Bundesernährungsministerin Julia Klöckner ruft zu weniger Lebensmittelabfällen auf

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Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat Verbraucher und Wirtschaft zu weiteren konkreten Schritten zum Eindämmen der Lebensmittelverschwendung aufgerufen. Nötig sei eine gemeinsame Kraftanstrengung, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch bei einer Konferenz mit Vertretern mehrerer Branchen und Verbände in Berlin. Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen gehe alle an. Um die Produktabgabe von Supermärkten an Tafeln zu erleichtern, fördert das Ministerium eine neue digitale Plattform mit 1,5 Millionen Euro.

Ziel der Regierung ist, Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Nach neuen Daten für 2015 landen knapp zwölf Millionen Tonnen pro Jahr auf dem Müll. Auf Privathaushalte entfällt laut den Berechnungen des bundeseigenen Thünen-Instituts gut die Hälfte der Gesamtmenge von 11,86 Millionen Tonnen (52 Prozent) - pro Kopf landen dort im Jahr etwa 75 Kilogramm Nahrungsmittel im Abfall. Von der Gesamtmenge wären laut Studie 6,7 Millionen Tonnen theoretisch vermeidbar.

Eine vom Kabinett beschlossene Strategie sieht dafür mehr Informationen, Forschungsförderung und eine Reihe von Maßnahmen auf freiwilliger Basis vor, damit weniger Produkte im Müll landen. Dafür sollen Zielmarken entlang der Lebensmittelkette festgelegt werden. Nach ersten Beratungen für die Außer-Haus-Verpflegung der Gastronomie startet nun auch ein Forum zu Verbesserungsmöglichkeiten im Handel.

DIE AUSGANGSLAGE: In Deutschland landen jedes Jahr knapp zwölf Millionen Tonnen im Müll. Auf Privathaushalte entfällt laut den Berechnungen des bundeseigenen Thünen-Instituts gut die Hälfte (52 Prozent) - pro Kopf wandern dort rechnerisch im Jahr etwa 75 Kilogramm Nahrungsmittel im Abfall. In der Verarbeitung entstehen 18 Prozent der Lebensmittelabfälle, in der Außer-Haus-Verpflegung 14 Prozent, in der Landwirtschaft 12 Prozent und im Groß- und Einzelhandel 4 Prozent. Von der Gesamtmenge wären laut Studie 6,7 Millionen Tonnen theoretisch vermeidbar.

DIE MAßNAHMEN:  Um Verluste zu vermeiden, sollen Prozesse in der Wirtschaft verbessert werden. Also etwa passendere Bestellmengen, kleinere und häufigere Warenlieferungen, ein Verteilen von Produkten zwischen Filialen, besondere Preisaktionen. In Restaurants gibt es Beispiele, wie von Buffets weniger im Müll landet. Mehr und mehr soll es normal werden, dass man übrig gebliebene Speisen einpacken und mit nach Hause nehmen kann. Die Abstimmung zwischen Supermärkten und Tafeln soll eine Smartphone-App erleichtern, die nun entwickelt wird. Damit könnten Lebensmittel leichter zwischen Tafeln vor Ort verteilt werden, erklärte Evelin Schulz, Geschäftsführerin des Dachverbands.

DIE VERBRAUCHER: Da auf Privathaushalte der Großteil der Abfälle entfällt, sollen sie stark in den Fokus. Für Verbraucher werde es aber keine «Nahrungsmittelpolizei» geben, die sich den Kühlschrank anschaue, sagte Klöckner. Es gehe um wachsendes Bewusstsein und Aufklärung. Denn mit jedem weggeworfenen Produkt würden Wasser, Energie, Rohstoffe, aber auch Arbeit und Herzblut vergeudet. Dabei seien auch Lockangebote problematisch. Wenn Nahrung so günstig sei, tue das Wegwerfen weniger weh, sagte Klöckner. Generell will sie auch Rechtsänderungen prüfen, hält aber nichts von einer Abgabepflicht für Geschäfte wie in Frankreich - ohne gehe es hierzulande schon besser.

REAKTIONEN: Die Lebensmittelwirtschaft unterstützt die Pläne der Politik. Es sei aber auch bei Vorschriften darauf zu achten, welche Folgen sie für zusätzliche Abfälle haben könnten. Und Zielkonflikte müssten offen diskutiert werden. «Auf der einen Seite wollen wir zum Schutz der Umwelt Verpackungsmaterial sparen», sagte der Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland, Philipp Hengstenberg. «Das Problem ist aber, dass manch unverpackte Lebensmittel nicht so lange haltbar sind wie verpackte.» Grünen-Expertin Renate Künast kritisierte: «Warme Worte und freiwillige Maßnahmen reichen nicht, um die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren.» Nötig seien endlich verbindliche Maßnahmen, die alle Teile der Kette in die Pflicht nehmen. Dazu gehöre ein Anti-Wegwerf-Gesetz für den Handel. (dpa)


 

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