Lauterbach erwartet viele Corona-Hotspots im Frühling

| Politik Politik

Wegen der Infektionslage müssen sich die Menschen in Deutschland aus Sicht von Gesundheitsminister Karl Lauterbach auch nach dem Frühlingsanfang auf Corona-Auflagen einstellen. «Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung», sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin mit Blick auf wieder stark steigende Infektionszahlen. Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hält die Lage für angespannt und mahnte zu großer Achtsamkeit. Binnen eines Tages gab es laut RKI 252 836 Corona-Neuinfektionen und 249 Todesfälle. In 10 von 16 Bundesländern stieg die 7-Tage-Inzidenz laut jüngstem RKI-Wochenbericht in der vergangenen Woche an.

Lauterbach bezeichnete die Lage als kritisch. Die noch ansteckendere Omikron-Variante BA.2 gewinne immer mehr an Bedeutung. «Wir können nicht zufrieden sein mit einer Situation, wo 200 bis 250 Menschen jeden Tag sterben und die Perspektive die ist, dass in einigen Wochen noch mehr Menschen daran versterben.» Eine Fehleinschätzung sei es, dass Omikron nicht töte - Ungeimpfte trügen bei einer Infektion ein tödliches Risiko. Geimpfte könnten schwer erkranken oder langfristige Symptome haben.

Lauterbach verteidigte seinen gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten Entwurf für Schutzmaßnahmen über den Frühlingsanfang hinaus. Demnach sollen allgemeine Basismaßnahmen möglich sein und weitergehende Eingriffsmöglichkeiten in «Hotspots» mit kritischer Infektionslage. Bund und Ländern hatten beschlossen, zum 20. März sollten alle weitgehenden Beschränkungen wegfallen.

Es könne zwar sein, dass nach der Öffnung die Inzidenzen weiter steigen, sagte Lauterbach. Aber auch laut dem neuen Gesetzentwurf könnten die Länder alle nötigen Mittel weiter per Landtagsbeschluss ermöglichen. «Bei der Entwicklung der Fallzahlen erwarte ich zahlreiche Hotspots in vielen Bundesländern.» Auch ein ganzes Land könne ein Hotspot sein. «Wir werden dieses Gesetz sehr schnell einsetzen müssen», so Lauterbach. Er forderte die Länder auf, sich nicht mit Kritik am Gesetz aufzuhalten, sondern die Nutzung vorzubereiten. Mehrere Länder hatten mehr Instrumente gefordert.

Der Minister rechtfertigte es, dass weitergehende Beschränkungen in einzelnen Gebietskörperschaften an eine hohe Klinikbelastung wegen vieler Neuinfektionen oder an gefährlichere Virusvarianten geknüpft werden sollen. Freiheitseingriffe müssten gerechtfertigt werden, um eine rechtssichere Regelung zu haben. Lauterbach sprach sich dafür aus, dass sich die Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) auf einheitliche Schwellenwerte für schärfere Hotspotregeln einigen.

Wenige Tage vor der nächsten MPK am kommenden Donnerstag kritisierte der derzeitige MPK-Vorsitzende, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), den Lauterbach-Buschmann-Entwurf. «Weitgehend flächendeckend verabredete Basisschutzmaßnahmen und bewährte Instrumente der Pandemiebekämpfung werden abgeschafft, stattdessen zeichnet der Entwurf einen Flickenteppich an Regeln vor, den die Menschen kaum verstehen werden», sagte Wüst der «Welt». NRW-SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty mahnte in der «WAZ»: «Das Virus richtet sich nicht nach dem Terminkalender. Auch nach dem 19. März müssen wir deshalb weiterhin mit Vorsicht unterwegs sein.»

RKI-Präsident Wieler sagte: «Aktuell werden wieder mehr als 1000 Todesfälle pro Woche an das RKI übermittelt - und zwar mit steigender Tendenz.» Vorsicht ist aus Sicht von Wieler in Deutschland weiter das Gebot der Stunde. Wo immer es gehe, solle man Menschenansammlungen meiden. «Die vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft sind auf diesen Schutz angewiesen.»

Jördis Frommhold, Chefärztin der Median-Klinik in Heiligendamm, warnte davor, Long Covid zu unterschätzen. Mehrere hunderttausend Menschen seien von diesen Covid-Langzeitfolgen betroffen. «Es sind die jungen, die sportlichen, die dynamischen Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben.» Wieler sagte, ein Teil dieser Menschen bleibe längerfristig stark eingeschränkt.

Lauterbach und Wieler bekräftigten ihre Impfappelle und betonten, viele schwere Verläufe, Todesfälle und Langzeitfolgen könnten durch die Impfung vermieden werden. Lauterbach unterstrich erneut, dass die allgemeine Impfpflicht unbedingt nötig sei, um neue breite Beschränkungen im Herbst zu vermeiden. Für den Herbst gebe des vier mögliche Szenarien bei der Virussituation: ein Vorherrschen von Omikron wie derzeit, die Verbreitung eines noch gefährlicheren Omikron-Typs, die erneute Verbreitung der Delta-Variante oder eine neue Variante mit Omikron- und Delta-Eigenschaften. «Unter allen Szenarien brauchen wir die Impfpflicht», sagte Lauterbach.

Unterdessen erhalten die Arztpraxen ab 21. März Impfstoff des US-Herstellers Novavax, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung mitteilte. Der Impfstoff steht seit Ende Februar in Deutschland zur Verfügung und wurde zunächst nur an die Länder geliefert. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Tübingen ist vorgeprescht: Kaffeebecher und andere Einwegverpackungen werden in der Uni-Stadt besteuert. Andere Kommunen wollen jetzt nachziehen. Doch es gibt noch ein rechtliches Problem. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.

Die Bürokratie in Deutschland ist immens. Die Bundesregierung kündigt mit großen Worten eine Entrümpelung an. Der DEHOGA sagt: Das reicht noch lange nicht. Der Verband sagt, dass insgesamt immer noch viel zu wenig Bürokratieentlastung im Betriebsalltag der Unternehmen ankomme.

Bund und Länder haben sich, wie insbesondere von den Steuerberatern gefordert und vom DEHOGA unterstützt, auf eine letztmalige Fristverlängerung für die Schlussabrechnung bei den Coronahilfen bis Ende September 2024 geeinigt, sofern eine Fristverlängerung bis zum 31. März 2024 beantragt und bewilligt wurde.