Scholz verteidigt Kassenbon-Pflicht: «Milliardenbetrug in Gastronomie und Handel»

| Politik Politik

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die ab Jahreswechsel geltende Kassenbon-Pflicht als Maßnahme für mehr Steuergerechtigkeit verteidigt. «Die Aufregung über die Bon-Pflicht halte ich für vorgeschoben. Es geht um Umsatzsteuerbetrug in Milliardenhöhe - jedes Jahr», sagte Scholz den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Manche Händler oder Gastronomen würden die vom Kunden kassierte Umsatzsteuer nicht an den Staat weitergeben. «Dafür werden Kassen manipuliert, Umsätze nicht richtig verbucht oder später wieder ausgebucht. Das kann sich unser Land nicht gefallen lassen.»

[Manipulationssichere Kassensysteme und Belegausgabepflicht: Aktualisiertes DEHOGA-Merkblatt jetzt herunterladen]

Der SPD-Politiker zeigte sich über die Proteste gegen die zum 1. Januar 2020 in Kraft tretende Regelung verwundert. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) klagte über Bürokratismus und regte Ausnahmen an. Scholz will davon nichts wissen. Die Bonpflicht komme für niemanden überraschend. Der Bundestag habe schließlich vor mehr als drei Jahren ein Gesetz beschlossen, «das diesem Betrug einen Riegel vorschiebt und fälschungssichere Registrierkassen vorschreibt». Damit solle sichergestellt werden, dass jeder Umsatz gebucht sei. «Dafür muss es einen Bon geben, entweder auf Papier oder als E-Mail. Alle Beteiligten hatten sehr viel Zeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.»

Gut zwei Wochen vor der Einführung der Bonpflicht für Händler und Gastronomen, drang Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier darauf, die Vorgabe wieder aus dem Gesetz zu streichen. Die Pflicht, bei jeder Transaktion in Geschäften oder Cafés einen Beleg auszugeben, werde «zu einem erheblichen Mehraufwand an Bürokratie führen», schrieb der CDU-Politiker an Olaf Scholz  Zudem werde die Umwelt stark belastet, da die häufig auf Thermopapier gedruckten Bons zu Milliarden «direkt im Müll landen» würden. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor, zuvor hatte die «Bild»-Zeitung darüber berichtet.

 

«Ich kann bestätigen, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit Bundesfinanzminister Scholz im Austausch zum Thema Bonpflicht ist», sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Samstag. Zum konkreten Inhalt wollte er sich nicht äußern.

Altmaier betonte: «Die Folgen dieser Regelung sind beträchtlich.» So rechne die Handelskette Rewe mit 140 000 Kilometern zusätzlicher Kassenbons im Jahr. Altmaier verwies darauf, dass der Gesetzentwurf von 2016 eine Belegpflicht auf Kundenwunsch vorgesehen habe. «Diese Regelung wurde im parlamentarischen Verfahren zu einer allgemeinen Belegausgabepflicht ausgeweitet.» Er hoffe nun «auf eine kurzfristige einvernehmliche Lösung im Sinne der Unternehmen und der Umwelt».

Laut dem Kassengesetz sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bonpflicht gilt trotzdem schon von Januar an.

Zuvor hatten bereits mehrere Handelsverbände die Bonpflicht empört zurückgewiesen, vor allem aus Kostengründen. Denn um dem Gesetz nachzukommen, müssen viele Händler ihre Kassen umrüsten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) erwartet Kosten zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse. In einzelnen Branchen sind die erwarteten Summen wegen spezieller Kassen, die mit Waagen verbunden sind, noch höher. Der Deutsche Fleischer-Verband sprach von Investitionen, die gerade für kleinere Geschäfte «in die Existenzbedrohung gehen» könnten. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Segment Alkoholfreier Wein ist zurzeit das Einzige, das weltweit ansteigt. Gleichzeitig gibt es in der Weinverordnung einige Regelungen, die die Vermarktung alkoholfreier Weine von Weingütern mit Trauben aus der Region erschweren.

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG haben sich auf einen neuen Entgelttarifvertrag geeinigt. Dem Abschluss waren lange Verhandlungen vorausgegangen. Die Gewerkschaft dachte sogar über Warnstreiks nach und wurde dafür von Dorint-Boss Iserlohe scharf kritisiert.

Der Essenslieferant Delivery Hero mit Hauptsitz in Berlin steht schon länger im Fokus der EU-Wettbewerbshüter. Nun leitet Brüssel den nächsten Schritt ein. Eine Strafe von mehr als 400 Millionen ist möglich.

Der DEHOGA und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten haben sich in der Tarifrunde 2024 auf einen Tarifabschluss für die Beschäftigten in Gastronomie und Hotellerie geeinigt.

Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie gerieten viele Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Der Bund unterstützte sie mit milliardenschweren Hilfspaketen. Viele Rückforderungen landen jetzt vor Gericht. Es geht um Milliarden.

Hotels und Restaurants klagen teilweise über schlechte Umsätze. Jetzt fordert die NGG in Baden-Württemberg 15 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten. Die Arbeitgeber reagieren mit Unverständnis.

Der Landtag beschließt eine Fülle von Verboten beim Konsum von Cannabis im Freistaat. Kritiker sehen in dem neuen Gesetz Hysterie und fordern ein Ende des Kulturkampfs. Die Wiesn-Wirte zeigen sich zufrieden.

Das Bundeskabinett verschärft das Luftsicherheitsgesetz, um radikale Klimaschützer und andere Störer von gefährlichen Aktionen auf Flughäfen abzuhalten. Stimmt der Bundestag zu, sind künftig auch Freiheitsstrafen möglich.

Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat dem Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) zugestimmt. Das Gesetz tritt damit am 1. August in Kraft. Vom DEHOGA kommt Zuspruch aber auch Kritik.

Die Ampel will mit steuerlichen Vorteilen Fachleute nach Deutschland locken. Aus der Opposition kommt scharfe Kritik. Auch die Bevölkerung steht dem Vorhaben mehrheitlich kritisch gegenüber.