Karriere? Windstille im Homeoffice

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Bei aller Begeisterung über die Freiheiten der Homeoffice-Arbeit zeigen sich bei genauer Betrachtung erhebliche Nachteile für Leute, die Karriere machen wollen.

Über die Vor- und Nachteile der Homeoffice-Arbeit, die Auswirkung auf die Produktivität und die angebliche Lösung des Fachkräftemangel ist seit langem trefflich diskutiert worden. Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben – oder etwa nicht? Was lange als etabliert galt, bringt inzwischen immer mehr Chefs ins Zweifeln: Während Tesla-CEO Elon Musk seit jeher als Remote-Work-Pessimist galt und gar keine Home-Office-Regel für sein Unternehmen vorsah, pfiff Amazon-CEO Andy Jassy die Belegschaft erst kürzlich für zumindest drei Tage pro Woche zurück ins Büro. Der OpenAI-CEO, Sam Altman, meldete sich ebenfalls zu Wort. Das Home-Office sei der „größte Fehler“ seit Langem.

Er gestand sich ein, bei der völligen Umstellung auf Remote-Arbeit einige Fehler gemacht zu haben. Das „Experiment“, so sagte er kürzlich bei einem Event des Fintech-Startups Stripe in San Francisco, sei deshalb „vorerst beendet“. Das Homeoffice habe für „einen Verlust an Kreativität“ gesorgt. Die Technologie sei „noch nicht gut genug, dass die Leute für immer aus der Ferne arbeiten können“. Er sei der festen Überzeugung, dass Unternehmen in Zukunft, um Innovationen hervorzubringen, die Kreativität aller Mitarbeiter in der Firma brauchen. Und die brauche viel Anwesenheit. Je fragiler, nuancierter und unsicherer neue Ideen sind, desto mehr Zeit braucht man für persönliche Gespräche“.

Deutsche Expertinnen und Experten sind sich indessen sicher, dass es bei der Frage, ob Homeoffice gut oder schlecht ist, keine eindeutige Antwort gibt. Während es für einige Aufgaben von Vorteil ist, entstehen für andere Nachteile. So viel steht fest: Um Talente zu gewinnen, müssen Unternehmen im Arbeitsprozess viel mehr Flexibilität bieten. Sie riskieren dabei aber auch den Zusammenhalt von Teams. Die Effizienz der Abläufe leidet. Und nicht selten leiden Mitarbeiter auch unter den Auswirkungen des De-Socializing.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Deutsche Arbeitgeber sind nicht begeistert vom Homeoffice

Fragt man deutsche Unternehmer nach ihrer ehrlichen Meinung über Remote Working, blickt man größtenteils in säuerliche Minen. Während das eine Lager zwar schon darüber nachdenkt, wie man die teuer angemieteten Büroflächen zeitnah und kostensparend reduzieren kann, wenn nicht mehr so viele Mitarbeiter einen Arbeitsplatz in der Firma benötigen, beobachten andere sorgenvoll, dass der Wechsel zwischen Büro und heimischem Schreibtisch die Anforderungen an die Führungskräfte erheblich steigert, denn Remote-Teams zu steuern, erfordert eine höhere Qualität von Kommunikation, Organisation und Kontrolle, als wenn man stets „alle Schäfchen am heimischen Schornstein“ hat. Wer hier den Dreh nicht heraus hat, riskiert, dass die Gruppendynamik in seiner Belegschaft beeinträchtigt, die organisatorische Ausrichtung und die Agilität behindert werden, wenn das Socializing fehlt. Abgesehen davon sind viele Unternehmen zu der Erkenntnis gekommen, dass sich nicht alle Arbeitsprozesse aus dem Home-Office verrichten lassen. Ihre Abneigung gegen pauschale Gesetzesregelungen („Recht auf Homeoffice“) ist daher verständlicherweise groß.

Wer nicht da ist, wird leicht vergessen

Glaubt man dagegen den zahlreichen Studien, die inzwischen meist von arbeitnehmerfreundlichen Initiatoren durchgeführt wurden, können sich die meisten Beschäftigten mit der Arbeit am heimischen Arbeitsplatz in hohem Maße anfreunden. Von der Verbesserung der Work-Life-Balance, dem Wegfall des zeitraubenden täglichen Pendelverkehrs zwischen Wohnung und Büro, der Optimierung des häuslichen Zusammenlebens, Flexibilität der Arbeitszeit bis hin zum Freiraum in der Gestaltung der eigenen Aufgaben reicht die Liste der positiven Argumente. Das alles mag für Menschen zutreffen, die keinen Anspruch an ihre berufliche Weiterentwicklung haben. Anders sieht das aber bei ehrgeizigen Karrieristen aus.

Die übersehen im Nebel der Homeoffice-Begeisterung häufig, dass die dauerhafte Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus in vielen Fällen karriereschädlich wirken kann. Es ist nun mal schwierig, Menschen zu befördern, die man nicht zu Gesicht bekommt, insbesondere dann, wenn es sich um Management-Positionen handelt. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Lern- und Entwicklungsprozesse vor Ort im Betrieb besser als am heimischen Arbeitsplatz erreichbar sind. Kein Remote-Arbeiter lernt am Schreibtisch zuhause, wie man besser mit Kunden oder Mitarbeitern umgehen sollte, wie man Konflikte zwischen Kollegen wertschätzend lösen kann oder die eigenen Leute zu Spitzenleistung führt. Und: jemand mit Führungsverantwortung kann ja seine Leute aus der Ferne nicht allein über E-Mails, Video-Calls und Mobile für die gemeinsamen Ziele einschwören, den erforderlichen Korpsgeist entfachen und die zu Führenden an das Unternehmen binden. Oft fehlt es ganz einfach auch am spontanen Ideenaustausch mit den Kollegen aus dem Nachbarbüro, der gerade heutzutage für das allerorts gefragte InnovationsManagement, die schnelle Kommunikation und zügige Entscheidungsprozesse so dringend gebraucht wird.

Homeoffice als Karrierebremse

Leute mit Vorwärtsdrang sollten daher bedenken: Wer im Unternehmen, beim „Flur-Funk“, in der Kaffeeküche nicht wahrgenommen wird, verzichtet nicht nur auf die täglichen wichtigen News über Veränderungsprozesse, neue Personalien, den aktuellen Klatsch, sondern vergibt vor allem seine Chance, sich persönlich an wichtigen Diskussionen zu beteiligen oder sich für größere Aufgaben zu positionieren – weil man einfach nicht da ist, nicht wahrgenommen wird – und nicht „die Hand am Puls des Geschehens“ hat. Kurz: Wer nicht da ist, wird leicht vergessen und im schlimmsten Fall auch nicht um seine Meinung gefragt. Und in Zeiten, in denen Unternehmen wieder mal im Zuge der Transformation erneut über die Freisetzung von Mitarbeitern nachdenken, könnten unbekannte Gesichter auch leichter auf die Straße gesetzt werden.

Bei aller Begeisterung für das Arbeiten im Homeoffice lohnt es sich also, im Sinne der Karriere die eigene Präsenz am Firmenstandort deutlich zu erhöhen. Häufiger das Gesicht zu zeigen, erleichtert eben auch die interne Netzwerkpflege mit dem Chef oder dem Chef-Chef.


Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


 

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