Tierwohl-Label: Staatliches Tierhaltungslogo kommt noch nicht für Gastronomie 

| Politik Politik

Seit Jahren wird über eine Fleischkennzeichnung gestritten, die anzeigt, wie die Tiere einmal gelebt haben. Jetzt kommt der nächste Anlauf in Gang. Das Bundeskabinett beschloss jetzt eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung. Darüber, dass die Gastronomie hier zunächst nicht einbezogen ist, zeigt sich der DEHGOA sehr erleichtert.

Beim Kauf von Steaks und Koteletts im Supermarkt soll sich bald ein Extra-Blick lohnen - auf neue, schwarz-weiße Logos auf vielen Verpackungen. Bundesagrarminister Cem Özdemir will sie 2023 als verpflichtende Fleischkennzeichnung in die Kühltheken bringen und so mehr Klarheit über die Bedingungen in den Ställen schaffen. «Die Verbraucherinnen und Verbraucher können auf einen Blick sehen, wie das Tier gehalten wurde», sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch vor dem Kanzleramt. Dort hatte das Kabinett seinen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Doch Kritik kam prompt, und einiges ist umstritten.

Özdemir machte klar, dass es ihm jetzt um einen wirklichen Aufbruch geht, nachdem es auch in der Ampel-Koalition noch Gezerre um das wichtige Vorhaben gibt. «Wenn alle mitmachen, dann haben wir nächstes Jahr das Kennzeichen», sagte der Minister. Und erinnerte noch einmal an die Dringlichkeit, Landwirten Verlässlichkeit beim angestrebten Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Standards zu geben. «Jeden Tag, wo wir hier stehen und nichts machen, geben Landwirte auf.» Die Pläne kommen nun zu den weiteren Beratungen in Bundesrat und Bundestag.

Starten soll die Kennzeichnung mit Schweinefleisch im Handel. Geplant ist ein System mit fünf Kategorien während der Mast. Es beginnt bei der Haltungsform «Stall» mit den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Stufe «Stall+Platz» gibt mindestens 20 Prozent mehr Platz vor, die Stufe «Frischluftstall» Kontakt zu Außenklima etwa mit offenen Stallseiten. Geplant sind auch die Stufen «Auslauf/Freiland» und «Bio». Aussehen soll das Logo sachlich-nüchtern: Ein weißes, leicht abgerundetes Rechteck, in dem in schwarzer Umrandung «Tierhaltung» steht. Die Haltungsform anzeigen soll dann ein schwarz ausgefülltes kleineres Rechteck - bei fünf kleinen Rechtecken für die Kategorien.

In den Kühltheken trifft das künftige staatliche Label fürs Schnitzel aber auf einen Platzhirsch. Bereits seit 2019 gibt es eine weit verbreitete eigene Kennzeichnung der Handelsketten mit dem Aufdruck «Haltungsform», die Fleisch von Schweinen und auch schon von Geflügel und Rindern umfasst. Sie hat auf den Etiketten die Zahlen 1 bis 4 für vier verschiedene Stufen und dazu die Farben rot, hellblau, orange und grün. Viele Kunden kennen das System inzwischen, das noch für längere Zeit parallel zum staatlichen bestehen bleiben dürfte.

Özdemir betonte, dass es nun um den Start einer ersten Etappe gehe. «Wir beginnen beim Schweinefleisch, hören dabei aber nicht auf.» Nach grundsätzlicher Abklärung bei der EU-Kommission soll das Modell dann «zeitlich nah» auf mehr Tierarten, Produkte und Einkaufsorte wie die Gastronomie ausgedehnt werden. Dabei handelt es sich um einen anderen Ansatz als zuvor lange diskutiert: Nämlich eine Pflichtkennzeichnung für alle Haltungsformen - statt eines freiwilligen Siegels nur für bessere Haltungsformen. Zuletzt wollte Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) so ein Tierwohl-Logo mit Anforderungen oberhalb des Gesetzesstandards in die Regale bringen. Doch das scheiterte.

Aber auch beim neuen Anlauf gibt es Kritik. Der Tierschutzbund sprach von einer Enttäuschung, da die Kennzeichnung nur den Status quo abbilde. «Die Kriterien sind zu schwach, entscheidende Bereiche wie Transport und Schlachtung bleiben unangetastet und bisher bezieht sich alles auch nur auf die Haltung von Schweinen.» Bauernpräsident Joachim Rukwied beklagte «Schwachstellen und Lücken, mit denen die angestrebte Wirkung nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert» werde. So könnten betäubungslos kastrierte Ferkel weiter aus dem Ausland importiert werden. Einbezogen werden müssten verarbeitete Waren wie Wurst, Großverbraucher und die Gastronomie.

Darüber dass für die Gastronomie zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung vorgesehen ist, zeigt sich der DEHOGA Bundesverband erleichtert

Aus Sicht der Branchenvertreter ist die Einführung eines verpflichtenden staatlichen Tierwohllabels bis hin zur Gastronomie weder erforderlich noch zielführend. Es sei auch aus rechtlichen Gründen bedenklich. Der DEHOGA setzt vielmehr auf eine freiwillige Tierhaltungskennzeichnung.

Nach den Plänen der Regierung ist die Ausdehnung der Kennzeichnungspflicht auf die Gastronomie jedoch noch nicht vom Tisch. So hat das Bundesministerium für Ernährung zu dieser Frage unter anderem in seinen FAQ zur Tierhaltungskennzeichnung ausgeführt:

„Bei der Einführung einer staatlich verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung gelten andere und zugleich höhere rechtliche Anforderungen auf nationaler und EU-Ebene als bei einer freiwilligen Kennzeichnung. Deshalb wird die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung schrittweise eingeführt. Begonnen wird mit frischem Schweinefleisch, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, den Fleischereifachgeschäften, dem Online-Handel und anderen Verkaufsstellen.

Weitere Vermarktungswege, insbesondere über die Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung sowie weitere Tierarten werden im Laufe der Legislaturperiode in die Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen, wenn im Rahmen des ersten Schrittes das Konzept der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung am Beispiel Schweinefleisch bei der EU-Kommission notifiziert wurde und das Gesetz in Kraft getreten ist.“

Der DEHOGA will sich auch weiterhin für eine freiwillige Kennzeichnung einsetzen.


Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Handelsblatt hat eine interne Aufstellung aus dem Finanzministerium, die Sparvorschläge in Höhe von neun Milliarden Euro vorsieht, veröffentlicht. Ganz oben auf der Liste: die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertag- und Nachtzuschlägen. Nach Gesprächen mit politisch Verantwortlichen stellt der DEHOGA die Dinge richtig.

Die Gewerkschaft Verdi und die Grünen im Bundestag haben sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen. Sie verwiesen erneut auf eine entsprechende EU-Richtlinie.

„Die Erhöhung der Luftverkehrssteuer ist falsch und belastend“, betont der Präsident des Deutschen Reiseverbandes anlässlich der zum 1. Mai anstehenden Umsetzung der im Februar von der Bundesregierung beschlossenen Anhebung um fast 20 Prozent.

Woher kommt der Honig? Wie viel Obst ist in der Konfitüre? Und was macht einen Fruchtsaft aus? Ein nun endgültig beschlossenes EU-Gesetz soll für mehr Klarheit auf dem Etikett sorgen.

Das EU-Parlament hat die neue Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung angenommen. Ein Verbote von Kleinstverpackungen wurden nach massiver Kritik überarbeitet. Auch eine Verpflichtung zum Angebot kostenfreien Leitungswassers in Restaurants wurde abgewendet. Das berichtet der DEHOGA.

Seit mehr als einem Jahr gilt die Mehrwegangebotspflicht bei Speisen und Getränken zum Mitnehmen. Kritiker beklagen die mangelnde Umsetzung des Gesetzes. Der BUND will nun nachsteuern.

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.