Nachtzuschläge können unterschiedlich hoch sein

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Nachtzuschläge - Dürfen die Zuschläge für Nachtarbeit unterschiedlich hoch sein? Darüber wird seit Jahren gestritten. Das Bundesarbeitsgericht fällte in dem seit Jahren schwelenden Streit am Mittwoch in Erfurt ein erstes Grundsatzurteil. Es wird nach Meinung von Arbeitsrechtlern Signalwirkung für tausende weitere Klagen haben, die bei den deutschen Arbeitsgerichten liegen.

Nachtzuschläge - Was entschieden wurde

Der Zehnte Senat urteilte in einem Fall, der den Getränkekonzern Coca-Cola in Ostdeutschland betrifft, dass Tarifverträge unterschiedlich hohe Nachtzuschläge vorsehen können (10 AZR 332/20). Es ging dabei um die Frage, ob für gelegentliche Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 Prozent gezahlt werden kann, für regelmäßige nächtliche Schichtarbeit aber nur von 20 Prozent. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter bejahten das in dem Fall aus Berlin-Brandenburg.

Nachtzuschläge - Die Begründung

Nach dem Urteil sind unterschiedlich hohe Zuschläge für Nachtarbeit dann möglich, «wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss». Neben dem Gesundheitsschutz könnten die Tarifvertragsparteien mit der Höhe des Zuschlags weitere Zwecke verfolgen, sagte der Vorsitzende Richter Waldemar Reinfelder. Es liege in ihrem Ermessen, wie sie die schlechtere Planbarkeit gelegentlicher Nachtarbeit ausgleichen. «Die Tarifvertragsparteien können aber keine willkürlichen Regelungen treffen», sagte er. Es gehe stets um einen Ausgleich der Erschwernis durch Nachtarbeit - das sei im Arbeitszeitgesetz geregelt.

Die Bedeutung des Urteils

Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing bewertet die Bedeutung hoch. «Das wird der Maßstab sein, an dem alle anderen Fälle entschieden werden», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Die Schablone ist jetzt gemacht.» Letztlich sei bei den unterschiedlichen Tarifverträgen, die das BAG in den kommenden Monaten zu prüfen habe, zu klären: «Gibt es einen sachlichen Grund für eine Differenzierung und ist er im Tarifvertrag erkennbar.» Dabei kann es nach Einschätzung des Jura-Professors auch überraschende Urteile geben. Viele der umstrittenen Tarifverträge seien historisch gewachsen und nicht immer systematisch angelegt.

Nachtzuschläge - Viele Klagen bei Gerichten

Etwa 6000 Klagen liegen noch bei den Arbeitsgerichten, schätzt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Es gehe um einen Streitwert, «der sich mittlerweile auf gut 50 Millionen Euro summiert hat». Allein 400 Klagen haben es bereits bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) geschafft. «Der Zehnte Senat wird sich jede tarifliche Regelung anschauen und je nach den Vereinbarungen einzeln entscheiden», kündigte BAG-Präsidentin Inken Gallner kürzlich an. Weitere Verhandlungen seien im März, Mai und Juni zu erwarten.

Auswirkung für Zehntausende Arbeitnehmer

Betroffen von Nachtarbeit sind laut NGG sehr viele Arbeitnehmer: «Wir schätzen, dass von den rund 720 000 Beschäftigten in der Ernährungs- und Genussmittelindustrie nach Abzug der Beschäftigten, die in der Verwaltung oder im Zwei-Schicht-System (ohne Nachtschicht) arbeiten, rund 250 000 Beschäftigte von der Entscheidung zu den Nachtschichtzuschlägen potenziell betroffen sind», sagte eine Sprecherin. Die Klagevertreterin sprach von möglichem Anpassungsbedarf bei Tarifverträgen, Coca-Cola Europacific Partners Deutschland von einer richtungsweisenden Entscheidung im Tarifgebiet Ost und darüber hinaus.

Die Argumente der Streitparteien

Die Anwältin der Klägerin vom DGB-Rechtsschutz wollte eine «Anpassung nach oben» bei den Nachtarbeitszuschlägen. Schichtarbeiter dürften nicht schlechter gestellt werden als Arbeitnehmer, die gelegentlich nachts arbeiteten. Der Vertreter des Unternehmensverbandes, der den Getränkekonzern vertrat, sagte, unregelmäßige Nachtarbeit gebe es bei «Arbeiten, die keinen Aufschub dulden». Als Beispiel nannte er Noteinsätze von Technikern, wenn kurzfristig Reparaturen an Maschinen nötig seien. Der höhere Nachtarbeitszuschlag für gelegentliche Einsätze solle auch den Eingriff in den Freizeitbereich von Menschen ausgleichen, die nur selten zur Nachtarbeit herangezogen werden. Zudem würden Arbeitgeber «abgehalten, das häufiger zu machen».

Der Präzedenzfall

Es ging um einen Tarifvertrag, den die NGG bereits 1998 mit dem Arbeitgeberverband abgeschlossen hat. Die Gewerkschaft wollte die Regelung eigentlich gern vom Tisch haben. Die Klägerin, die regelmäßig nachts arbeitet, verlangte, dass ihr die Differenz zwischen 20 und 50 Prozent erstattet wird - letztlich ohne Erfolg. Ihr Fall hatte Furore gemacht, weil er 2020 vom Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt wurde. Die europäischen Richter kickten den Ball zurück - und entschieden nicht. Damit war der Zehnte Senat am Zug. (mit dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Bei Angestellten in Deutschland - ob vor Ort oder im Homeoffice - dauert die Mittagspause nur 20 bis 30 Minuten, findet oft am Schreibtisch statt und meist kommt selbst vorbereitetes Essen auf den Tisch.

Für viele ist der Firmenwagen mehr als ein Auto: Er ist Statussymbol, Teil des Gehalts und Arbeitsmittel. Wird der Wagen gestrichen, ist der Ärger mitunter groß. Aber ist das überhaupt erlaubt?

Work-Life-Balance ist längst nicht mehr nur Sache der jüngeren Generationen: Eine Studie zeigt, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer lieber mehr freie Zeit hätte. Welchen Preis würden sie dafür zahlen?

Insgesamt 479.800 neue Ausbildungsverträge wurden im Jahr 2023 in Deutschland in den insgesamt 328 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen abgeschlossen. Das vermeldet destatis diese Woche. Das sind 2,1 Prozent mehr als 2022 und damit erstmals seit der Coronakrise wieder ein deutliches Plus. Im Gastgewerbe sehen die Zahlen noch deutlich besser aus.

Zum Start des Ausbildungsjahres rückt die Kluft zwischen unbesetzten Lehrstellen und Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz wieder in den Blickpunkt. Dass junge Menschen und Betriebe häufig nicht zueinander finden, hat mehrere Ursachen. Ein Grund: Unternehmen und junge Menschen kommunizieren oft aneinander vorbei.

Die Aufnahme eines Kredits wird in Deutschland häufig durch die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, begleitet. Diese Institution erfasst die Kreditwürdigkeit von Bürgern und wirkt sich maßgeblich auf die Bedingungen eines Kredits aus. Für viele Menschen, die aufgrund von negativen Schufa-Einträgen Schwierigkeiten haben, einen Kredit in Deutschland zu erhalten, stellt sich die Frage, ob Kredite auch im Ausland beantragt werden können, ohne dass die Schufa eine Rolle spielt. Überdies gibt es zahlreiche Hürden, die es zu überwinden gilt, um einen Kredit im Ausland zu erhalten. Der folgende Artikel klärt auf.

Die Stadt Frankfurt führt zur Stärkung der Nachtkultur einen sogenannten Nachtrat ein. Dieser Rat setzt sich aus 13 Menschen aus der Stadtverwaltung und den verschiedenen Branchen der Nachtökonomie zusammen. Das Gastgewerbe steht besonders im Fokus.

Ein Weihnachtsmarkt ohne Musik ist für viele undenkbar. Doch die vielerorts gestiegenen Gema-Rechnungen sorgten 2023 für Unmut. Die Verwertungsgesellschaft setzt nun auf mehr Infos für Veranstalter.

Deutschlands Arbeitnehmer machen die Kaufkraftverluste aus den Hochinflationszeiten weiter wett. Im zweiten Quartal übertrafen die Steigerungen der Bruttolöhne das fünfte Mal in Folge die Entwicklung der Verbraucherpreise.

Die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hat den „Freizeit-Monitor 2024“ vorgestellt. Für die seit 1982 regelmäßig durchgeführte Untersuchung wurden im Juli und August Bürger ab 18 Jahren zu über 100 unterschiedlichen Freizeitaktivitäten befragt.