Reisebüros: Beratungsentgelt spaltet Branche

| Tourismus Tourismus

Wie viel ist Urlaubern die Beratung wert? Einige Touristikkonzerne wollen es wissen und führen in ihren Reisebüros Beratungsentgelte ein. Die Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), Marija Linnhoff, hält das für das «falsche Signal» gerade in der Krise. «Wir haben Verständnis, dass Reiseveranstalter Kosten senken müssen, aber nicht auf unsere Kosten und auf Kosten der Verbraucher.» Nach Einschätzung des Tourismusexperten Torsten Kirstges haben Tui oder DER Touristik dagegen nicht unbedingt einen schlechten Zeitpunkt gewählt.

«In der Corona-Krise ist die Wertschätzung für Beratungsleistungen gestiegen. Die Menschen sind verunsichert und wollen beispielsweise wissen, wie sie mit coronabedingten Umbuchungen und Stornierungen umgehen sollen», erläuterte Kristges. Ähnlich sehen das manche Veranstalter. Der Bedarf an Beratung habe enorm zugenommen, argumentierte der Vertriebschef Zentraleuropa von DER Touristik, Andreas Heimann. «Daher war der Zeitpunkt für die Einführung der Pauschale richtig.» Der Branchenzweite hat bereits erste Erfahrungen damit gemacht. «Die Servicepauschale ist sehr gut angenommen worden. Die Kunden tragen das mit», berichtete Heimann. Die Hälfte der Franchise-Partnerbüros habe ebenfalls eine Servicepauschale eingeführt.

Branchenprimus Tui hatte angekündigt, in seinen Reisebüros ab Mitte Mai ein sogenanntes Service-Entgelt von Kunden zu verlangen etwa für die Zusammenstellung von detaillierten Angeboten, Leistungsvergleichen oder näheren Informationen zu Urlaubszielen. Dem Unternehmen zufolge entstehen die Kosten erst bei erfolgter Buchung. Eine gewisse Grundinformation soll gebührenfrei bleiben. «In anderen Dienstleistungsbranchen ist es mittlerweile etabliert, dass guter Service honoriert wird», argumentierte Tui.

Die FTI GROUP empfiehlt ihren Franchise-Büros, Service-Entgelte zu erheben, «da wir der Überzeugung sind, dass Extra-Leistungen über den eigentlichen Leistungsauftrag hinaus in angemessenem Maße vergütet werden sollten», wie Geschäftsführer Ralph Schiller sagte. Das Unternehmen habe eine Liste mit Preisempfehlungen für verschiedene Service-Aktionen und -Pakete erstellt, die bei null Euro starteten und je nach Leistungsumfang in kleinen Schritten stiegen.

Alltours plant dagegen keine Einführung eines Beratungsentgelts in seinen Reisecentern. «Wir können verstehen, dass das andere Reisebüros machen», erklärte das Unternehmen. «Unser Geschäftsmodell ist immer kundenorientiert und hat sich krisenbedingt nicht geändert.» Zusatzleistungen, die über die Beratung hinausgingen, zum Beispiel die Beschaffung von Visa, würden wie üblich in der Branche von den Kunden bezahlt. Auch der Veranstalter Schauinsland-Reisen hat derzeit nach eigenen Angaben keine Pläne zur Einführung einer flächendeckenden Bearbeitungsgebühr.

Linnhoff hält Beratungsentgelte für den «denkbar schlechtesten Ansatz, Buchungen zu generieren». Nach ihren Angaben haben sich 95 Prozent der mehr als 7000 VUSR-Mitglieder dagegen ausgesprochen. Reisebüros verlangten zwar schon heute ein Service-Entgelt, zum Beispiel wenn Kunden bei einer Flugbuchung Hilfe beim Online-Einchecken brauchen. «Das hat aber nichts mit der Buchung als solcher zu tun, sondern ist ein Zusatzservice», sagte Linnhoff.

Ob sich Beratungsentgelte flächendeckend durchsetzen, ist Kirstges zufolge derzeit nicht absehbar. «Wenn nur einige wenige Reisebüros ein Entgelt einführen, besteht die Gefahr, dass Kunden zur Konkurrenz gehen», sagte der Professor an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Dass Urlauber, die Beratung wollen, in Scharen zu Online-Plattformen abwandern, hält er für unwahrscheinlich. «Der Vorteil der Reisebüros ist ihre Beratung, vor allem wenn es kompliziert wird.»

Nicht auszuschließen ist aus Sicht des Experten jedoch, dass mit der Einführung von Beratungsentgelten «das Fenster geöffnet wird, um mittelfristig die Provision abzuschaffen, die Reisebüros von den Veranstaltern erhalten.» Diese Sorge treibt auch Linnhoff um. Sie befürchtet, langfristiges Ziel der Veranstalter könnte es sein, dass die Kunden direkt beim Veranstalter buchen und diese so die Provision fürs Reisebüro sparen.

DER-Touristik-Manager Heimann sieht zwar «gute Chancen, dass die Servicepauschale auch in Deutschland zum Branchenstandard werden kann. Wir sind der Überzeugung, dass sie wirtschaftlich absolut notwendig ist.» Das bedeute aber nicht das Ende der Provision, dämpfte er Sorgen. «Es wird keine Erosion der Provisionsvergütung geben.» Einer der wichtigsten Vertriebswege sei das Reisebüro. «Dieses Standbein wird in Zukunft sogar noch wichtiger werden, weil die Bedeutung der Beratung weiter zunimmt.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Tourismus 2025 ist geprägt von einem tiefgreifenden Wertewandel. Dabei gilt: Erlebnis vor Erholung, Qualität vor Quantität. Während klassische Urlaubsformate an Bedeutung verlieren, setzen Reisende verstärkt auf sinnstiftende, hochwertige Erlebnisse, so eine aktuelle Mastercard-Analyse.

Hohe Gebühren und Steuern haben das Flugangebot zu deutschen Flughäfen verknappt. Weil weniger Flüge auch weniger Besucher bedeuten, verlangt die Branche ein politisches Signal.

Der Reiseveranstalter Dertour hat nach eigenen Angaben eine starke Wintersaison hinter sich. Der Branchenzweite verzeichnete ein Gästeplus von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Von Januar bis März 2025 wurden weniger internationale Übernachtungen registriert als im Vorjahreszeitraum. Chancen für den deutschen Incoming-Tourismus sieht die DZT für die kommende Sommersaison vor allem im innereuropäischen Reiseverkehr.

In Zeiten von Übertourismus und Klimakrise will die dänische Hauptstadt ihre Gäste erneut zum nachhaltigeren Reisen animieren. Die Kampagne «CopenPay» wird auf einen längeren Zeitraum, mehr Angebote und mit einem Fokus auf Zugreisende ausgeweitet. 

Rund 1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt feierten vom 9. bis 11. Mai 2025 den 836. Geburtstag von Deutschlands größtem Hafen. Bei sonnigem Frühlingswetter wurde die von der Veranstalterin erwartete Besucherzahl übertroffen - Menschen aus Hamburg und aller Welt genossen drei Tage voller Musik, Begegnungen und maritimer Erlebnisse.

Wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs geriet der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern an den Rand des Ruins. Nun soll sich ein gesonderter Ausschuss im Landtag mit den Vorgängen befassen.

Eine neue Umfrage von Booking.com zeigt, dass das Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Folgen des Reisens unter deutschen Urlauberinnen und Urlaubern weiter wächst.

Trotz Inflation und steigender Alltagskosten bleibt die Reiselust der Deutschen hoch. Etwa zwei Drittel der Befragten planen 2025 eine Reise von mindestens sieben Tagen. Damit bleibt das Niveau im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.

Sie sind Vielflieger? Dann kennen Sie das Drama: Koffer gepackt, alles im Zeitplan, und zack – die Durchsage am Gate: „Ihr Flug verspätet sich.“ Na super. Aber jetzt kommt der gute Teil: In vielen Fällen steht Ihnen bares Geld zu – und zwar ganz offiziell! Klingt gut, oder? Der Haken: Die Regeln sind nicht ganz ohne. Aber keine Sorge – wir bringen Ordnung ins Chaos der EU-Fluggastrechte. Lesen Sie weiter, denn wer viel fliegt, kann hier richtig abräumen.