EU-Staaten und Europaparlament einigen sich auf einheitliche Standards für Mindestlöhne

| Politik Politik

EU-Staaten und Europaparlament haben sich auf einheitliche Standards für Mindestlöhne in der Europäischen Union geeinigt. Nach Angaben des Verhandlungsführers des Europäischen Parlaments, Dennis Radtke (CDU), beinhaltet der Kompromiss Standards, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen. Zudem sehe das Gesetzesvorhaben vor, dass EU-Länder Aktionspläne festlegen müssen, um die Tarifbindung zu steigern, wenn deren Quote unter 80 Prozent liegt, sagte er am Dienstag. Das Leben von Millionen Beschäftigten werde sich erheblich verbessern.

Die EU-Länder teilten mit, dass gesetzliche Mindestlöhne künftig mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden sollen. Eine Ausnahme gebe es für Länder, die einen automatischen Indexierungsmechanismus anwenden - etwa wenn Gehälter automatisch mit der Inflation steigen. Hier gelte eine Frist von vier Jahren. Die Sozialpartner müssen den Angaben zufolge an den Verfahren zur Festlegung und Aktualisierung der Mindestlöhne beteiligt werden.

Beide Seiten müssen den Kompromiss noch formell bestätigen. Dann haben die EU-Länder zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu übertragen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bezeichnete das 80-Prozent-Ziel als ehrgeizigen Plan. «Aber wir haben Instrumente, die das möglich machen - etwa ein Tariftreuegesetz des Bundes, damit öffentliche Aufträge an Unternehmen gehen, die Tariflohn zahlen», sagte der SPD-Politiker am Rande eines OECD-Treffens in Paris. «Gerade der Wert der Arbeit muss in ganz Europa eine Bedeutung haben: Wer arbeitet, muss vernünftig davon leben können - das gilt in Stockholm und Lissabon genauso wie in Berlin und Bukarest.»

In Deutschland war jüngst beschlossen worden, dass der Mindestlohn vom 1. Oktober an auf zwölf Euro steigen soll. Damit hat Deutschland bereits einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. Nur in Luxemburg wird mehr gezahlt, wie aus Angaben des Statistischen Bundesamtes und des Bundesarbeitsministeriums hervorgeht. Jedoch liegt die Tarifbindungsquote der Bundesrepublik - also wie viele Arbeitnehmer von Tarifverträgen profitieren - deutlich unter den nun angestrebten 80 Prozent. Deutschland lag laut Statistischem Bundesamt 2019 bei 44 Prozent.

Im Oktober 2020 hatte die EU-Kommission bereits einen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Bei der nun erfolgten Einigung bestand die Herausforderung, dass die EU-Verträge enge Grenzen setzen: Die Europäische Union darf keine konkreten Lohnhöhen vorgeben, sondern nur Leitlinien erlassen. Auch deswegen waren vor allem nordische Länder kritisch, die zwar keinen gesetzlichen Mindestlohn, aber eine verhältnismäßig hohe Tarifbindung haben. Sie fürchten, dass sich Brüssel zu sehr in nationale Angelegenheiten einmischt.

Dänemarks Arbeitsminister Peter Hummelgaard zeigte sich enttäuscht von den Verhandlungen. Es gebe keinen Zweifel, dass Dänemark nie ein EU-Gesetz zu Mindestlöhnen wollte. Man werde sich die nun ausgehandelte Einigung genau ansehen, so der Minister. Kritik äußerte auch der deutsche Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: «Europäische Kriterien zur Angemessenheit von nationalen Mindestlöhnen werden die Lohnfestsetzung weiter gefährlich politisieren.» Er forderte Deutschland auf, gegen das Gesetzesvorhaben zu stimmen.

Lob gibt es hingegen von den Grünen: «Viele Bürgerinnen und Bürger kämpfen darum, über die Runden zu kommen, und deshalb muss diese Vereinbarung so schnell wie möglich in höhere Löhne umgesetzt werden», sagte Katrin Langensiepen, stellvertretende Vorsitzendes des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Europaparlament.

Nicht durchsetzen konnte sich das EU-Parlament in den Verhandlungen mit der Forderung, die Höhe von Mindestlöhnen anhand von Durchschnittswerten festzulegen. «Wir haben jetzt eine Cola light, aber mit sehr viel Geschmack», sagte Radtke. Man gebe eine sehr klare Empfehlung an die EU-Staaten. Diese sei, dass Mindestlöhne fair und gerecht seien, wenn sie 60 Prozent des Median-Einkommens und 50 Prozent des Durchschnittseinkommens abbilden.

Der Median wird auch mittlerer Lohn genannt und ist eine Rechengröße: 50 Prozent der Arbeitnehmer verdienen mehr, 50 Prozent weniger. Mit einem Mindestlohn von zwölf Euro kommt man nach Angaben des Arbeitsministeriums auf 2064 Euro - zum Vergleich: Die Hälfte des Durchschnittslohns in Deutschland sind demnach rund 1988 Euro, 60 Prozent des Medians sind etwa 2056 Euro. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Als erstes Bundesland wird Bayern seine Städte und die ländlichen Räume bei der Akquisition von Tagungen und Kongressen aktiv unterstützen. Dazu hat die Bayerische Tourismusministerin Michaela Kaniber eine Initiative für Bayerns Kongresswirtschaft vorgestellt.

Das Handelsblatt hat eine interne Aufstellung aus dem Finanzministerium, die Sparvorschläge in Höhe von neun Milliarden Euro vorsieht, veröffentlicht. Ganz oben auf der Liste: die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertag- und Nachtzuschlägen. Nach Gesprächen mit politisch Verantwortlichen stellt der DEHOGA die Dinge richtig.

Die Gewerkschaft Verdi und die Grünen im Bundestag haben sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen. Sie verwiesen erneut auf eine entsprechende EU-Richtlinie.

„Die Erhöhung der Luftverkehrssteuer ist falsch und belastend“, betont der Präsident des Deutschen Reiseverbandes anlässlich der zum 1. Mai anstehenden Umsetzung der im Februar von der Bundesregierung beschlossenen Anhebung um fast 20 Prozent.

Woher kommt der Honig? Wie viel Obst ist in der Konfitüre? Und was macht einen Fruchtsaft aus? Ein nun endgültig beschlossenes EU-Gesetz soll für mehr Klarheit auf dem Etikett sorgen.

Das EU-Parlament hat die neue Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung angenommen. Ein Verbote von Kleinstverpackungen wurden nach massiver Kritik überarbeitet. Auch eine Verpflichtung zum Angebot kostenfreien Leitungswassers in Restaurants wurde abgewendet. Das berichtet der DEHOGA.

Seit mehr als einem Jahr gilt die Mehrwegangebotspflicht bei Speisen und Getränken zum Mitnehmen. Kritiker beklagen die mangelnde Umsetzung des Gesetzes. Der BUND will nun nachsteuern.

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.