Die mögliche neue Regierungskoalition aus Union und SPD will den Zahlungsverkehr in Deutschland reformieren – und zwar deutlich: Künftig sollen alle Gewerbetreibenden verpflichtet werden, neben Bargeld auch mindestens eine elektronische Bezahlmöglichkeit anzubieten. Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi erklärt in der Welt am Sonntag: „Wir setzen uns für eine echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein.“
Das Vorhaben ist Teil der laufenden Koalitionsverhandlungen. Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Haushalt, Steuern und Finanzen ist die Forderung bereits festgehalten: Koalitionspapier, das als Grundlage für die Verhandlung einer neuen Regierung gilt, steht: „Wir stellen sicher, dass jeder weiterhin selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt. Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir. Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden muss.“ Die Union bestätigte laut WamS zumindest die Existenz entsprechender Pläne.
Ziel dieser Maßnahme sei vor allem die Bekämpfung von Steuerbetrug, besonders in bargeldintensiven Branchen wie der Gastronomie. „Unser Ziel ist es, in bargeldintensiven Bereichen wie beispielsweise der Gastronomie den Steuerbetrug zu bekämpfen und so die vielen steuerehrlichen Unternehmer zu schützen“, so Schrodi. Als begleitende Maßnahme ist zudem eine allgemeine Registrierkassenpflicht geplant. Der SPD-Politiker fordert: „Die Zeit der offenen Ladenkassen muss vorbei sein.“
Die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Zahlungsoption würde bedeuten, dass künftig auch alltägliche Einkäufe – etwa ein Brötchen beim Bäcker – per Karte bezahlt werden können. Damit würden Schlupflöcher für Steuerhinterziehung, wie das Führen von sogenannten „zweiten Kassen“, geschlossen.
Doch der Plan stößt auf gemischte Reaktionen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnt vor zusätzlichen Belastungen für Betriebe, die ohnehin bereits unter Druck stünden. Verbandsjurist Jürgen Benad sagte der Welt am Sonntag „Angesichts steigender Betriebskosten und sinkender Erträge stellt dies eine zusätzliche Belastung für die Betriebe dar“. Kartenzahlungen und mobile Bezahlverfahren seien für Gäste ohne Zweifel bequem, verursachten für Gastronomen jedoch zusätzliche Kosten, wie Miet- und Servicegebühren für Kartenlesegeräte sowie Transaktions- und Umsatzgebühren .
„Wäre es nicht besser, die Akzeptanz zu fördern statt diese zu erzwingen? Wäre es nicht besser, für kostengünstige unbare Zahlarten zu sorgen statt die Anbieter zu stärken? Wäre es nicht besser, den Gewerbetreibenden die Wahlfreiheit über ihre Geschäftsführung zu lassen statt sie mit umfangreichen Vorschriften zu vergattern ohne Gewissheit, dass die Akzeptanz auch gelebt würde?“, schrieb Ulrich Binnebößel, vom Handelsverband Deutschland (HDE) auf LinkedIn.
Anders die Deutsche Steuergewerkschaft: Sie begrüßt die Initiative. Bundesvorsitzender Florian Köbler sagte: „Wenn jeder mit Karte zahlen würde, wären die Steuereinnahmen sehr viel höher.“
Tatsächlich zeigen Schätzungen, dass dem Staat durch Steuerhinterziehung in barlastigen Branchen jährlich zehn bis 15 Milliarden Euro an Umsatz- und Gewinnsteuern entgehen. Rechnet man entgangene Lohnsteuern und Sozialabgaben durch Schwarzarbeit hinzu, könnte der Gesamtschaden bis zu 70 Milliarden Euro pro Jahr betragen.
Ob sich das Vorhaben tatsächlich im Koalitionsvertrag wiederfindet, bleibt abzuwarten – die SPD gilt als überzeugt, bei der CDU bestehen laut WamS teils noch Vorbehalte. Fest steht: Der Trend zur Kartenzahlung hält an – und könnte bald zur gesetzlichen Norm werden.