Für die Umwelt: Viele Lebensmittel müssten deutlich teurer sein

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Woche für Woche locken Supermärkte und Discounter in Deutschland mit Sonderangeboten. Dabei müssten Fleisch, Milch und Käse nach einer aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Universität Augsburg eigentlich viel mehr kosten, als heute normalerweise verlangt wird. Hackfleisch müsste fast dreimal so teuer sein, Milch und Gouda müssten fast doppelt so viel kosten, wie der Wirtschaftsinformatiker Tobias Gaugler und sein Team errechnet haben.

«Umweltschäden finden aktuell keinen Eingang in den Lebensmittelpreis. Stattdessen fallen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last», bemängelt der Wissenschaftler. Gaugler hat im Auftrag des zur Rewe-Gruppe gehörenden Discounters Penny die «wahren Kosten» für insgesamt 16 Eigenmarken-Produkte der Handelskette berechnet und dabei neben den «normalen» Herstellungskosten unter anderem auch die Auswirkungen der bei der Produktion entstehenden Treibhausgase, die Folgen der Überdüngung sowie den Energiebedarf berücksichtigt.

Die Auswirkungen auf den Preis sind gravierend - vor allem bei Fleisch und Tierprodukten. So müsste den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge der Preis für Fleisch aus konventioneller Aufzucht bei Berücksichtigung der versteckten Kosten um satte 173 Prozent steigen. Konkret: 500 Gramm gemischtes Hackfleisch aus konventioneller Herstellung würden nicht 2,79 Euro, sondern 7,62 Euro kosten.

Normale Milch würde sich um 122 Prozent verteuern, Gouda-Käse um 88 Prozent und Mozzarella um 52 Prozent. Deutlich geringer wären die Aufschläge bei Obst und Gemüse. Bananen würden Gaugler zufolge um 19 Prozent teurer, Kartoffeln und Tomaten um 12 Prozent und Äpfel um 8 Prozent. Bei Bioprodukten fielen die Preisaufschläge durchweg etwas geringer aus als bei konventionell hergestellter Ware. Doch auch der Preis für Biofleisch würde bei Berücksichtigung der «wahren Kosten» noch einmal um 126 Prozent steigen.

Die Rewe-Gruppe will das Problem der versteckten Kosten bei der Eröffnung eines neuen Nachhaltigkeitsmarktes seiner Discountkette Penny in Berlin am kommenden Mittwoch thematisieren. Für je acht konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte will der Händler dort neben dem Verkaufspreis auch den «wahren Preis» ausweisen. So stehen auf dem Preisschild für die H-Milch neben dem Verkaufspreis von 79 Cent, auch die «wahren Kosten» von 1,75 Euro und beim Bio-Hackfleisch in der 250-Gramm-Packung neben dem Verkaufspreis von 2,25 Euro auch die «wahren Kosten» von 5,09 Euro.

Auch wenn der Kunde am Ende nur den normalen Preis zahlen muss, sieht der Rewe-Topmanager Stefan Magel in der Initiative einen wichtigen ersten Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. «Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen», meint er. Nur so könne der Kunde eine bewusste Kaufentscheidung treffen.

Magel räumt ein: «Wir sind als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt ohne Zweifel Teil des Problems.» Er hoffe aber mit dem aktuellen Schritt Teil der Lösung werden zu können. Wenn die Kunden positiv auf die doppelte Preisauszeichnung reagierten, dann könne er sich vorstellen, die Anzahl der gekennzeichneten Produkte weiter zu erhöhen und den Test auf weitere Märkte auszuweiten. Zu tun wäre wohl noch einiges, denn in eine durchschnittlichen Penny-Markt gibt es rund 3500 Artikel.

Die Augsburger Wissenschaftler hoffen, dass die «doppelte Preisauszeichnung» das Einkaufsverhalten der Kunden verändert. Es könne ein Beitrag zu mehr Ehrlichkeit bei den Lebensmittelpreisen sein. Lieber wäre es ihnen aber noch, wenn die hohen Umweltfolgekosten schrittweise auf die Lebensmittelpreise aufgeschlagen würden - etwa durch eine Besteuerung der CO2-Emissionen in der Landwirtschaft und von mineralischem Stickstoffdünger. «Die Preisanpassungen der Lebensmittelmärkte würden wahrscheinlich zu deutlichen Verschiebungen hin zu mehr pflanzlichen und mehr Bio-Produkten führen und gleichzeitig die Umweltschäden deutlich reduzieren», meint die Mitverfasserin der Studie Amelie Michalke.

Dringenden Handlungsbedarf sehen nicht nur die Augsburger Wissenschaftler. Der Bio-Landwirt und Chef des Babynahrung-Herstellers Hipp, Stefan Hipp, betonte kürzlich: «In unser aller Interesse sollten wir darauf drängen, dass sich die wahren Produktkosten bald auf den Preisschildern finden.» Derzeit trage die Gesellschaft die Kosten für Schäden. Und auch Thomas Antkowiak, Vorstandsmitglied beim Hilfswerk Misereor, mahnte: «Wenn wir ehrlich bilanzieren, müssen wir einräumen, dass wir auf Kosten von Mensch und Natur wirtschaften.»

Dabei sind in den Berechnungen der Augsburger Wissenschaftler noch längst nicht alle versteckten Kosten enthalten, die bei der Lebensmittelproduktion anfallen, wie Gaugler betont. So ließen sich beispielsweise die Folgekosten des Antibiotika-Einsatzes in der Tierzucht, der zu multi-resistenten Keimen führt, oder die der Nutzung von Pestiziden noch nicht sicher genug beziffern, um in die aktuellen Berechnungen einzufließen. «Wir haben bisher nur einen Teil der versteckten Kosten berücksichtigt, aber allein das zeigt schon, dass die Preise lügen - manche mehr und manche weniger», urteilt der Wissenschaftler. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Für viele ist der Firmenwagen mehr als ein Auto: Er ist Statussymbol, Teil des Gehalts und Arbeitsmittel. Wird der Wagen gestrichen, ist der Ärger mitunter groß. Aber ist das überhaupt erlaubt?

Work-Life-Balance ist längst nicht mehr nur Sache der jüngeren Generationen: Eine Studie zeigt, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer lieber mehr freie Zeit hätte. Welchen Preis würden sie dafür zahlen?

Insgesamt 479.800 neue Ausbildungsverträge wurden im Jahr 2023 in Deutschland in den insgesamt 328 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen abgeschlossen. Das vermeldet destatis diese Woche. Das sind 2,1 Prozent mehr als 2022 und damit erstmals seit der Coronakrise wieder ein deutliches Plus. Im Gastgewerbe sehen die Zahlen noch deutlich besser aus.

Zum Start des Ausbildungsjahres rückt die Kluft zwischen unbesetzten Lehrstellen und Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz wieder in den Blickpunkt. Dass junge Menschen und Betriebe häufig nicht zueinander finden, hat mehrere Ursachen. Ein Grund: Unternehmen und junge Menschen kommunizieren oft aneinander vorbei.

Die Aufnahme eines Kredits wird in Deutschland häufig durch die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, begleitet. Diese Institution erfasst die Kreditwürdigkeit von Bürgern und wirkt sich maßgeblich auf die Bedingungen eines Kredits aus. Für viele Menschen, die aufgrund von negativen Schufa-Einträgen Schwierigkeiten haben, einen Kredit in Deutschland zu erhalten, stellt sich die Frage, ob Kredite auch im Ausland beantragt werden können, ohne dass die Schufa eine Rolle spielt. Überdies gibt es zahlreiche Hürden, die es zu überwinden gilt, um einen Kredit im Ausland zu erhalten. Der folgende Artikel klärt auf.

Die Stadt Frankfurt führt zur Stärkung der Nachtkultur einen sogenannten Nachtrat ein. Dieser Rat setzt sich aus 13 Menschen aus der Stadtverwaltung und den verschiedenen Branchen der Nachtökonomie zusammen. Das Gastgewerbe steht besonders im Fokus.

Ein Weihnachtsmarkt ohne Musik ist für viele undenkbar. Doch die vielerorts gestiegenen Gema-Rechnungen sorgten 2023 für Unmut. Die Verwertungsgesellschaft setzt nun auf mehr Infos für Veranstalter.

Deutschlands Arbeitnehmer machen die Kaufkraftverluste aus den Hochinflationszeiten weiter wett. Im zweiten Quartal übertrafen die Steigerungen der Bruttolöhne das fünfte Mal in Folge die Entwicklung der Verbraucherpreise.

Die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hat den „Freizeit-Monitor 2024“ vorgestellt. Für die seit 1982 regelmäßig durchgeführte Untersuchung wurden im Juli und August Bürger ab 18 Jahren zu über 100 unterschiedlichen Freizeitaktivitäten befragt.

Ein aktueller Bericht des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums bescheinigt der Lehrlingsausbildung in Österreich ein Langzeittief. Besonders auffällig ist die Entwicklung in der Tourismusbranche, wo sich die Zahl der Lehrlinge in den letzten 15 Jahren mehr als halbiert hat.