Kirschen, Beeren, Äpfel - das diesjährige Sommerobst wurde mit Hefe und Zucker angesetzt - inzwischen hat er sich in Wein verwandelt. Versetzt mit Gewürzen wird er derzeit in einem Zwei-Schicht-System bei der Obstkelterei Kurt Heide in Flaschen abgefüllt. 20 verschiedene Sorten Glühwein und einige Hunderttausend Liter bietet der Safthersteller Heide's in Siebenlehn in Mittelsachsen in dieser Saison an. «Wir bekommen ein hervorragendes Glühwein-Jahr. Die Vorbestellungen haben Vor-Corona-Niveau erreicht», sagt Geschäftsinhaber Tino Walcha. Und das trotz verheerender Ernteausfälle beim Obst im Freistaat nach den Spätfrösten im Frühjahr.
Der Safthersteller habe eine Preisverdopplung bei den Früchten hinnehmen müssen, so Walcha. «Aber da wir seit vielen Jahren Kunde bei den regionalen Obstplantagen sind, waren diese bemüht, dass wir unsere Bedarfsmengen bekommen.» Beim Absatz sei der Glühwein für das Unternehmen «prozentual gesehen das stärkste Produkt». Die Produktion von Glühweinen, aber auch von anderen Winterprodukten, ist in den letzten Jahren ein wichtiges Saisongeschäft für sächsische Keltereien geworden, sagt Andreas Mehlhorn, Vorsitzender des Fruchtsaftverbandes Sachsen. Viele hätten ihre Produktpalette ausgebaut.
Während 2013 die Umsätze der Keltereien im Verband im Segment Glühwein, Heißgetränke und Kinderpunsch bei 120.000 Euro lagen, waren es 2023 rund 500.000 Euro. «Die klassischen Weihnachtsmärkte sind ein wichtiger Absatzweg, aber auch der Verkauf direkt ab Hof», so Mehlhorn. Eine immer größere Rolle spielten Vereine oder Firmen, die für ihre Feiern in der Vorweihnachtszeit auf regionale Kelterei-Glühweine zurückgreifen. Im Verband sind 34 kleinere Keltereien organisiert, Heide etwa ist nicht dabei.
Bei der Lausitzer Früchteverarbeitung GmbH ist die Nachfrage nach den acht Sorten des «Dresdner Striezel Glühweins» in den letzten Jahren gestiegen, sagt Verkaufsleiter Dennis Merker. Das ursprüngliche Rezept stammt von der Kelterei Lockwitzgrund Dresden als einer der ältesten ihrer Art in Europa, so Merker. «In Ostdeutschland gab es wenig Trauben. Es wurden Reste von Äpfeln oder Kirschen aus den Saftkeltereien verwendet, Fruchtwein hergestellt und hierin hat unser Glühwein seinen Ursprung.» Die Lockwitzer Kelterei ging in den Wendejahren insolvent. Den Namen «Dresdner Striezel» und die Rezepte übernahm die Lausitzer Gruppe, die ihren Sitz in Sohland an der Spree im Landkreis Bautzen hat. Besonders weißer Glühwein werde immer beliebter. «Wir liefern mittlerweile in viele europäische Länder.»
Sachsen als «Weißweingegend» hat womöglich auch die Beliebtheit von weißem Glühwein mit beeinflusst, vermutet Tino Walcha. Während früher die Kundschaft noch zu 80 Prozent roten Glühwein trank, sei das Verhältnis seit letztem Jahr mit jeweils 50 Prozent ausgeglichen. «Der weiße Glühwein wird den roten noch überholen. Auch werden alkoholfreie Varianten beliebter.» Bei den Glühweinen aus Früchten werden die weißen Varianten oft auf Basis von Birne, Quitte oder dem hauseigenen Apfelwein hergestellt. Durch den Ernteausfall im Obstbereich sei besonders bei diesen Fruchtglühweinen der Keltereien «in jedem Fall mit Preissteigerungen zu rechen», ergänzt Mehlhorn. «Die Keltereien müssen die Rohwaren, die sie sonst selbst verarbeiten, teuer zukaufen.» Gleichzeitig werden in Sachsen auch Winzerglühweine hergestellt, meist auf den Weingütern in Ostsachsen.
Winzerglühwein nach historischem Rezept
Ein 190 Jahre altes Rezept etwa von August Raugraf von Wackerbarth bildet die Grundlage für den heutigen Glühwein des Sächsischen Staatsweinguts «Wackerbarths Weiß & Heiß», sagt Sprecher Martin Junge. 1834 kreierte der Raugraf ein Heißgetränk aus weißem Wein, exotischen Gewürzen, Safran und Granatapfel. Vor über zehn Jahren wurden seine Aufzeichnungen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden wiederentdeckt. «Wir haben es behutsam an den heutigen Geschmack angepasst», so Junge. Das weiße Heißgetränk besteht aus sächsischen Trauben und Traubensaft. Im Gegensatz zu den Fruchtglühweinen der Keltereien hat das Ernteergebnis des Weinjahres 2024 noch keinen Einfluss auf das diesjährige «Wackerbarths Weiß & Heiß», erläutert Junge. «Diese Weine reifen noch in unserem Weinkeller.»
Auch das Weingut Hoflößnitz in Radebeul hat die Glühweinproduktion für sich entdeckt. Ab 2012 wurde hier weißer Glühwein produziert, sagt Geschäftsführer Jörg Hahn. Inzwischen stellt das Weingut auch einen roten und einen Rosé-Glühwein her. Dabei mache der weiße Glühwein, ein Cuvée mit Müller-Thurgau als Hauptrebsorte, rund 50 Prozent des Absatzes aus. Da letztes Jahr im Dezember bei milden Temperaturen um 15 Grad Celsius die Glühweinumsätze auf den Weihnachtsmärkten um bis zu 50 Prozent eingebrochen seien, hofft der Geschäftsführer vor allem auf eines: kaltes Wetter. (dpa)