„Corona unter Kontrolle“: Dänemark hebt alle Beschränkungen auf

| Politik Politik

Vor anderthalb Jahren reagierte Dänemark besonders früh und drastisch auf die ersten Corona-Fälle. Auch beim Zurückfahren der Maßnahmen ist Deutschlands nördlicher Nachbar schnell. Nun verschwinden die letzten Beschränkungen - und Covid-19 verliert seine bisherige Einstufung.

Wer durch die Innenstadt von Kopenhagen schlendert, der fragt sich schon seit längerem, ob eigentlich noch Pandemie ist. Rund um den Strøget, der langgezogenen Fußgängerzone der dänischen Hauptstadt, ist wie im Rest des Landes im Laufe des Sommers nach und nach so etwas wie Normalität eingekehrt, während die eine Corona-Beschränkung nach der nächsten gelockert wurde.

Nachdem im Frühjahr zunächst die Schulkinder in ihre Klassenzimmer zurückkehrten, durften Restaurants und Bars wieder Gäste bedienen, sofern diese einen Corona-Pass vorzeigen konnten. Mit diesem kleinen Hilfsmittel, mit dem man per App Corona-Impfung, -Test oder -Genesung vorzeigen kann, konnten wenig später auch wieder Kinos, Theater, Fitnessstudios und andere Einrichtungen öffnen. Fußball-Europa staunte im Juni, wie dicht gedrängt und lautstark die dänischen Zuschauer bei den EM-Partien im Kopenhagener Stadion Parken mitfiebern konnten. Die Vorgabe zum Arbeiten aus dem Homeoffice wurde ebenfalls zurückgefahren, schließlich fiel auch die Maskenpflicht.

Während sich das Leben im Land so zuletzt schon fast beschränkungsfrei angefühlt hat, geht Dänemark an diesem Freitag noch einen Schritt weiter: Genau anderthalb Jahre nach der Einführung von ersten weitreichenden Corona-Maßnahmen werden nun auch die letzten bestehenden Restriktionen aufgehoben – und das EU-Land hofft, diesen Beschränkungen ein für alle Mal Lebewohl sagen zu können.

«Die Pandemie ist nicht ganz überstanden, aber wir haben ihr den Zahn gezogen», sagt Lone Simonsen, Pandemieforscherin an der Universität Roskilde. «Wir haben die Verbreitung des Virus noch nicht gestoppt, aber die Hospitalisierung und die Todesfälle.» Hauptgrund dafür sei die hohe Impfrate. Mehr als 96 Prozent aller Menschen über 60 Jahren seien fertig geimpft - und das seien diejenigen mit dem größten Risiko für eine schwere Erkrankung.

Unter anderem deshalb wird Covid-19, die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Erkrankung, ab Freitag nicht mehr länger als «gesellschaftskritische Krankheit» kategorisiert. Das mag nach einer drögen Formalie klingen, hat aber ganz konkrete Auswirkungen für die Menschen: Die Einstufung machte die Einführung bestimmter Regeln erst möglich, etwa ein Versammlungsverbot, die Maskenpflicht oder die Vorgabe, mit dem Corona-Pass zum Beispiel im Restaurant oder Fitnessstudio vorzeigen zu müssen, dass man geimpft, genesen oder getestet worden ist.

«Die Epidemie ist unter Kontrolle. Wir haben rekordhohe Impfraten», jubelte Gesundheitsminister Magnus Heunicke bei der Ankündigung Ende August. Seine Regierung habe versprochen, an den Maßnahmen nicht länger als notwendig festzuhalten - und an diesem Punkt sei man nun angelangt. Zugleich machte er klar: «Aber auch wenn wir uns derzeit in einer guten Position befinden, sind wir aus der Epidemie nicht heraus. Die Regierung wird nicht zögern, schnell zu handeln, wenn die Pandemie wieder wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft bedroht.»

Die letzten Beschränkungen im Land fallen nun weg, etwa das Vorzeigen des Corona-Passes, wenn man zu Großveranstaltungen wie Fußballspielen oder in eine der gerade erst wieder geöffneten Diskotheken gehen will. Empfehlungen etwa zum Abstand halten werden die dänischen Gesundheitsbehörden jedoch weiterhin aussprechen.

Dänemark mit seinen 5,8 Millionen Einwohnern hat im Vergleich zu anderen Ländern besonders viel getestet, jeweils mehr als 40 Millionen PCR- und Schnelltests wurden gemacht. Rund 350 000 Menschen haben sich nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt, knapp 2600 sind in Verbindung mit einer Erkrankung gestorben. Interessant dabei ist, dass die Neuinfektionszahlen pro Einwohner seit längerem höher als in Deutschland sind. In den Vergleichszahlen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC lag Dänemark bei der 14-Tages-Inzidenz der vergangenen beiden Wochen weiter leicht vor der Bundesrepublik.

Forscherin Lone Simonsen hält die Öffnung dennoch für richtig. «Wir müssen nicht mehr auf die Infektionszahlen schauen, sondern auf die Anzahl der Krankenhauspatienten», sagt sie. Dieser Wert ist mit derzeit rund 130 Patienten verhältnismäßig niedrig. Doch für die, die nicht geimpft sind, sehe es schlimm aus, sagt sie. «Wenn du nicht geimpft bist, wirst du dem Virus im Herbst oder Winter begegnen.»

Auch wenn die Dänen nun trotzdem optimistisch in die Zukunft blicken, kann ein neuer Lockdown nicht komplett ausgeschlossen werden. «Wenn wir Virus-Mutationen bekommen, gegen die die Impfstoffe nicht helfen, können wir so nicht weitermachen», warnt Simonsen. Die Aufhebung der Beschränkungen und der Massentests werde vermutlich dazu führen, dass man in Zukunft weniger über den Verlauf der Pandemie weiß. «Jetzt müssen wir die neuen Krankenhauseinweisungen genau beobachten. Die zeigen, ob sich die Epidemie-Intensität ändert und ob es Hinweise auf ein Versagen des Impfstoffs gibt.»  (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Europäische Kommission hat heute Booking Holdings, die Muttergesellschaft von Booking.com, als Gatekeeper-Plattform im Sinne des Digital Markets Act benannt. Booking.com hat nun sechs Monate Zeit, um alle Gebote und Verbote als Gatekeeper zu erfüllen.

Der DEHOGA Bundesverband macht noch einmal auf die Frist für die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungs-, November- und Dezemberhilfen) aufmerksam: Diese können nach der letztmaligen Fristverlängerung vom März noch bis zum 30. September 2024 eingereicht werden.

Mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni starten die in der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand zusammengeschlossenen Verbände einen gemeinsamen Wahlaufruf mit Reformvorschlägen.

Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern drückt beim geplanten Cannabis-Verbot, insbesondere für Volksfeste und Biergärten, aufs Tempo. Zudem soll das Kiffen auch in ausgewiesenen Raucherräumen und Raucherbereichen verboten werden.

Einen Monat vor der Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni haben der Hotelverband Deutschland und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband den detaillierten Forderungskatalog des Gastgewerbes an die europäische Politik der Öffentlichkeit präsentiert.

Als erstes Bundesland wird Bayern seine Städte und die ländlichen Räume bei der Akquisition von Tagungen und Kongressen aktiv unterstützen. Dazu hat die Bayerische Tourismusministerin Michaela Kaniber eine Initiative für Bayerns Kongresswirtschaft vorgestellt.

Das Handelsblatt hat eine interne Aufstellung aus dem Finanzministerium, die Sparvorschläge in Höhe von neun Milliarden Euro vorsieht, veröffentlicht. Ganz oben auf der Liste: die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertag- und Nachtzuschlägen. Nach Gesprächen mit politisch Verantwortlichen stellt der DEHOGA die Dinge richtig.

Die Gewerkschaft Verdi und die Grünen im Bundestag haben sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen. Sie verwiesen erneut auf eine entsprechende EU-Richtlinie.

„Die Erhöhung der Luftverkehrssteuer ist falsch und belastend“, betont der Präsident des Deutschen Reiseverbandes anlässlich der zum 1. Mai anstehenden Umsetzung der im Februar von der Bundesregierung beschlossenen Anhebung um fast 20 Prozent.

Woher kommt der Honig? Wie viel Obst ist in der Konfitüre? Und was macht einen Fruchtsaft aus? Ein nun endgültig beschlossenes EU-Gesetz soll für mehr Klarheit auf dem Etikett sorgen.