Countdown zum Oktoberfest zwischen Pandemie, Inflation und Energiekrise

| Gastronomie Gastronomie

Die Bierzelte stehen, und auch das Riesenrad und die Olympia Looping-Achterbahn. Rundum rollen Lastwagen und Gabelstapler. Auf den Straßen in München sind viele schon in Dirndl und Lederhose unterwegs. Die letzten Vorbereitungen für das Oktoberfest laufen auf Hochtouren. Am 17. September heißt es auf der Theresienwiese erstmals nach zwei coronabedingt abgesagten Festen wieder: Ozapft is.

«Wir freuen uns sehr, wenn es losgeht. Es wird Zeit, dass wir wieder eine Wiesn feiern», sagt Wirte-Sprecher Peter Inselkammer. Trotz Inflation, Krieg, Energiekrise und Corona: Die Reservierungslage sei sehr gut, sogar mittags seien die Plätze in den Zelten teils ausgebucht. Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU) prognostiziert, die Wiesn 2022 könnte sogar besser besucht werden als die letzte 2019. «Die Wiesnlust und Vorfreude sind enorm», sagt er. «Trachtengeschäfte sind oft nahezu ausverkauft.» Das Fest wird auch Geld in die Stadt spülen. Der Wirtschaftswert lag zuletzt bei 1,5 Milliarden Euro.

An die sechs Millionen Besucher kamen vor der Pandemie zu dem Fest, etwa jeder fünfte aus dem Ausland. Auch wenn die Pandemie nicht vorbei ist, soll wieder gefeiert werden wie eh und je: ohne Auflagen, dicht an dicht in den Zelten. Die einen begrüßen das, andere sehen es kritisch. Selten wurde war das Fest so kontrovers diskutiert.

Schon jetzt ist absehbar: Die Wiesn wird eine Corona-Welle auslösen. Regelmäßig schnellten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge nach Volksfesten die Inzidenzen hoch. «Natürlich wird es dazu führen, dass eine Erhöhung der Fallzahlen auftreten wird», sagte Johannes Bogner, Leiter der Sektion Klinische Infektiologie am LMU-Klinikum der Uni München kürzlich. «Es ist sehr gut dokumentiert, dass nach lokalen Ereignissen eine messbare Zunahme an Erkrankungsfällen zu Buche schlägt. Das wird auch für das Oktoberfest zu erwarten sein.»

Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat schon angekündigt, wegen der Corona-Gefahr nicht zum Anstich am Samstag zu gehen. «Wir sind ein Ehepaar aus der Hochrisikogruppe», sagte der 74-Jährige der «Abendzeitung». Er ließ offen, ob er das Volksfest überhaupt besucht. Er werde die Gesundheitsrisiken im Auge behalten.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (55) gibt sich mutiger. Er will das Oktoberfest ohne Mund-Nase-Schutz aufsuchen. «Die Corona-Lage ist derzeit stabil», sagte der CSU-Politiker dieser Tage der «Bild»-Zeitung. «Jeder soll eigenverantwortlich entscheiden, ob und wie er die Wiesn besucht. Ich komme ohne Maske.» Und mit Blick auf Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): «Mich wundern die überdrehten Botschaften von Herrn Lauterbach.» Es gebe «keine wachsende Belastung in den Krankenhäusern».

Lauterbach reagierte auf Twitter: «Ich wünsche allen ein gutes Oktoberfest. Auch ich bin kein Spielverderber, lieber @Markus_Soeder. Trotzdem bitte ich alle, die hingehen, sich vorher zu testen. Ich appelliere an die gegenseitige Rücksichtnahme.»

Zeitweise wurde auch diskutiert, ob es eine Wiesn geben kann, während in der Ukraine die Menschen im Krieg sterben - und ob es zumutbar ist, dass alle Energie sparen sollen, auf dem Volksfest aber binnen zwei Wochen Millionen Kilowattstunden Strom und Gas verbraucht werden.

Die Wirte haben angekündigt, als Beitrag zum Energiesparen auf Heizpilze draußen zu verzichten. Baumgärtner, auch Münchner Wirtschaftsreferent, rechnete zudem vor: Der Stromverbrauch der Wiesn liege bei 0,6 Promille des städtischen Jahresverbrauchs, bei Gas seien es 0,1 Promille. «Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass in München die Lichter ausgehen.» Niemand müsse deswegen frieren. Vielmehr würde ohne Wiesn gar mehr Energie anderswo verbraucht. Ein Brathendl koste im heimischen Ofen mehr Energie als eines, das mit vielen anderen auf einem Wiesn-Grill gare. Baumgärtner: «Das Hendl auf der Wiesn ist energetisch gesehen ein nachhaltiges Schnäppchen.»

Nicht wegen der Gaspreise, aber wegen des allgemeinen Preisanstiegs über die Jahre ist klar, dass die Gäste für dieses Hendl wie auch für die Maß Bier tiefer in die Tasche greifen müssen als 2019. Der Preis für die Maß Bier liegt dieses Jahr zwischen 12,60 Euro und 13,80 Euro - im Vergleich zur 2019 steigt der Preis damit im Schnitt um 16 Prozent. Bei den Speisen sollen es um die zehn Prozent mehr sein. Der massive Anstieg der Energiekosten schlägt laut Wirtesprecher Inselkammer nicht voll auf das Fest durch, da es Vorverträge gibt.

Die Entscheidung, dass die Wiesn 2022 stattfinden soll, hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Ende April verkündet - durchaus mit Zurückhaltung. Am Samstag wird er nun das erste Fass Bier anzapfen und das Volksfest eröffnen. Dem traditionellen Wiesn-Mantra zum Anstich «auf eine friedliche Wiesn» dürfte zumindest gedacht dieses Mal ein zweites hinzugefügt sein: «auf eine gesunde Wiesn». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Seit knapp drei Jahren kreiert Haya Molcho gemeinsam mit Sodexo-Köchinnen und -Köchen exklusive Rezepte für die Speisepläne der Betriebsrestaurants. Die Zusammenarbeit geht nun in die nächste Runde.

Der FCSI Deutschland-Österreich in drei Worten? Geht nicht, findet Präsident Frank Wagner und erklärt im Video, warum der Planer- und Beraterverband für die gesamte Hospitality mehr ist als nur schön klingende Begriffe, warum man unbedingt mitmachen sollte und was der FCSI und seine Mitglieder tatsächlich für die schönste Branche der Welt tun. Neugierig? Film ab! 

In den nächsten zehn Jahren wird McDonald's in Deutschland 500 Restaurants neu eröffnen und bis zu 1.000 bestehende Standorte umfassend modernisieren. Das neue Restaurantkonzept, das auf ein besseres Restauranterlebnis setzt, wurde jetzt in Berlin präsentiert.

Das Oktoberfest ist eines der bekanntesten Feste der Welt. Zwar hat es seinen Ursprung in München, doch das traditionelle bayerische Volksfest wird längst auch an den unterschiedlichsten Orten rund um den Globus zelebriert.

Von Anfang an war es dem Gastronomen Jonathan Kartenberg wichtig, mit dem Berliner Restaurant Irma la Douce Teil des Kiezes zu sein. Während der Michelin Stern abends Gourmets anlockt, möchte Kartenberg mittags vor allem die Nachbarschaft an den Tisch holen.

Was dreht sich da im Imbiss? Ein Döner darf nur so heißen, wenn er eine bestimmte Zusammensetzung hat. Das Verbraucherschutzministerium in NRW sammelt dazu jetzt Zahlen und Fakten.

Matthias Lasi, evangelischer Pfarrer in Baiersbronn, ist nicht nur für seine Gemeinde da. Er widmet sich auch den Anliegen und Sorgen der Gastronomen vor Ort - und stellt sich sogar ans Frühstücksbuffet und bereitet Rührei, Spiegelei und Speck zu.

Wer im Restaurant speist oder einen Döner oder eine Bratwurst am Stand kauft, möchte sicher sein, dass alles sauber ist und er auch bekommt, was auf der Karte steht. Das ist nicht immer der Fall.

Frisches Geld für frische Bowls und Salate: Green Club hat sich in einer Finanzierungsrunde von seinen Bestandsinvestoren mehr als zwei Millionen Euro an Kapital gesichert. Der Lieferdienst will so die weitere Expansion des Unternehmens vorantreiben.

Die wirtschaftliche Lage in der deutschen Gastronomiebranche bleibt weiterhin angespannt. Laut aktuellen Prognosen des Informationsdienstleisters CRIF werden 2024 voraussichtlich 1.190 Insolvenzen in der Gastronomie erwartet, was einem Anstieg von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.