Von Flachwurzlern und Sonnenfressern

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Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Es muss sich etwas ändern auf den Chefetagen: Die Führungskräfte, die heute über die Zukunft von Unternehmen entscheiden, sollen nicht einfach nur funktionieren. Sie müssen Vorbildfunktion repräsentieren. Kommunizieren statt regieren. Anpacken statt anpassen. Zuhören statt ständig senden. Doch die Entwicklung scheint gerade andersherum zu laufen. 

Er ist etliche Jahre CEO eines bedeutenden Hotel- und Touristikkonzerns, Jahrzehnte im Geschäft – aber alles andere als ein „Old School“-Manager. Nein, eher ein moderner Vorwärtsdenker, eine innovative Führungspersönlichkeit ohne Neigung zum Chef-Gehabe. „Der ist schon ein paar Mal um Cap Horn gesegelt“, sagen Leute, die ihn gut kennen, bewundernd. „Der hat uns schon aus mancher Krise erfolgreich gerettet“.

Im Gespräch mit der Nr. 1

„Wie schafft man das?“, will ich von ihm wissen. Seine Antwort kommt eher bescheiden daher: „Klingt abgedroschen, aber es geht nur im Team. Und ich denke, ich war meistens fair und glaubwürdig, auch wenn manche Entscheidungen hart sein mussten. Mein Wort zählt“.
Er habe bei seinen Mitarbeitern im Führungskreis stets darauf geachtet, dass sie authentische Persönlichkeiten sind, sich gern in flachen Hierarchien und durchlässigen Strukturen bewegen, eine gesunde Portion Selbstreflexion zeigen, Initiative und Unternehmergeist vorleben.
„Wer bei uns in Führung gehen will, sollte sein Ego an der Garderobe abgeben“


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Was hat sich im Laufe der vielen Jahre im Management geändert?

„Unser Verständnis von moderner Führung ist in erster Linie DIENEN“, so die Antwort des CEO. Es gehe nicht um die eigene Person, die eigene Karriere, sondern um die Menschen, mit denen man etwas bewegen will und um den Erfolg des Unternehmens, den Markt, die Kunden – und um die Gesellschaft. Doch das wird zunehmend schwieriger. Denn im Management ist heute die Zahl der Leute, für die der alte Kaufmannsspruch Ein Mann, ein Wort gilt, leider geringer geworden. Es gibt nur noch wenige, mit denen man etwas vereinbaren kann – und die auch nach ein paar Woche immer noch dazu stehen. Jetzt gibt es mehr Selbstdarsteller, Windkanal getestete, chemisch gereinigte Schönschwätzer ohne Substanz – aber ständig sind sie in der Social Media Welt präsent. Ich nenne sie Flachwurzler und Sonnenfresser“.

Zwei gefährliche Typen

„Das müssen Sie erklären!“ Er lacht: „Flachwurzler können sehr gut reden, bleiben aber oft an der Oberfläche. Das Schwierige wird aufgebauscht, der Erfolg anderer wird verächtlich gemacht. Das ist ihr Geschäftsmodell. Selten hören sie ihren Mitmenschen zu, wissen alles besser. Sie glänzen in Meetings mit schnellen Lösungen. Bedenken aber das Ende ihrer Entscheidungen nicht. Sie versprechen viel, aber können sich später nicht mehr daran erinnern. Daher hinterlassen sie oft verbrannte Erde. Dann suchen sie sich eine neue Umgebung, neue Aufgaben, neue Menschen. Wenn es eng wird, oder wenn sie sich an einer schwierigen Aufgabe abarbeiten müssen, verkümmern sie oder werden unleidlich. Nicht selten haben sie auch in ihrer privaten Partnerschaft Probleme. Aus der Natur wissen wir, dass Flachwurzler bei Gegenwind oder gar verheerenden Stürmen die ersten sind, die umfallen“.

„Und wen bezeichnen Sie als „Sonnenfresser“? „Ihre Eigenschaften finden sich auch bei Flachwurzlern wieder. Sie brauchen ständig die Sonne der Aufmerksamkeit Ihres Vorgesetzten und ihrer Kollegen. Das ist anstrengend. Denn sie werfen dadurch gleichzeitig auch Schatten auf den Rest der Mannschaft. Werden sie mal von jemandem in ihrer Leistung überflügelt, dann geht´s ihnen schlecht. Gefährlich dabei ist: Weil sie glänzende Selbstdarsteller sind und die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, werden Sonnenfresser lange Zeit von ihrem Umfeld völlig überschätzt und für besonders leistungsfähig gehalten. Dabei sind sie oft nur Blender und produzieren nichts als heiße Luft.“

„Welche Qualifikationen brauchen die Manager der Zukunft?“

Diese Frage habe ich zahlreichen Unternehmern gestellt. Den meisten ist bewusst: Die Welt von morgen verändert sich so schnell wie nie. Vor uns liegt eine Zeit weitreichender Krisen und Unsicherheiten. Ganz zu schweigen vom immer härter werdenden Wettbewerb. Der Kindergeburtstag ist vorbei. Heute und morgen wird eine neue Klasse von Führungskräften gebraucht. Statt ständig nach Arbeitszeitverkürzung zu rufen und sich überlastet zu fühlen, werden wir eher noch eine Schippe drauflegen müssen. Statt sich ständig über die Zumutungen des Managerlebens zu beschweren, gilt es, in die Hände zu spucken und die anstehenden Probleme zu lösen. Genau das ist die Aufgabe von Führungskräften. Punkt! Wer sich dabei überfordert fühlt, sollte nicht ins Management gehen. Die viel zitierte Erschöpfung von Managern ist aus der Sicht vieler CEOs ein deutsches Phänomen, das Resultat veralteter Vorstellungen von Führung und Organisation.

In Zukunft gilt: Nicht mehr das Verständnis von einem Einzigen an der Spitze zählt, sondern das Konzept der Gemeinschaftsleistung führt zum Ziel. Es wird mehr denn je zur Führungskompetenz gehören, jeden Einzelnen im Team mitzunehmen, zu fordern und zum Erfolg beizutragen zu lassen. Das erfordert von Führungskräften einerseits Resilienz, Stehvermögen, Problemlösungskompetenz, andererseits ehrliches Teamplay, wertschätzende Kommunikation, unbeugsamen Optimismus und die Überzeugungskraft, dass wir die Herausforderungen gemeinsam schaffen werden. Hoffnung stabilisiert und trägt. Und - man braucht die Fähigkeit, in all diesem Tohuwabohu, sich den Humor und den Blick für die Chancen zu bewahren, die in jeder Krise liegen. Und dann einfach MACHEN. Getreu des kategorischen Imperativs von Hannah Arendt Ich erwarte immer das Schlimmste, aber erhoffe stets das Beste – und am Schluss nehme ich es, wie es kommt!“

Bei vielen Unternehmenslenkern begegnet mir derzeit häufig der Wunsch nach einem neuen Führungsgeist: Mehr Mut. Einfach loslegen! Dahinter steckt die Erkenntnis, dass in vielen ihrer Organisationen Chancen verstreichen, weil sich niemand traut, den Anfang zu machen. Aus Angst vor Niederlagen wartet jeder auf ein Signal von oben. Und wenn das ausbleibt, dann geschieht nichts. Dabei sei es doch eine Überlegung wert, mit einer guten Idee einfach mal anzufangen – auch wenn noch Fragen offen sind. Das solle kein Plädoyer für mehr Leichtsinn sein, so der Chef eines mittelständischen Start Ups. "Aber womöglich ist der Wettbewerber schneller als wir und dann ist unsere Gelegenheit für eine Innovation schon verpasst".

Wir sind uns einig: Das erfordert aber auch eine neue Fehlerkultur in den Unternehmen – und eine kritischere Auswahl von Führungskräften – damit Flachwurzler und Sonnenfresser gar nicht erst eingestellt werden.


Autor
Albrecht von Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de

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