Sperrzeiten in Heidelberg: Lärmgeplagte kämpfen vor Gericht

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Vom Partylärm geplagte Bürger der Heidelberger Altstadt wollen mit einer Normenerlassklage von der Stadt Heidelberg striktere Regelungen für die Öffnung von Bars und Gaststätten erzwingen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verhandelt am (13.00 Uhr) den Fall. Nach Angaben der Stadt sind rund 1100 Menschen von unzumutbarem Lärm betroffen. Mit der Verhandlung geht ein jahrelanger Streit in eine neue Runde.

Die Kläger meinen, dass die derzeitige Sperrzeitverordnung ihre Interessen nicht hinreichend berücksichtigt. Für ausreichende Nachtruhe seien längere Sperrzeiten nötig. Die vom Gemeinderat 2018 beschlossenen Sperrzeiten sonntags bis donnerstags ab 1.00 Uhr, donnerstags auf freitags ab 3.00 Uhr und Samstag auf Sonntag ab 4.00 Uhr sind ihnen viel zu liberal. Sie wollen, dass Kneipen und Clubs unter der Woche um Mitternacht und am Wochenende um 1.00 Uhr schließen. Unklar ist, wie der neue Gemeinderat sich zu dem Dauerbrenner äußert.

In anderen Städten Baden-Württembergs steht die Lärmproblematik derzeit nicht auf der Agenda - trotz zunehmender Mediterranisierung. So nennen Fachleute den Trend, das Leben in den öffentlichen Raum zu verlagern. Ein Beispiel gibt die Sprecherin der Stadt Tübingen Sabine Schmincke: Vor 30 Jahren seien Straßencafés eine Ausnahme gewesen, jetzt finde man sie an jeder Ecke.

Mit einer Schilderaktion macht die Stadt neuerdings auf die Nachtruhe zwischen 22.00 und 6.00 Uhr und das Bußgeld von 60 Euro bei Verstößen aufmerksam. Überdies sei die Zahl der Nachtstreifen des Ordnungsdienstes von vier auf acht erhöht worden. Auch in Ulm hat die Lärmdebatte sich beruhigt. «Es gab mal vor drei Jahren eine Aufwallung, als am Schwörmontag 60 000 bis 70 000 Leute in der Stadt unterwegs waren und Party machten», sagt Frank Raddatz von der Öffentlichkeitsarbeit. Die damalige Diskussion sei wichtig gewesen und habe zu mehr Rücksicht aufeinander geführt.

Auch in Freiburg hat sich die Situation entschärft, seit die Partyszene sich vom Augustinerplatz zu einem Platz mit weniger Wohnungen drum herum verlagert hat. In Mannheim ist das Thema beim Nachtbürgermeister Hendrik Meier aufgehoben. Er versucht als Ansprechpartner für beide Seiten den Ausgleich zwischen Barbetreibern und Anwohnern herzustellen.

Für solche Lösungen spricht sich der Städte- und Gemeindebund aus, den das Thema immer mal wieder beschäftigt. Sprecher Alexander Handschuh: «Wir appellieren an Verständnis und Toleranz auf beiden Seiten und werben für einvernehmliche Regelungen - in den meisten Fällen klappt das.» 

Nur nicht in Heidelberg. Auch in der Stadt am Neckar war ein Lärmschutzbeauftragter im Gespräch. Doch die Arbeitsgruppe, die dessen Aufgaben definieren sollte, kam nicht zustande. Denn die Bürgerinitiative habe während des laufenden Gerichtsverfahrens nicht teilnehmen wollen, wie Stadtsprecher Timm Herre erläutert. «Wir wollten aber eine kooperative Lösung.»

Die 31 Kläger vor dem Verwaltungsgericht meinen, dass die derzeitige Sperrzeitverordnung ihre Interessen nicht hinreichend berücksichtigt.

Für ausreichende Nachtruhe seien längere Sperrzeiten nötig. Das Verwaltungsgericht tagt aus Platzgründen im Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim, der selbst schon einmal mit dem Fall betraut war. Er hatte im März 2018 eine Regelung gekippt, die eine Öffnung der Gaststätten bis 2.00 Uhr und von Donnerstag bis Sonntag bis 4.00 Uhr festlegte.

Wenige Monate später verabschiedete der Gemeinderat Sperrzeiten sonntags bis donnerstags ab 1.00 Uhr, donnerstags auf freitags ab

3.00 Uhr und Samstag auf Sonntag ab 4.00 Uhr - und stellte sich damit auch gegen die Stadtverwaltung, die einen strikteren Kurs verfolgte.

Die Altstadtbewohner wollen diesen Beschluss kippen und fordern, dass Kneipen und Clubs unter der Woche um Mitternacht und am Wochenende um

1.00 Uhr schließen. Unklar ist, wie der neue Gemeinderat sich zu dem Dauerbrenner äußert. Die Stadt hat an anderer Stelle versucht, für Entlastung zu sorgen: Es gibt einen Mitarbeiter mehr für nächtliche Streifen des Ordnungsdienstes. Die Präsenz der Polizei habe sich erhöht. (dpa)


 

 

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