diskotheken: Nur Geimpfte und Genesene dürfen rein und müssen in den Innenräumen dort keine Masken mehr tragen. Ungeimpfte bleiben außen vor - auch wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen können. Dabei soll es Kalayci zufolge bei diesen und anderen «Tanzlustbarkeiten» bleiben - hier greift das Optionsmodell also nicht.

Außerdem dürfen ausschließlich unter 2G-Bedingungen, also nur für Geimpfte und Genesene, bisher noch verbotene Bereiche wieder öffnen, wie die Senatorin erläuterte. Als Beispiele nannte sie «Prostitutionsveranstaltungen» oder Saunen mit Aufgüssen und Dampfbäder. Bei 3G bleibt es hingegen bei Gottesdiensten, Parteiversammlungen oder bei rechtlich vorgeschriebenen Treffen etwa von Betriebsräten oder Wohnungseigentümern. Auch im Einzelhandel ist Kalayci zufolge nicht daran gedacht, 2G einzuführen.

«Es geht um Schutz von Menschen, die nicht geimpft sind», begründete sie die neue Strategie. «Wir wissen einfach, dass bei einer Mischung aus Geimpften und nicht Geimpften (...) im Raum das Infektionsrisiko hoch ist.» Die SPD-Politikerin äußerte die Erwartung, dass sich angesichts von 2G noch mehr Menschen gegen Corona impfen lassen. Aus ihrer Sicht besteht beim 3G-Modell das «Missverständnis in der Gesellschaft, dass Testen reicht». Das sei aber nicht der Fall.

«Das Testen war natürlich ein Vehikel, um Zugang zu ermöglichen», erläuterte sie. «Aber inzwischen haben wir ein Impfangebot auch in ausreichender Form für alle Menschen. Deswegen ist unsere Erwartungshaltung, dass dieses Impfangebot auch in Anspruch genommen wird, so dass wir zu mehr Sicherheit kommen auch in Veranstaltungen.»

Aus Sicht von FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja wirft das 2G-Optionsmodell hingegen viele Fragen auf. «Nachdem die Impfkampagne der rot-rot-grünen Koalition gescheitert ist, soll nun Druck auf Nicht-Geimpfte ausgeübt werden», erklärte er. Damit werde der Weg geebnet für eine «Impfpflicht durch die Hintertür».

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte der dpa: «Das 2G-Modell ist zentral, um einen weiteren Lockdown zu verhindern.» Und weiter: «Für die Veranstaltungsbranche und die Gastronomie ist 2G eine Möglichkeit, um mehr Teilnehmende beziehungsweise Gäste empfangen zu können, weil Abstandspflichten und Obergrenzen für Geimpfte und Genesene deutlich gelockert werden können.» Zudem gebe die Regelung Unternehmen oder etwa der Messe Planungssicherheit für die kommenden Monate und die kalte Jahreszeit. (dpa)


 

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