Christian Bau übt erneut Kritik: „Keiner will sich den Mund verbrennen“

| Gastronomie Gastronomie

Drei-Sternekoch Christian Bau beklagt einmal mehr den fehlenden Zusammenhalt unter den deutschen Spitzenköchen. Ferner fordert Bau in einem „Restaurant-Ranglisten-Podcast“ eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, wünscht sich erneut mehr Anerkennung durch die Politik und eine bessere Tourismuswerbung. Bau wiederholt damit seine Thesen und Forderungen, die er bereits vor einem Jahr nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes aufgestellt hatte. (Artikel „Die Politik verachtet uns“ bei Tageskarte)

Eingehend auf die Beziehungen unter den Spitzenköchen in Deutschland sagte Bau: „Wir respektieren uns untereinander“, sagte Christian Bau, aber „man ist bis heute nicht bestrebt, dass sich alle Drei- und vielleicht auch eine Handvoll Zwei-Sterneköche treffen und sagen, so und so wird’s gemacht. Da kocht jeder sein eigenes Süppchen.“ In Frankreich, Skandinavien und Spanien gebe es einen größeren Schulterschluss, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Ein gemeinsames Auftreten wäre aus Sicht des Drei-Sternekochs bei drängenden Problemen der Spitzengastronomie sinnvoll – insbesondere, um die Darstellung im Ausland zu verbessern oder Druck auf die Politik auszuüben. Hinter verschlossenen Türen werde vieles einvernehmlich besprochen, „aber wenn die Türen aufgehen, will sich niemand den Mund verbrennen und keiner sucht den Schulterschluss zum anderen“, damit unsere Interessen gehört und umgesetzt werden „Da passiert nichts.“ 

Aus der Sicht von Christian Bau sind allerdings nicht nur die Top-Köche, sondern auch andere "vermeintliche Lichtgestalten" der Branche gefragt. Als vorbildlich bewertet Christian Bau die frühere Zusammenarbeit großer Köche in der Region Lyon. „Da gab es einen Troisgros, einen Pic, einen Bocuse. Das waren nicht die dicksten Freunde, aber wenn es um die Sache ging, haben sie sich aufgemacht, die Schürzen und die Kochmützen angezogen und gesagt, wir vertreten Lyon, wir vertreten Frankreich, wir vertreten die Kulinarik. Und sie haben Dinge eingefordert.“ Bei uns werde kein Druck aufgebaut, nicht nur auf die Politik, sondern auch branchenintern auf Organisationen wie den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. 

Internationale Rankings: „Andere Nationen haben uns vorgemacht, wie es geht“

Eine Folge des mangelnden Zusammenhalts seien die schlechten Platzierungen deutscher Restaurants in internationalen Rankings, wie der The World’s 50 Best Restaurants-Liste, in der unter den Top 50 gegenwärtig nur noch das Berliner Restaurant Tim Raue geführt wird. Im erweiterten Kreis sind mit den Restaurants Aqua, Nobelhart & Schmutzig und Ernst derzeit drei weitere platziert. „Andere Nationen haben es vorgemacht, wie es geht“, meint Christian Bau - er hat dabei vor allem die skandinavischen Länder im Blick. Die deutsche Spitzengastronomie habe das Leistungsniveau für vordere Platzierungen, zumindest die in Deutschland Stimmberechtigen schafften es nicht, Restaurants herauszukristallisieren, die zumindest in diesem Kreis gewählt würden. Christian Bau war selber sieben Jahre für die The World’s 50 Best Rangliste stimmberechtigt.

The World’s 50 Best: „Es sind nicht die besten der besten die vorn stehen“

Aus der Sicht von Christian Bau führt die Liste den Endverbraucher „an der Nase herum“. „Es sind nicht die besten der besten die vorn stehen, es sind die angesagtesten.“ Würde die Liste die „angesagtesten Restaurants der Welt“ heißen, hätte er kein Problem damit. So hinterfragt Christian Bau das intransparente Abstimmungsverfahren und die Auswahl der stimmberechtigten Personen. "Ich sage es ganz brutal: das da abgehungerte Magermodels kommen, asiatisch aussehend, die das große Menü bestellen, aber zwei Drittel des Menüs gar nicht essen, sondern mit Fotografieren beschäftigt sind. Das ist sehr provokativ, aber das ist die Wahrheit. Das sind die Gespräche, die wir Spitzenköche hinter verschlossenen Türen führen.“ Im Übrigen würden diese Leute bei der Reservierung angeben, für wen sie voten, in der Hoffnung "etwas für lau" zu bekommen. Es gehe denen nur darum, das Restaurant als besucht abzuhaken und Fotos zu machen.

Unsere Popularität ist im Ausland größer als im Inland

Einen ganz anderen Eindruck vom Image der deutschen Spitzengastronomie hat Christian Bau jedoch durch seine Auslandsreisen gewonnen. Da erfahre er hohe „Akzeptanz und Respekt“ und werde auch immer wieder auf andere deutsche Spitzenrestaurants angesprochen. Aber das schlage sich in den Listen nicht nieder. Gerade die internationalen Gäste seien jedoch wichtig für sein Restaurant. Aufgrund der Grenzlage zu Frankreich. Luxemburg und Belgien hat das Victor’s Fine Dining rund 50 Prozent ausländische Gäste. Eine entscheidende Rolle spiele aber auch die Nähe zum Luxemburger Flughafen, für Gäste aus Skandinavien und London. Die häufigen Verbindungen zum Londoner City Flughafen hätten die Folge, dass für manchen Gast aus London, die Reise nach Perl-Nennig schneller gehe, als in der Rush Hour in London ein Restaurant am anderen Ende der Stadt zu besuchen. „Unsere Popularität – das sage ich einerseits mit Stolz, aber auch mit einem weinenden Auge – ist im Ausland eigentlich größer als im Inland.“ Zwar seien die deutschen Gäste sehr treu, sagt Christian Bau, aber der Zuwachs in der Nachfrage sei nur durch ausländische Gäste zu erreichen gewesen. In den vergangenen drei Jahren, sagt er, "sind an nahezu jedem Tag alle zehn Tische im Restaurant ausgebucht."

„Verschenktes Potenzial in der Tourismuswerbung“

In dem Zusammenhang bemängelt Christian Bau auch, dass die Top-Restaurants in der Tourismuswerbung keine Rolle spielen. Als Beispiel sei nur das Saarland und die angrenzende Mosel-Region zu nennen. Die Saarschleife werde viel beworben, aber die Kombination aus einigen der besten Weinbergslagen an Saar und Mosel und der hohen Dichte an Zwei- und Drei-Sternerestaurants spiele in der Tourismuswerbung keine Rolle. „Wenn ich sehe, was das Land daraus macht, ist das gleich Null-komma-null“. Daran werde sich nichts ändern, so lange Politiker sich nicht zur Top-Gastronomie bekennen würden. Das heißt für Christian Bau nicht, dass sie zwangläufig die Restaurants als Gäste besuchen müssen. „Es geht mir um die Akzeptanz für ein Spitzenprodukt und für einen riesengroßen Anteil an Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Dienstleistungsgewerbe, der keine Akzeptanz genießt.“ Für ihn sei es ein „Stich ins Herz“, wenn Politiker jedes Jahr die subventionierten Festspiele in Bayreuth besuchten, es aber für sie ein „No Go“ sei, sich in einem Sternrestaurant zu zeigen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Plätze im Bierzelt am Samstagabend auf dem Oktoberfest sind Mangelware. Manche lassen sich von Angeboten im Internet verlocken. Doch die Verbraucherzentrale Bayern warnt.

Typische Nachspeisen waren einst Milchreis oder Pudding. Heute sind anspruchsvollere Desserts angesagt. Kinder sprechen etwa über ihre Lieblings-Macarons oder Pavlova. Zeit für eine Nasch-Recherche.

Mit neun Restaurants, die vom Guide Michelin ausgezeichnet wurden, weist Nürnberg unter den deutschen Großstädten die meisten Michelin-Sterne pro Kopf auf. Auf dem ersten Platz weltweit landete Japans kulturelle Hauptstadt Kyoto.

Mittlerweile gibt es in vielen Orten in Deutschland Genossenschaften, die Gasthäuser betreiben. So auch im Örtchen Bärstadt in Hessen. Als es in der Gemeinde im Taunus keine Dorfkneipe mehr gab, nahmen die Menschen dort die Sache selbst in die Hand. Beratung kam von einem vergleichbaren Projekt.

Anlässlich der Berlin Food Week Anfang Oktober besucht Ferran Adrià die deutsche Hauptstadt. Am 9. Oktober wird er einen Vortrag vor geladenen Gästen mit dem Titel "Der Einfluss der katalanischen Haute-Cuisine auf die Gastronomie" halten.

Pommes mit einer kompostierbaren Gabel essen und dabei Livemusik hören, die zu 100 Prozent mit Öko-Feststrom produziert wird: Fans der Band Die Ärzte, die am 23., 24. und 25. August 2024 eines ihrer Konzerte auf dem Tempelhofer Feld in Berlin besuchen, werden wahrscheinlich die nachhaltigste Großveranstaltung erleben, die die Branche aktuell zu bieten hat.

Etwas weniger Besucher sind in diesem Jahr zum Gäubodenvolksfest in Straubing gekommen. Erst war es sehr heiß - doch zum Schluss gab es kräftigen Regen. Die Wirte schenkten in diesem Jahr rund 700.000 Liter Festbier aus.

Nach Umbauarbeiten eröffnete Marché am 17. August das Zoorestaurant im Allwetterzoo Münster wieder und bietet den Besuchern eine frische Marktküche im neuen Look. Zoodirektorin Dr. Simone Schehka und Marché-Betriebsleiter Jasper Boeck bereiteten gemeinsam die erste Pasta zu. 

Er trug zur Erneuerung der französischen Küche bei und galt als ausgezeichneter Feinbäcker. Nun ist der berühmte französische Sternekoch Michel Guérard tot. Er starb im Alter von 91 Jahren.

San Francisco hat die zweithöchste Dichte an Sternerestaurants in den USA. Insgesamt gibt es in der Stadt 28 Restaurants mit einem Stern. Drei Restaurants erhielten drei Sterne, sechs Restaurants wurden mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet.