Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag eine industriepolitische Offensive angekündigt und Oppositionsführer Friedrich Merz scharf angegriffen. Noch vor Ende des Monats will der SPD-Politiker Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt einladen, um über Wege aus der Wirtschaftsflaute zu sprechen. «Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland.»
Scholz verlangt von Merz Respekt vor Arbeitnehmern
Vom CDU-Vorsitzenden Merz verlangte Scholz Respekt vor denjenigen, die arbeiteten und die von der Ampel immer wieder gezielt entlastet würden. «Respekt vor denen die arbeiten heißt übrigens nicht, dass man sie alle jeden Morgen einmal als faul beschimpft, wie das in der Union offenbar Mode geworden ist», rief der Kanzler und fügte hinzu: «Herr Merz kann gar nicht aus dem Bett steigen, ohne einmal zu sagen: Hier wird zu wenig gearbeitet.»
Merz: «Fast schon verzweifelte Wahlkampfrede»
Merz warf Scholz im Gegenzug vor, den Bundestag für Wahlkampf zu missbrauchen. Statt einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel habe das Parlament eine «vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede» des Bundeskanzlers gehört, der «mit dem Rücken zur Wand» und mit den Füßen am Abgrund stehe. Er warf Scholz vor allem vor, kein Wort zur Migration gesagt zu haben.
«Neue industriepolitische Agenda»
Anlass für die Regierungserklärung des Kanzlers war der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel, bei dem es unter anderem um Wettbewerbsfähigkeit geht. In Deutschland müsse besonders um die Industrie gekämpft werden, sagte Scholz. Deutschland sei ein Industrieland und der «Verlockung vieler anderer nicht erlegen, die gesagt haben, Industrie kann man abschreiben. Finanzplätze sind das Einzige, was man braucht».
Darum müsse man jetzt zusammen mit der Industrie, an der Millionen Arbeitsplätze hingen, «darum kämpfen, dass wir diese Grundlage unseres Wohlstands erhalten». Über das hinaus, was die Ampel-Regierung bereits auf den Weg gebracht habe, sei er dafür, «eine neue industriepolitische Agenda (zu) vereinbaren, von der alle profitieren».
Kanzler verspricht Israel Waffen
Beim EU-Gipfel wird es auch um die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine gehen. In der aufgeheizten Debatte über die Waffenlieferungen an Israel machte Scholz erneut ein klares Versprechen: «Es gibt Lieferungen und wird auch immer weitere Lieferungen geben. Darauf kann sich Israel verlassen», sagte er.
Die Terrormiliz Hamas habe Israel vor etwas mehr als einem Jahr angegriffen. Deutschland müsse Israel «in der Lage halten, sein Land zu verteidigen», betonte Scholz. «Israel kann sich auf unsere Solidarität verlassen - jetzt und in aller Zukunft.» Zwischen März und Mitte August hatte es keine Lieferungen von Kriegswaffen mehr an Israel gegeben. Ob es sie aktuell gibt, ist unklar.
Gleichzeitig erklärte der Kanzler, dass es auch weiterhin der humanitären Hilfe für die Menschen in Gaza bedürfe und die Regeln des Völkerrechts im Nahost-Krieg eingehalten werden müssten. Es brauche außerdem auch eine Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern, sagte Scholz.
Wann telefoniert Scholz mit Putin?
Der Ukraine sicherte Scholz zu, dass Deutschland neben den USA der wichtigste Unterstützer im Abwehrkampf gegen die Ukraine bleiben wird. «Wir unterstützen die Ukraine und werden das so lange tun, wie das notwendig ist.»
Der Kanzler bekräftigte auch seine Gesprächsbereitschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen gerechten Frieden in der Ukraine. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe erklärt, es solle eine weitere Friedenskonferenz geben, auch unter Beteiligung des russischen Präsidenten, sagte der SPD-Politiker. «Deshalb ist es auch richtig, dass, wenn gefragt wird, werden wir auch mit dem russischen Präsidenten sprechen, wir sagen: Ja, auch das ist der Fall.»
Scholz betonte, dabei verfolge man klare Prinzipien: Es werde niemals Entscheidungen geben «über die Köpfe der Ukraine hinweg und niemals ohne Abstimmung mit unseren engsten Partnern». Zugleich erinnerte der Kanzler daran, dass auch unzählige russische Soldaten jeden Tag «Opfer des imperialistischen Wahns des russischen Präsidenten» würden. «Auch sie sind Opfer seiner Politik mit dem Ziel, sein Land zu vergrößern. Etwas, was es auf diese Art in Europa nicht wieder geben darf», ergänzte Scholz. (dpa)