Sächsischen Schweiz will touristische Völkerwanderungen unterbinden

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Von Protesten gegen Massentourismus so wie unlängst auf den Kanarischen Inseln ist man im Elbsandsteingebirge noch weit entfernt. Dennoch müssen die Einheimischen an Tagen wie dem 1. Mai, Christi Himmelfahrt oder zu Pfingsten einiges ertragen. Dann kann es schon passieren, dass die Anwohner in Bad Schandau oder anderswo wegen des Rückstaus kaum noch aus ihren Grundstücken herauskommen. «Die Leute sind dann gefrustet. Teneriffa-Verhältnisse gibt es aber noch nicht», sagt Hanspeter Mayr, Sprecher der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz. 

Mit 3,5 Millionen Besuchern pro Jahr nähern sich die Gästezahlen im Nationalpark Sächsische Schweiz der Zeit vor der Corona-Pandemie wieder an. Für die gesamte Region gibt der Tourismusverband Sächsische Schweiz sogar acht Millionen Besucher an. Wer das Elbtal von oben betrachtet, kann vielerorts ein Nadelöhr erkennen - so heißt auch eine Passage auf dem Weg zum Gipfelplateau des Pfaffensteins. Viel begangene Wege wie der von Rathen zum Basteifelsen werden im Monat von etwa 35 000 Menschen genutzt. An solchen Stellen findet an manchen Tagen eine regelrechte Völkerwanderung statt.  

«Das Problem sind die Tagestouristen. Die sind praktisch nicht beeinflussbar», sagt Jörg Weber, in der Nationalpark- und Forstverwaltung für Regionalentwicklung zuständig. Wer sich in Leipzig bei schönem Wetter am Morgen entscheidet, in die Sächsische Schweiz zu fahren, komme mit dem Auto. Obwohl es gute Bahnverbindungen in das Elbsandsteingebirge gibt. Die S-Bahn fährt von Dresden bis Schöna im Stundentakt. Vom Leipziger Hauptbahnhof kommt ein Regionalexpress am Wochenende um 10.00 Uhr in Bad Schandau an, nachmittags fährt er zurück.

Schon seit Langem versuchen Nationalpark, Touristiker und betroffene Kommunen, die Verkehrsströme besser zu lenken. Seit 2001 engagieren sich Naturschutzverbände zusammen mit der Deutschen Bahn beim Projekt «Fahrtziel Natur» und setzen dabei auf umweltfreundliche Mobilität und nachhaltigen Tourismus. Im vergangenen Jahr ging der «Fahrtziel Natur-Award» an die Sächsische Schweiz - unter anderem für eine Gästekarte, mit der Übernachtungsgäste öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen können.

Weber verweist mit Stolz darauf, dass am Nationalparkbahnhof Bad Schandau sogar Eurocity-Züge halten. Somit lasse sich die Felsenwelt der Sächsischen Schweiz sogar von Hamburg, Berlin, Prag, Wien und Basel ansteuern. «Wir haben neue Wanderbuslinien mit konzipiert und mitfinanziert. Aus den Parkgebühren im Nationalpark wird der Regionalverkehr unterstützt, um Linien aufzubauen», sagt der Regionalplaner. Die Nationalpark-Bahn fährt von Decin über Bad Schandau und Sebnitz nach Rumburk, verbindet die Sächsische Schweiz und die Böhmische Schweiz auf tschechischer Seite.

Die Einführung der Gästekarte Mobil im Jahr 2020 hat die Anreise mit dem Zug um 20 Prozent erhöht. Und dennoch kommen 90 Prozent der Gäste mit dem Auto. «Wir müssen dem Besucher die Möglichkeit bieten, vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Ich bin dagegen, mit Verboten zu arbeiten. Wir müssen vielmehr Möglichkeiten bieten», betont Michael Geisler, Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz- Osterzgebirge. Die Planungen etwa für Parkhäuser seien langwierig, auch Naturschutz spiele eine Rolle. Neben den attraktiven Zielen Bastei oder Festung Königstein wolle man den Touristen auch Alternativen für weniger bekannte Wanderziele bieten.

«Eine Lösung kann die zeitliche und räumliche Entflechtung sein», meint auch Tino Richter, Chef des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. Dazu brauche man eine Vielzahl an Maßnahmen in den einzelnen Orten und eine intensive gemeinsame Kommunikation. «Selbst wenn das alles gut organisiert ist, gelingt Besucherlenkung nur teilweise. Besucherströme kommen auf Basis von tausendfachen individuellen und teilweise spontanen Reiseentscheidungen zustande, die generell nur bedingt beeinflussbar sind.»

Nicht nur der Tourismusverband hofft nun auf die Besucherkonzeption, die derzeit von der Nationalpark- und Forstverwaltung erarbeitet wird und im kommenden Jahr vorliegen soll. Sie soll die richtigen Impulse dafür geben, um «kanarische Verhältnisse» in der Region zu vermeiden. Schließlich gibt es hier bei 400 Kilometer Wanderwegen allein im Nationalpark Sächsische Schweiz noch jede Menge Ecken zu entdecken, die nicht auf Postkarten abgelichtet sind. Und wer dann noch mit dem Zug kommt, trägt selbst dazu bei, dass das Elbsandsteingebirge ein Paradies für Naturliebhaber bleibt. (dpa)


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