Flexibilität und Nachhaltigkeit: Die größten Herausforderungen für die Hotelindustrie 2022

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Im Rahmen einer von mrp hotels durchgeführten Umfrage wurden Profis aus den unterschiedlichsten Bereichen (Zukunftsforscher, Hotelbetreiber, Tourismusverbände, Asset Manager, Investoren, Börseexperten und Hotelentwickler) dazu befragt, wie sie die größten Herausforderungen der letzten beiden Jahre einschätzen und worauf sich die Hotelindustrie 2022 einstellen muss.

„Trotz der ganz unterschiedlichen Perspektiven auf das Produkt ‚Hotel‘ können wir doch gemeinsame Themenfelder aller Befragten erkennen. Dies spiegelt auch unsere Erfahrungen bzw. die Stimmung am Markt wider, mit denen wir bei unserer täglichen Arbeit zu tun haben”, kommentiert Martin Schaffer, Geschäftsführender Partner bei mrp hotels, die Umfrage.

Besonders die Themen Flexibilität und Planbarkeit sind für alle Befragten zu den größten Herausforderungen geworden – sowohl für Betreiber, Eigentümer aber auch Projektentwickler und Investoren sind Prognosen schwierig bis unmöglich geworden. Die gesamte Branche steht immer wieder zwischen Aufbruch- und Weltuntergangsstimmung.

Die Ergebnisse der Befragung

1. Schnelligkeit, Flexibilität und agiles Denken waren noch nie so gefordert wie in der Krise – diese Kurzfristigkeit bei der Planung des Betriebes, aber auch beim Buchungsverhalten, wird die Branche auch in nächster Zukunft erhalten bleiben.

2. Neue Produkte und Projekte am Markt zu platzieren fällt schwer, eine Neubewertung von Hotelimmobilien ist notwendig, allerdings fehlen die Benchmarks. Zusätzlich sind Banken und (institutionelle / risikoaverse) Investoren kritischer geworden.

3. Grundsätzlich besteht weiterhin ein Vertrauen in die Assetklasse Hotel – nicht zuletzt dadurch, dass Hotelimmobilien kaum an Wert verloren haben und bei der Bewertung einen höheren Stellenwert einnehmen.

4. Die Ferienhotellerie hat sich in der Krise (besonders im direkten Vergleich mit der Stadthotellerie) als Motor bewiesen – das Investoreninteresse an entsprechenden Projekten, vor allem High-End-Resorts, ist deutlich gestiegen.

5. Neue Konzepte, wie beispielsweise Apartmentkonzepte, die einen flexibleren Betrieb ermöglichen, haben einen deutlichen Vorteil gegenüber etablierten, klassischen Hotelbetrieben. Hier steht ein nachhaltiger Strukturwandel bevor, nicht zuletzt auch durch steigende Mitarbeiter- und Betriebskosten bedingt, die nicht 1:1 an den Gast weitergegeben werden können.

6. Das Thema Nachhaltigkeit, getrieben durch die EU-Taxonomie-Bestimmungen und die ESG-Kriterien, gilt aktuell als größter Einflussfaktor in der gesamten Wertschöpfungskette in der Hotellerie.

Kernthema Flexibilität

Auch wenn vielerorts bereits wieder großzügige Öffnungsschritte angekündigt werden: Langfristige Buchungen sind fast ausschließlich für die Sommermonate Juli und August am Markt zu bemerken, die übrige Buchungslage entwickelt sich äußerst kurzfristig.

Andreas Reiter, Zukunftsforscher und Inhaber des ZTB Zunkunftsbüro, erkennt in der Kurzfristigkeit eine der größten Herausforderungen der letzten beiden Jahre: „(…) Diese Rahmenbedingungen erforderten wohl nicht nur von mir, sondern von uns allen hohe Agilität, viel Selbstmotivierung und Resilienz-Strategien.”

Die Ursache dafür liegt laut Reiter allerdings nicht nur in der Unvorhersehbarkeit des pandemischen Geschehens selbst (befeuert durch neue Virusvarianten und den damit einhergehenden einschränkenden Maßnahmen), sondern auch im reaktiven Pandemie-Management der Politik.

Daraus resultierend entstehen für die Hotellerie neue Challenges: Nicht nur langfristiges Planen ist gefragt, sondern gleichzeitiges situationselastisches und kurzfristiges Handeln im täglichen Geschäft. Tobias Berghäuser, Managing Director KPM Hotel und Residences, spricht gar von einem „Hardcore-Training in Sachen Flexibilität: Gefragt war und ist, den Blick voraus zu wahren und gleichzeitig Maßnahmen umzusetzen, die kurzfristig Wirkung entfalten. (…)”

Genau dieser Blick nach vorne wird – auf wirtschaftliche Parameter heruntergebrochen – in vielen Bereichen als besonders schwierig gesehen: Sowohl bei der Preisfindung, als auch bei der Ressourcen- und Personalplanung fehlen der Hotellerie jene Benchmarks, auf die man sich bislang auf den Märkten verlassen konnte. Mit weitreichenden Folgen: Der Personalmangel ist aufgrund der Unsicherheit der Arbeitsplatzsituation der Mitarbeiter so akut wie noch nie, es fehlt an allen Ecken und Enden an (qualifiziertem) Personal. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Personalkosten, die wie die Energiekosten massiv im Steigen begriffen sind. Kaum eine Chance sieht die Hotellerie allerdings, diese Steigerungen proportional an den Gast in Form von höheren Zimmerpreisen weiterzugeben.

Qualität als Erfolgsfaktor

Trotz der Pandemie bedingten Ausfälle, Lockdowns und des akuten Personalmangels sieht die Hotelbranche auch in Zukunft zwei Erfolgsfaktoren, die schon bislang als Maßstab galten und insgesamt für einen positiven Ausblick entscheidend sein werden:

Lisa Loferer, Geschäftsführerin Kur- und Tourimsusverband Bad Gastein: „Die Menschen wollen reisen.” Und weiter: „Die Gäste haben nie aufgehört qualitative und authentische Angebote zu bevorzugen.”

Dem pflichtet auch auch Martin Lenikus, Eigentümer der Lenikus GmbH und Betreiber der Wiener Stadthotels Topazz und Lamee, bei: „Qualität, Gastfreundschaft und Verlässichlichkeit sind die wesentlichen Bausteine des Erfolgs.”

Dies wird besonders in der Stadthotellerie notwendig sein: In Städten mit einem hohen Anteil an Messe- und Kongresstourismus fehlen die Gäste an allen Ecken und Enden, ein wenig besser sieht es in Städten und Regionen mit einem hohen Leisure-Anteil aus.

“Gewinner” der Pandemie (oder zumindest halten sich in diesem Segment die Verluste in Grenzen) ist die Ferienhotellerie und hier besonders die gehobene Resort-Hotellerie. Diese sieht Björn Kombächer, Head of Investor Relations bei Engel & Völkers Asset Management, auch als größten Treiber der Zukunft: „(…) Während der Pandemie haben Businesshotels durch das eingeschränkte Geschäftsreise-Verhalten gelitten. Hingegen prosperiert die Ferienhotellerie und ist lebendig.”

Eine Chance besteht jetzt für Konzepte, die das Produkt “Hotel” neu bzw. anders denken. Dr. Josef Vollmayr, Gründer und Geschäftsführer Limehome, erkennt in seinem Angebot zahlreiche Vorteile gegenüber den etablierten Produkten, die aus seiner Sicht in den Entwicklung sehr träge sind: „(…) Die Idee der Apartments liegt vor allem bei jungen Leuten im Trend – ebenso wie ‘Affordable Design‘ und ‘Lean-Luxury‘ Konzepte.”

Hotelimmobilien behalten Wert

Auf der Development- und Investment-Seite sprechen die ExpertInnen von der besonderen Herausforderung, neue Projektideen am Markt zu platzieren. Die Ursache liegt darin, dass auch in diesem Bereich praktikable Pauschalaussagen und Einschätzungen schwierig bis unmöglich geworden sind. Hannibal Dumont Schütte, Gründer und Geschäftsführer Stayery, sieht die Expansion nicht nur durch verschärfte Bedingungen bei Bankenfinanzierungen erschwert: „Gute Lagen sind rares Gut, die Baukosten steigen weiter exponentiell (…).”

Bereits laufende Hotelentwicklungen müssen neu bewertet werden, zahlreiche Investoren und Projektentwickler planen ihre Projekte um und transformieren diese Richtung Apartments oder Wohnungen. „(…) Hotelentwicklungen neu zu bewerten und auf einen digitalen bzw. hybriden Entwicklungsprozess umzustellen” identifiziert Dietmar Ploberger, Senior Project Manager Signa Real Estate Management GmbH als eine der wesentlichen Veränderungen, auf die sich auch sein Unternehmen einstellt.

Während betriebliche Prognosen äußerst schwer zu treffen sind und damit auch die Bewertung von Konzepten sowohl in der Projektierung, wie auch im Bestand erschweren, rücken die Immobilien durch ihre Wertbeständigkeit selbst stärker in das Rampenlicht. „Der Immobiliensektor hat sich bis jetzt sehr stabil gezeigt, Immobilien gehören auch zu den Branchen, die in Zeiten steigender Inflationsraten (derzeit der Fall) Outperformance zeigen.”, analysiert Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft die aktuelle Situation in Bezug auf Hotelimmobilien.

Eine gravierende Änderung am Markt erkennt Torsten Kuttnig, Director Development ECE Work & Live GmbH, in Bezug auf die Vertragssituation zwischen Eigentümer bzw. Developer und Betreiber: „Die Bereitschaft der Betreiber zum Abschluss von Mietverträgen mit Fixpacht wird auch an guten Hotelstandorten deutlich zurückgehen!”. Hier wünschen sich die Betreiber eine stärkere Verteilung der Risiken – beispielsweise bei einem Umsatzausfall durch verordnete Schließungen. Risikoaverse Investoren bzw. institutionelle Investoren, die durch Regularien der Risikovermeidung gebunden sind, haben in diesem Marktumfeld kaum Möglichkeiten zu agieren. Dies eröffnet Private Equity bzw. Family Offices die Möglichkeit, in den Markt einzusteigen. Allerdings sind derzeit (auch durch die sich deutlich unterscheidenden Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Käufern) und ausgebliebenen Fire-Sales kaum nennenswerte Transaktionen am Markt zu verzeichnen.

Wer nachhaltig denkt, profitiert

Auch wenn die Hotelbranche in den vergangenen Jahren vorwiegend mit den Folgen von Covid-19 beschäftigt war: Das Thema Nachhaltigkeit ist kein Randthema, sondern rückt sowohl im Betrieb, als auch bei Investments in den Mittelpunkt. Martin Schaffer: „Das Thema ist von vielen verschlafen worden. Dennoch: Mit den neuen Verordnungen rund um die EU-Taxonomie und die ESG-Kriterien muss sich die gesamte Branche einfach intensiv und verstärkt damit auseinandersetzen.”

„Projekte und Bestandshotels, die diese Anforderungen bereits jetzt erfüllen, werden zumindest kurz- und mittelfristig von einer höheren Nachfrage am Investmentmarkt profitieren können”, bekräftigt Christian Eichbaum, Senior Investment Manager Hospitality Union Investment.

Dass dieses Thema alle Bereiche des Hotelbetriebs betrifft merkt auch Rolf Westermann, Chefredakteur ahgz: „Ein langfristiges Umdenken ist in allen Bereichen nötig, vom Bau und Betrieb über Services hin bis zu den Mitarbeitern.”

Fazit

„Trotz der aktuell noch vorherrschenden Zurückhaltung fällt die Beurteilung der lang- und mittelfristigen Situation mehrheitlich positiv aus”, so Martin Schaffer. Die erwartete Rückkehr des Reiseaufkommens lässt vorrausschauende Anleger zuversichtlich in die Zukunft blicken und bereits wieder in Transaktionsverhandlungen vorwiegend über Bestandsimmobilien eintreten. Neue Konzepte, die auch auf veränderte Marktlagen und ein verändertes Reiseverhalten ohne großen Aufwand flexibel reagieren können, werden in Zukunft im Vorteil sein.


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