«Corona regional»: Das Virus auf der Deutschlandkarte

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Das Coronavirus braucht Nähe. Damit eine Infektion überspringen kann, müssen sich Menschen nahekommen: Die gleiche Luft atmen, sich anhusten oder dieselben Gegenstände anfassen. Man könnte meinen, in der Stadt gebe es deutlich mehr Infektionen im Verhältnis zur Bevölkerung. Doch allzu groß ist der Unterschied nicht, wie die neue Internetseite «Corona regional» des beim Innenministerium angesiedelten Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigt.

«Der Unterschied zwischen Stadt und Land spielt erstaunlicherweise kaum eine Rolle für das Infektionsgeschehen», sagt Michael Frehse, der die Heimatabteilung im Bundesinnenministeriums leitet. Sichtbar wird das auf der neuen Internetseite mit Hilfe gelb-oranger Balken, die die Entwicklung der Infektionen in Deutschland für den städtischen und den ländlichen Raum nebeneinander seit Anfang März zeigen - je dunkler, desto mehr Infektionen pro 100 000 Einwohner. Allzu stark unterscheiden sich die Farbverläufe nicht.

«Man würde in Städten deutlich mehr Infektionen erwarten als auf dem Land, weil es dort enger zugeht», sagt auch der Mediziner Max Geraedts, der an der Universität Marburg das Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie leitet. Geraedts und sein Team sind spezialisiert auf Forschung zur Qualität der Gesundheitsversorgung. Doch aktuell sei die Zahl der Infizierten in der Gesamtbevölkerung noch nicht so hoch, dass die größere Nähe in der Stadt eine entscheidende Rolle spiele. Er rechnet aber damit, dass sich das ändert: «Das wird auch so kommen, wenn das Virus sich erst stärker in der Bevölkerung verbreitet hat und damit auch mehr Möglichkeiten zur Ansteckung im Alltag entstehen.»

Doch die öffentlich zugängliche Seite von «Corona regional» des Bundesinstituts kann noch mehr. Übersichtskarten zeigen Infektionsschwerpunkte in Deutschland, für ausgewählte Kreise lassen sich auch Kurven mit Fallzahlen zeigen oder Fälle und Todesfälle nach Geschlecht und Altersgruppen aufschlüsseln. Die Grundlage bieten neben räumlichen Daten des Bundesamts wöchentlich aktualisierte Zahlen des Robert Koch-Instituts und das so genannte Divi-Intensivregister. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) sammelt täglich die Zahl der verfügbaren Krankenbetten auf Intensivstationen.

«Corona regional» richte sich an Fachleute, erklärt das Innenministerium. «Das können zum Beispiel Kommunalpolitiker sein, die sehen wollen: Wie sieht es in meiner Gemeinde aus, und wenn es deutliche Unterschiede zu den Nachbargemeinden gibt, könnte das zum Beispiel mit der Altersstruktur zusammenhängen?», erläutert Abteilungsleiter Frehse. «Unsere Anwendung stellt die Pandemie im Zeitverlauf dar. Dadurch kann man auch rekonstruieren, welche Auswirkungen Verschärfungen, Lockerungen oder Schulferien gehabt haben könnten.»

«Als Wissenschaftler erfahre ich da wenig Neues», bilanziert indes Epidemiologe Geraedts. «Diese kartographischen Darstellungen sind vor allem für Menschen, die politische Entscheidungen treffen müssen, nützlich, weil sie schneller zu lesen sind als etwa Tabellen.»

«Wir stehen dem durchaus offen gegenüber», sagt der Sprecher des Deutschen Landkreistags, Markus Mempel, zumal das Instrument einfach zu handhaben sei. Kritisch merkt er aber an, «dass es wichtig ist, aktuelle Daten vorzuhalten und zudem nicht zu viele verschiedene Angebote parallel im Netz zu haben.» So liefere die bereits existierende Divi-Plattform zu Intensivbetten zwar weniger Informationen, dafür aber möglicherweise aktuellere. «Ideal wäre es natürlich, wenn Kräfte gebündelt würden und entsprechend die aktuellstmöglichen Informationen zur Auswertung zur Verfügung stünden.»

Die Zahl positiver Coronavirus-Tests, die die «Corona regional»-Seite und das Robert Koch-Institut darstellen, liefert aus Sicht des Epidemiologen Geraedts ohnehin nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Derzeit mache er sich weniger Sorgen um das Gesundheitssystem, sagt er. «Da kommt es erst zu nennenswerten Belastungen, wenn ältere Menschen in größerer Zahl betroffen sind, weil die Krankheitsverläufe bei Jüngeren milder sind. Zudem wissen wir derzeit auch gar nicht genau, wie viele falsch positive Tests wir haben - also Testergebnisse, die eine Infektion anzeigen, obwohl es keine gibt.» Wichtig sei jetzt der Schutz von Risikogruppen, etwa mit genügend Personal und Ausrüstung in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Dennoch habe die aktuelle Ausweitung der Tests Folgen, merkt Geraedts an. «Für die Gesundheitsämter ist es ein Riesenaufwand, die Betroffenen zu informieren und Kontaktpersonen nachzuverfolgen», sagt er. «Und für eine Region mit vielen positiven Testergebnissen kann es enorme wirtschaftliche und soziale Folgen haben, wenn dort viele Menschen in Quarantäne gehen.» Wo das der Fall ist, das zeigt nun auch die neue «Corona regional»-Seite. (dpa)


 

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