Mitarbeitermangel: Das dicke Ende kommt noch!

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Die schwierige Suche nach Mitarbeitern vermiest vielen Unternehmen heute schon das Geschäft. Mehr noch: Die Aussichten werden nicht besser. Die arbeitende Bevölkerung schrumpft unaufhörlich weiter. Doch diese unbequeme Wahrheit will offenbar niemand hören. Was ist zu tun?

Als wir über das weitere Wachstum seiner Hotelgruppe sprechen, stehen dem Geschäftsführer fast die Tränen in den Augen: „Der größte Bottleneck ist für uns der Mangel an Mitarbeitern“, stellt er fest – „nicht etwa der Mangel an Gästen!“ Und sein Kollege, CEO und Inhaber einer sehr erfolgreichen mittelständischen Baufirma, bestätigt diese Aussage: „Die Auftragsbücher sind voll. Aber wir haben zu wenig qualifizierte Leute, um die Projekte zu realisieren“. Beide Gesprächspartner stehen stellvertretend für zahlreiche Branchen.

Der Fachkräftemangel beschäftigt Betriebe landauf, landab nun schon seit Jahren. Fast die Hälfte der Unternehmen (46 %) gab im vergangenen Dezember bei einer Umfrage der KfW und des ifo-Instituts an, dass vorrangig der Mangel an Arbeitskräften ihr Geschäft vermiest. Vor allem im Dienstleistungssektor (z. B. Touristik, Hospitality Industry, Gastronomie, IT u.v.m.) klagen besonders viele Unternehmen. Für die Hotellerie z. B. verschärft sich dieser Trend vor allem deshalb, weil sie durch die zahlreichen Neueröffnungen eigentlich zu einem Job Motor hätte werden können. Aber dem geht inzwischen der Treibstoff Mensch aus.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Ursache Demografie

Doch noch schlägt der demografische Wandel gar nicht mit voller Härte zu. Viele Babyboomer sind noch im Job. Und: Noch nie haben so viele Menschen gearbeitet wie jetzt. Die Personalknappheit, die wir momentan erleben, ist die größte seit den Wirtschaftswunderjahren. Sie kommt durch den hohen Bedarf an Arbeitskräften. Noch im vierten Quartal 2022 gab es in Deutschland etwa 2 Millionen offene Stellen – so viele, wie nie zuvor. Auch wenn diese Zahl im ersten Quartal 2023 auf ca. 1.75 Millionen gesunken war, steht unserem Land die Schrumpfung der arbeitenden Bevölkerung erst noch bevor. Das Potenzial an Erwerbstätigen wird von 45,7 Millionen auf 40,4 Millionen sinken.

An diesen Fakten kommen wir nicht vorbei. Wir müssen uns aber außerdem kritisch fragen, ob wir uns bisher nicht in alten Verhaltensmustern verhakt und die Zeichen an der Wand ignoriert haben. Die Gewohnheit, zu jammern, andere verantwortlich zu machen und das bisherige Suchen von Mitarbeitern nur mit Aktionismus zu betreiben, entpuppt sich inzwischen als eine der hausgemachten Ursachen des Problems. Sehen Sie dazu den Buchtipp „MITARBEITER suchen, finden, fördern, binden“ unter https://www.von-bonin.de/newsmeldung/mitarbeiter-suchen-finden-foerdern-binden/

Wer in der Wüste Wasser sucht, muss tiefe Brunnen bohren

Es wird deutlich: Jeder Betrieb braucht eine durchdachte Strategie für die Suche nach dem “knappen Wasser in der Wüste“. Haben wir wirklich schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft, alle infrage kommenden Ressourcen gehoben? Müssen wir nicht „tiefere Brunnen bohren“?

Was also hilft? Wenn wir den Fachkräftemangel lindern wollen, braucht es verschiedene Hebel, die in Bewegung gesetzt werden müssen. Hier einige Beispiele:

  • Schaffung von neuen Arbeits- und Organisationsstrukturen und „vorwärts gerichteten“ Personalabteilungen
  • Flexibilisierung/Individualisierung der Arbeitszeit, Remote Working
  • Entwicklung von sinnvollen Benefits nach dem Cafeteria-Prinzip
  • Stärkere Berücksichtigung bisher vernachlässigter Zielgruppen wie z. B. Schulabgänger ohne Abschluss, Best Ager, Seiteneinsteiger aus verwandten Branchen, Migranten etc.
  • Wer kann und will, sollte länger arbeiten
  • Reduzierung von Frauen-Teilzeitarbeit zugunsten von Vollzeitbeschäftigung durch verbesserte Kinderbetreuung
  • Aktive Weiterbildungsprogramme
  • Förderung der Führungskompetenz („Neue Führung“)

Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Viele dieser Maßnahmen haben heute bereits Großunternehmen etabliert, in kleinen und mittelständischen Betrieben sind diese Rahmenbedingungen allerdings seltener anzutreffen.

Steigendes Arbeitsvolumen, sinkende Produktivität

Als ob das Dilemma nicht schon groß genug wäre, kommt eine Analyse des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) zu folgendem dramatischen Ergebnis:

In Deutschland ist die Produktivität der Arbeit weiter gesunken. Die Zahl der Beschäftigten stieg leicht an, auch die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden nahm zu. Doch der Krankenstand war so hoch wie noch nie. Dieser Rückgang der Produktivität ist alarmierend. Denn die Produktivität muss dringend steigen, um den Wohlstand zu sichern – und das vor dem Hintergrund, dass viele Menschen weniger arbeiten wollen.

Bei näherer Betrachtung ist zwar die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen und es wurden mehr Arbeitsstunden geleistet, aber das Ergebnis ihrer Arbeit wuchs nicht mit – mehr noch: es war sogar im ersten Quartal dieses Jahres geringer als vor einem Jahr. D. h. die Unternehmen stellten mit annährend unveränderter Belegschaft weniger her. So sinkt die Produktivität.

Dabei wissen wir alle: Das Wachstum der Produktivität ist ein wesentlicher Faktor für den Wohlstand einer Gesellschaft. Je geringer die Produktivität wächst, umso stärker ist unser Land auf Zuwanderung im Arbeitsmarkt angewiesen. Oder die Beschäftigten müssten selbst mehr arbeiten – entweder an Wochenstunden oder mit einer längeren Lebensarbeitszeit, etwa durch späteren Rentenbeginn. Vor diesem Hintergrund erscheint der Ruf nach einer Vier-Tage-Woche zwar populär, aber mehr als fragwürdig. Die SPD hat sich sogar eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zum Ziel gesetzt. Das würde all die obengenannten Herausforderungen um ein Vielfaches vergrößern, wenn die Produktivität nicht schnellstmöglich wieder steigt. Die Devise muss also lauten: Nicht weniger arbeiten, sondern länger. Wir ruhen uns gerade etwas auf unseren Erfolgen aus und haben das Gefühl, wir sind immer noch führend auf vielen Gebieten in der Welt. Das ist aber nicht mehr der Fall. Schaut man nach China oder in andere südostasiatischen Länder, sieht man, wie hungrig, energisch und intensiv die Menschen dort arbeiten. Da bleibt einem schon der Atem stehen. Ich denke, wir sollten uns nicht immer nur um den sozialen Teil der Sozialen Marktwirtschaft kümmern, sondern müssen uns auch um den marktwirtschaftlichen Teil kümmern.

Deutsche Wirtschaft laut OECD in der Rezession

Wer jetzt immer noch an Schwarzmalerei glaubt, den überzeugen vielleicht die jüngsten Analysen der OECD: Im ersten Quartal 2023 lag die Wirtschaftsleistung in Deutschland bereits im 0,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Nach schlechten Zahlen aus der Industrie sowie in den Umfragen zur Stimmung bei den Unternehmen hatten zuletzt immer mehr Ökonomen ihre Prognose für die Konjunktur in Deutschland gesenkt. Nach dem das BIP bereits im vierten Quartal gesunken war, befindet sich Deutschland offiziell in einer Rezession – auch wenn unsere Regierung die Situation schön zu reden versucht. Nicht wenige Fachleute gehen nun davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch im gesamten Jahr 2023 schrumpfen wird. Deutschland ist laut der OECD damit das Schlusslicht der großen Industrieländer – und liegt sogar nur noch knapp vor Russland.

Das Klagen über den vermeintlich als gravierend empfundenen Anstieg des Arbeitsdrucks und die geringe Leistungsbereitschaft in der Bevölkerung bei gleichzeitig sinkender Produktivität und schrumpfendem BIP dürften also für Wirtschaft und Gesellschaft keine optimistischen Perspektiven eröffnen.



Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


 

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