«Das ist fairer» - badischer Gastronom rechnet Eis grammgenau ab

| Gastronomie Gastronomie

Wie die Wurst beim Metzger können Kundinnen und Kunden in einem Café in Gaggenau bei Baden-Baden Eis in Gramm-Angaben kaufen. Statt mit pauschalen Preisen für jede Kugel wird aufs Gramm genau abgerechnet - mit Hilfe einer Waage. «Das ist fairer», sagt der Inhaber des Cafés Brezels, Michael Böhmer, der Deutschen Presse-Agentur. So könnten sich auch Menschen mit weniger Geld ein Eis leisten oder Eltern für Kinder nur eine kleinere Portion kaufen. Zuvor hatten die «Badischen Neuesten Nachrichten» darüber berichtet.

Eiskugeln wiegen unterschiedlich viel

Nicht nur über steigende Eispreise wird alljährlich gestöhnt. Auch weit darüber hinaus steigen sogenannte Lebenshaltungskosten. Hier setzt Böhmers Konzept an: «Das ist eine Chance, mit meinen Mitmenschen solidarisch zu sein.» Schließlich säßen Unternehmer an den Preisschrauben. «Das heißt auch Verantwortung der Gesellschaft gegenüber», sagt er. Die Kundschaft könne die Bestellung an ihr Portemonnaie anpassen. Und zahle dann genau für das, was sie bekomme. «Das ist eine gerechte Geschichte.»

Das gilt auch für ihn und seine Buchhaltung. Keine Eiskugel ist identisch:  Teilweise unterschied sich das Gewicht der Kugeln, die seine Mitarbeiterinnen aus der gekühlten Theke holten, um bis zu 30 Gramm, hat Böhmer festgestellt. Alle kosteten aber dasselbe.

Lob für solidarischen Aspekt

Seit dieser Saison rechnet er das Eis in Gramm ab: 100 Gramm kosten zwei Euro. Als Orientierung gibt er an: Eine Kugel Eis wiegt im Schnitt 80 Gramm, was 1,60 Euro entspricht. 

Es dauere ein bisschen, bis die Leute das verinnerlicht hätten, sagt Böhmer. Dabei sei man es an der Fleischtheke gewöhnt, 100 Gramm Salami zu bestellen. Doch während Abrechnen in Gramm in der Wurstwelt geläufig ist, erwischt er beim Eisverkauf manche auf kaltem Fuß. «Ich merke an den Reaktionen: Die sind alle überrascht, aber auch positiv überrascht.»

Bei den Kundinnen und Kunden komme das Konzept gut an. «Man bezahlt nur das, was man kriegt», sagt Sergis Givargis. «Manchmal ist die Kugel größer, manchmal ist sie etwas kleiner.» Steffi Wick lobt: «Ich finde, es ist sozial gedacht, dass sich das jeder leisten kann, was heute nicht mehr eine Selbstverständlichkeit ist. Und deshalb finde ich's nur toll.»

Böhmer hat bemerkt, dass Kundinnen und Kunden nun zu kleineren Portionen tendierten, also unter 80 Gramm. Für ihn bedeutet das weniger Umsatz. «Aber es geht um die Gerechtigkeit, die ist viel wichtiger.» Kuriose Bestellungen mit krummen Gramm-Zahlen seien nicht an der Tagesordnung. Eher gehe es um die Frage: Große oder kleine Kugel?

Strom, Arbeitszeit und Lebensmittelkosten beeinflussen Eispreis

Die Diskussion um den Eispreis beschäftigt auch die Union der italienischen Speiseeishersteller, Uniteis. Sie verweist darauf, dass der Endpreis von den Kosten unter anderem für Zutaten, Miete, Personal, Energie und Arbeitskräften abhänge. Steigen zum Beispiel wie in den vergangenen Jahren Betriebskosten, müssten die Eisdielen auch den Eispreis anheben. «Hinzu kommen die Ausgaben für die guten Zutaten: je höher deren Qualität, desto besser schmeckt das Eis, es ist aber auch zwangsläufig teurer», hieß es von Uniteis. 

Zudem gibt es den Angaben zufolge regionale und internationale Unterschiede: «Eine Kugel in einer Eisdiele mit großer Terrasse und viel Personal im Zentrum von München kostet sicherlich mehr als eine Kugel in einer Eisdiele auf dem Land», heißt es bei Uniteis. In Deutschland bezahle man für eine Kugel Eis weniger als anderswo in Europa. In Spanien, Italien oder Frankreich liege der Preis zwischen 3,00 Euro und 4,50 Euro. 

Aufpassen müsse man außerdem beim Vergleich mit dem oft luftigen Eis aus dem Supermarkt. Dort werde der Preis meist je Liter und nicht in Bezug zum Gewicht angegeben.

Böhmer räumte ein, dass er das Abrechnen nach Gewicht einführen konnte, weil Eis in dem Café nicht das Hauptgeschäft ausmache. Sonst wäre ein Test vielleicht zu riskant gewesen. Nun hofft er auf Nachahmer und hat beschlossen: «Für mich gibt es kein Zurück mehr.» (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Flavio Briatore, der Vater von Heidi Klums Tochter Leni, betreibt mehrere Restaurants. Das neueste Projekt seiner Pizzeria-Kette "Crazy Pizza" ist in Neapel - und die Pizzabäcker dort sind alles andere als begeistert.

Das Oktoberfest lockt Besucher aus aller Welt nach München. Seit Corona wird aber nicht nur auf der Theresienwiese gefeiert. Die Wirtshaus-Wiesn lockt ebenfalls - nun mit neuen, aber bekannten Namen.

In einer Talkshow sprach Tim Mälzer offen darüber, warum er sich von der Sterneküche abgewendet hat. In einem Londoner Luxushotel erlebte er in den 1990er Jahren ein "unterirdisches" Arbeitsumfeld, in dem Gewalt zum Alltag gehörte.

Um die Arbeit und den Einsatz der Azubis zu würdigen, hat Domino's Pizza Deutschland den "Azubi Pizza Wettbewerb" ins Leben gerufen. Der Gewinner darf sich nun über seine Kreation auf dem Menü und eine Gewinnbeteiligung freuen.

Manche halten es für eine Schnapsidee, aber so unrealistisch ist es gar nicht, den Europaturm wieder zugänglich zu machen. Dass die Vision Realität werden kann, hängt vor allem von einem Punkt ab.

Seit über 50 Jahren ist McDonald's in Deutschland tätig und mit seinen knapp 1.400 Restaurants fester Bestandteil der deutschen Gastronomielandschaft. Welchen Einfluss die Marke für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Staat generiert, zeigt eine neue Studie.

Barrierefreie Pfahlbauten am Strand von St. Peter-Ording sucht man bislang vergeblich. Nun soll die neue Strandbar 54° Nord eine Rampe und einen Plattformaufzug bekommen. Dafür gibt es Fördermittel aus dem Fonds für Barrierefreiheit.

Marc Uebelherr, Münchner Gastronom und Präsident des Netzwerks Leaders Club, verabschiedet sich endgültig von seinem OhJulia-Konzept. Die Gustoso-Gruppe wird das Restaurant in München, wie bereits im März 2024 das OhJulia in Stuttgart, nach einer Umgestaltungsphase in ein „60 seconds to napoli” verwandeln.

Am 3. Oktober feiert der Berliner Fernsehturm sein 55-jähriges Bestehen mit einem kulinarischen Event: Tim Raue sorgt mit seinem Geburtstags-Menü für einen Vorgeschmack auf die Restauranteröffnung des „Sphere by Tim Raue“ im Jahr 2025.

Der auf Bowls und Salate spezialisierte Lieferdienst Green Club mit Sitz in Essen öffnet am Dienstag seinen zwölften deutschen Standort in Stuttgart. Mittelfristig möchte das Unternehmen rund 50 Standorte in Deutschland betreiben.