Offener Brief - Schwarzwald-Bürgermeister für ermäßigte Gastro-Mehrwertsteuer

| Politik Politik

Mehrere Kommunen in der Tourismusregion Hochschwarzwald haben eine Beibehaltung der vergünstigten Mehrwertsteuer von sieben Prozent für Speisen in der Gastronomie gefordert. «Der Tourismus ist nicht nur ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, unsere gastgewerblichen Betriebe sind auch von unschätzbarem Wert für das gesell schaftliche Leben in unserer Region», heißt es in einem am Dienstag in Hinterzarten (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) veröffentlichten Brief von 21 Bürgermeistern an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die Rathauschefs befürchten unter anderem eine weitere Ausdünnung des gastronomischen Angebots in der vom Tourismus abhängigen Region.

Um die Branche während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen im Restaurant von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. 

Der offene Mehrwersteuer-Brief der Bürgermeister im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

wir, die Unterzeichnenden, sind 21 Bürgermeister aus dem Hochschwarzwald und repräsentieren die Gemeinden, die der Hochschwarzwald Tourismus GmbH angeschlossen sind. Wir möchten mit diesem Schreiben unsere ernsten Bedenken hinsichtlich der Debatte um die Aufhebung der Steuerreduzierung auf Speisen in der Gastronomie zum Ausdruck bringen. Der Tourismus ist nicht nur ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, unsere gastgewerblichen Betriebe sind auch von unschätzbarem Wert für das gesellschaftliche Leben in unserer Region.

Wir fordern dringend die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von 7% für Speisen in Gastronomiebetrieben. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) hat bereits darauf hingewiesen, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie schon in 23 EU-Staaten Gesetz ist. Das ist von entscheidender Bedeutung, um unseren gastgewerblichen Unternehmern die notwendige Sicherheit und Perspektive zu bieten.

Wenn ab 1. Januar 2024 für Essen in Restaurants, Gasthäusern und Cafés wieder 19% Mehrwertsteuer fällig würden, droht laut einer aktuellen Umfrage des DEHOGA-Bundesverbandes der Verlust von bundesweit 12.000 Betrieben. In Baden-Württemberg wären laut DEHOGA rund 2.000 gastgewerbliche Betriebe akut von der Schließung bedroht. Vor dem Hintergrund der jetzt schon spürbaren Ausdünnung des gastronomischen Angebotes ist das mehr als besorgniserregend. Unsere gastgewerblichen Betriebe sind lebendige Bestandteile unserer Innenstädte und ländlichen Regionen. Als Orte der Begegnung und des gesellschaftlichen Austauschs sind sie heute für den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden wichtiger denn je.

Eine Insa-Umfrage von Anfang September 2023 im Auftrag des DEHOGA zeigt, dass 86 Prozent der Befragten die Gastronomie regelmäßig nutzen, während 58 Prozent angeben, seltener essen zu gehen, wenn die Steuern erhöht werden. 67 Prozent der Menschen sind gegen eine Steuererhöhung.

Die aktuellen Aussichten für die Gastronomie sind düster, da die Betriebe gezwungen wären, die Kosten-steigerungen infolge einer Steuererhöhung an die Gäste weiterzugeben. Dies würde laut DEHOGA-Umfrage zu durchschnittlichen Preissteigerungen von 18,2 Prozent führen. Die Gastronomen haben keine Spielräume mehr, um weitere Kostensteigerungen zu kompensieren. Dazu tragen auch die dramatischen Anstiege bei Energiekosten, Lebensmittelpreisen und Personalkosten bei.

Eine Steuererhöhung würde zwangsläufig zu weniger Gästen, Umsatzverlusten und weiteren Betriebsschließungen führen. 75,1 Prozent der Betriebe gehen davon aus, dass die Gästezahlen stark sinken würden. Lediglich 42,2 Prozent glauben, sich am Markt behaupten zu können.

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen appellieren wir an Sie, Herr Ministerpräsident, sich für eine Entfristung des 7%-Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie einzusetzen. Dazu gehört aus unserer Sicht nicht nur die Zustimmung Baden-Württembergs zu einer entsprechenden Regelung im Bundesrat, sondern auch ein aktives Einwirken auf die bundespolitischen Entscheidungsträger in Ihrer Partei, wo Ihr Wort als Ministerpräsident eines bedeutenden Tourismuslandes besonderes Gewicht hat.
Dies wäre nicht nur eine wirksame Unterstützung für eine wichtige Branche, sondern auch für die vielen Menschen, die von dieser Arbeit leben, sowie für die Bürgerinnen und Bürger, die diese Orte als wichtige soziale Treffpunkte schätzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Engagement für die Interessen unserer Region und unserer gastgewerblichen Betriebe.

Mit freundlichen Grüßen,

Die 21 Bürgermeister im Hochschwarzwald:
- Josef Haberstroh, Bürgermeister der Gemeinde Breitnau
- Karlheinz Rontke, Bürgermeister der Gemeinde Eisenbach
- Johannes Albrecht, Bürgermeister der Gemeinde Feldberg
- Josef Matt, Bürgermeister der Gemeinde Friedenweiler
- Josef Herdner, Bürgermeister der Stadt Furtwangen
- Christian Behringer, Bürgermeister der Gemeinde Grafenhausen
- Thomas Kaiser, Bürgermeister der Gemeinde Häusern
- Klaus-Michael Tatsch, Bürgermeister der Gemeinde Hinterzarten
- Andreas Graf, Bürgermeister der Gemeinde Lenzkirch
- Tobias Link, Bürgermeister der Gemeinde Löffingen
- Jürgen Kaiser, Bürgermeister der Gemeinde Schluchsee
- Jörg Frey, Bürgermeister der Gemeinde Schonach
- Christian Wörpel, Bürgermeister der Gemeinde Schönwald
- Adrian Probst, Bürgermeister der Stadt St. Blasien
- Michael Rieger, Bürgermeister der Stadt St. Georgen
- Manfred Kreutz, Bürgermeister der Gemeinde St. Märgen
- Rudolf Schuler, Bürgermeister der Gemeinde St. Peter
- Dr. Gerrit Reeker, Bürgermeister der Stadt Titisee-Neustadt
- Marcel Schneider, Bürgermeister der Gemeinde Todtmoos
- Oliver Fiedel, Bürgermeister der Stadt Todtnau
- Tobias Gantert, Bürgermeister der Gemeinde Ühlingen-Birkendorf


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Reinhard Meyer ist Präsident des Deutschen Tourismusverbands. Er äußert sich unzufrieden über fehlende Leitlinien der Politik für die Branche. Und fordert eine Strategie, «die ihren Namen verdient».

Der DEHOGA im Südwesten hat bei seinem Landesdelegiertentag in Stuttgart die Mitglieder auf die anstehende Bundestagswahl eingeschworen. Unterstützung kam vom CDU-Vorsitzenden in Baden-Württemberg, Manuel Hagel, der mit „Mann und Maus“ für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen kämpfen will.

In Berlin dachte man eigentlich im Regierenden Bürgermeister Kai Wegner von der CDU einen Verbündeten zu haben. Jetzt hat die schwarz-roten Koalition angekündigt, die City Tax auf 7,5 Prozent zu erhöhen. Der Verband, der von den Plänen aus den Medien erfuhr, setzt dem Politiker eine Frist und will eine Erhöhung gegebenenfalls juristisch abwenden.

Statt des vom DEHOGA geforderten „Mehr Netto vom Brutto“ rollt der Zug bei den Sozialversicherungsbeiträgen weiter in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2025 werden sowohl in der Kranken- als auch in der Pflegeversicherung die Beiträge steigen.

Viele Beschäftigte gehen bald in den Ruhestand, gleichzeitig werden weniger Menschen geboren - Unternehmen suchen händeringend Arbeitskräfte. Sachsen-Anhalt will bei der Anwerbung unterstützen.

Ab April 2025 wird in Magdeburg eine Beherbergungssteuer für Übernachtungsgäste fällig. Das Steueraufkommen soll zunächst vollständig in den allgemeinen Haushalt fließen, um bestehende Defizite auszugleichen.

Der Deutsche Reiseverband wendet sich anlässlich der derzeit in Baku stattfindenden Weltklimakonferenz gegen die Forderung von UN-Generalsekretär António Guterres, Flug- und Seereisen mit Abgaben zu belegen, um damit Hilfen für Entwicklungsländer aufzustocken.

Die NGG empfiehlt ihren Tarifkommissionen fünf bis sieben Prozent mehr Geld, die unbefristete Übernahme von Auszubildenden im erlernten Beruf nach erfolgreich bestandener Ausbildung und Arbeitszeitentlastung.

In Berlin fand jetzt der DEHOGA Branchentag statt. Neben der Spitzenpolitik standen auch Branchen-Insider sowie Experten aus der Wissenschaft auf der Bühne, sprachen über ihre Positionen und gaben Einblicke. Mehr als 650 Hoteliers und Gastronomen kamen in die Bolle-Säle nach Berlin. Eine Bildergalerie.

Im kleinsten EU-Land leben nur etwas mehr als eine halbe Million Menschen. Aber pro Jahr kommen etwa drei Millionen Touristen. Jetzt will man sich bemühen, dass der Wohnungsmarkt nicht mehr so leidet.