Metro-Chefs streiten mit VWL-Professor über Gastro-Mehrwertsteuer

| Gastronomie Gastronomie

In dem Sozialen Business-Netzwerk LinkedIn ist eine Diskussion über die ermäßigte Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie entbrannt. Hintergrund ist die Behauptung des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, dass eine Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent für ökonomisch sinnvoll hält. Steffen Greubel, Chef der Metro AG, bezeichnet die Aussagen als „agitatorische, wichtigtuerische Propaganda“. Daraufhin nimmt die Diskussion an Fahrt auf und wird recht wissenschaftlich.

Initial für den Schlagabtausch war die Behauptung der Mannheimer Forscher rund um Professor Friedrich Heinemann, dass bei einer dauerhaft gesenkten Mehrwertsteuer für das kommende Jahrzehnt mit Gesamtkosten von etwa 38 Milliarden Euro zu rechnen sei, die durch höhere Steuern an anderer Stelle oder Ausgabenkürzungen gegenfinanziert werden müssten. Dem ZEW zufolge begünstige der verringerte Steuersatz eher wohlhabende und kinderlose Haushalte, weil sie im Schnitt mehr für Restaurantbesuche ausgeben würden.

Auch die Befürchtung, dass Restaurants bei einer Rückkehr zum Satz von 19 Prozent die Preise im vollen Umfang der Steuersatzdifferenz erhöhen, ist aus Sicht des ZEW nicht plausibel, da die Branche erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt habe und die Preise für Strom und Gas wieder rückläufig seien.

Martin Behle, Chief HoReCa-Officer der Metro AG, nahm die Aussagen auf und entgegnete, dass er die Aussage des Professors „spannend“ fände, dass Gastronomie eigentlich nur den Besserverdienenden zugänglich sei. Bei 19 Prozent wäre der Kreis dann noch elitärer, so Behle kritisch weiter.

Der Vorstandschef der Metro AG, Steffen Greubel, wird dann noch deutlicher und schreibt in einem Kommentar: „Dass man einfach 10 Jahre hernimmt, um die Zahl möglichst hoch erscheinen zu lassen, damit ja jeder auf die Headline klickt, hat wohl mit Wissenschaft gar nichts zu tun. Eine rein agitatorische, wichtigtuerische Propaganda gegen die Gastronomie als Wegbereiter für weiteren volkswirtschaftlichen Schaden. Würde mich nicht wundern, wenn Heinemann […] von dem einen oder anderen Gastronom mit Lokalverbot konfrontiert wird. Mal sehen, wo dann die nächste Familienfeier oder die Weihnachtsfeier vom Lehrstuhl stattfindet. Ich bin ehrlich gesagt entsetzt …. Wir kämpfen weiterhin für die 7% - eine breiter Rückhalt aus der Bevölkerung und von vielen sachverständigen Politikern gibt uns Kraft. Pseudogutachten von entseelten sog. Wissenschaftlern, die wahrscheinlich am liebsten daheim alleine vorm Rechner sitzen, erst recht.“

Auch die Gastronomin Kerstin Schwan beteiligt sich an der Diskussion und sagt: „Lieber Herr Friedrich Heinemann, Ihre Replik auf Herrn Dr. Steffen Greubel bezieht sich nur auf die Form! Sie sollten in dem Kontext einmal hören, wie die Menschen dieser Branche sonst auf Ihre Studie reagiert haben. Es geht hier um unzählige Existenzen, die seit mehr als 20 Jahren die Steuerungerechtigkeit anprangern, die Sie mit intellektuellem Zeigefinger wegwischen. Und ich, als Gastronomin und Arbeitgeberin seit 22 Jahren, kann die Wortwahl von Dr. Steffen Greubel sehr gut nachvollziehen! Des weiteren ist Herr Dr. Steffen Greubel kein Gastronom, sondern zeigt durch sein Engagement für diese wunderbare Branche, wie sehr auch die Lieferkette betroffen ist.“

Gleichzeitig entbrennt in den Kommentaren zum Post ein wissenschaftlicher Diskurs zwischen Martin Behle, dem promovierten Physiker, der für die Gastronomie bei der Metro verantwortlich zeichnet und Professor Heinemann. Hier geht es um gemutmaßte Subventionen, Optimalsteuertheorie, Arbeitsanreize und Steuererleichterungen.

Behle erläutert dem Professor beispielsweise die Bedeutung der Gastronomie für die ländlichen Regionen, in der es massive strukturelle Probleme gebe. Dies zu negieren wäre albern, schreibt Behle. Dies mache es aber noch wichtiger, die bestehenden Strukturen zu schützen, denn diese dritten Orte auf dem Land seien sehr kritisch. Das Dorfleben zeichne sich dadurch aus, dass die Menschen einen “gemeinsamen” Ort des Austausches und der Gemeinschaft hätten.

Ferner geht der Metro-Mann darauf ein, dass der ZEW-Professor, seiner Meinung nach, weiterhin der Diktion folge, die ermäßigte Mehrwertsteuer in der Gastronomie sei eine Subvention und man solle das Geld besser in Kindergeld und die gerade heiß diskutierte Kindergrundsicherung investieren. „Ich habe absolut nichts gegen die Hilfen für bedürftige Menschen, ganz im Gegenteil. Ich halte nur wenig von Umverteilungsideologie“, so Behle und weiter an den Professor adressiert: „Wieso wollen Sie eine Branche dafür bestrafen, dass auch wohlhabende Menschen bei ihnen verkehren? […] Und warum reden wir nicht über die Mittelschicht, die immer dünner wird und die keine Grundsicherungen bekommt und dennoch immer weniger frei verfügbares Einkommen hat.“

Die Nachfrage nach bezahlbarer und vielfältiger Gastronomie sei hoch und eher wachsend mit den nachfolgenden Generationen, sagt Metro-Mann Behle. Und die Bereinigung von nicht tragfähigen Geschäftsmodellen werde eh weitergehen. Und dann an den Professor gerichtet: „Aber wenn Sie die von Ihnen selbst festgestellte Ungleichheit zu Take Away und Belieferung hinnehmen, wird es zu einer weiteren Normierung und Standardisierung kommen, an deren Ende nur noch systemgastronomischer Einheitsbrei bliebe“.

Das hätten übrigens viele Länder in der EU erkannt und ferner vielfältige Gastro als Standortvorteil verstanden. „Oder reisen Sie nach Frankreich nur wegen der Bretagne oder der Cote d’Azur? Wohl eher wegen der Kulinarik…“, fragt Behle den ZEW-Volkswirt. Steuerliche Gleichbehandlung sei das Schlüsselargument und wirke sich am Ende durch Vielfalt und dadurch mehr Tourismus volkswirtschaftlich positiv aus, so Behle abschließend.

Professor Heinemann greift Martin Behles Argumente auf und antwortet. Der Diskurs wird wohl weitergehen, in einem LinkedIn-Post, der sich schon jetzt extrem hoher Reichweite erfreut.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die neue Hamburger Erlebnisgastronomie „Le big TamTam“ sollte im Februar eröffnet werden. Doch weil es noch Fragen zum Brandschutz gab, blieb der Food-Market zunächst geschlossen. Nun soll es am Freitag endlich soweit sein.

Bereits Anfang des Jahre hatte Amazon Prime Video eine Sendung, die mit dem Schweizer Drei-Sternekoch Andreas Caminada produziert werden soll, angekündigt. In dem neuen Format begibt sich Caminada mit Prominenten auf eine kulinarische Weltreise. Danach kommen alle für ein Dinner zusammen und bringen ihre Interpretationen zu Tisch.

Im letzten Jahr musst das Restaurant Epoca by Tristan Brandt nach den Turbulenzen im Waldhaus in Flims schließen. Brandt ging dann mit Niklas Oberhofer ins Restaurant Sonnenberg in Zürich. Doch dieses Konzept dürfte bald Geschichte sein.

Im Kampf gegen Personalmangel setzen Gastronomie und Hotellerie in Frankfurt auf ein neues Projekt mit speziellen Schulungen für Arbeitssuchende. Geplant sind zwei- bis dreimonatige Kurse, die zunächst in Frankfurt und später in ganz Hessen angeboten werden sollen.

Dem Essenlieferdienst Delivery Hero werden potenzielle Verstöße gegen das EU-Kartellrecht voraussichtlich deutlich mehr Geld kosten als bisher gedacht. Die entsprechende Buße könnte bei über 400 Millionen Euro liegen.

Nach monatelanger Suche hat der Hamburger Kultclub Molotow einen neuen Standort gefunden - nur etwa 200 Meter vom jetzigen entfernt. Kurz vor Weihnachten hatte der Club eine Kündigung erhalten, weil an der Adresse ein Hotel entstehen soll.

Der Michelin hat die dritte Ausgabe seines jährlichen Michelin Guide Dubai im kürzlich eröffneten One&Only Za’abeel vorgestellt. Zu den Höhepunkten gehörte die Auszeichnung des „Row on 45“ als viertes Restaurant der Stadt mit zwei Sternen.

Der Kantinentest 2024 der Initiative Food & Health wurde in München vorgestellt und feiert im sechsten Jahr seines Bestehens eine Premiere. Erstmals gibt es beim Ranking der Top-Kantinen in Deutschland einen Doppelsieg.

Am 10. Juli 2024 öffnet der neue Augustiner Biergarten auf dem historischen Gelände der Bötzow-Brauerei seine Türen. Gastgeber ist der bekannte Berliner Gastronom Josef Laggner.

Bei Wein aus Deutschland ist der Weiße am gefragtesten, gefolgt von Rotem und Rosé. Das geht aus der Statistik der Weinfarben bei den deutschen Qualitäts- und Prädikatsweinen des Deutschen Weininstituts (DWI) hervor.