Alkoholfreier Wein wird salonfähig

| Industrie Industrie

Alkoholfreie Biere findet man auf so gut wie jeder Getränkekarte, im Handel ist die Auswahl riesig. Wein ohne Alkohol ist dagegen noch selten. Doch er ist im Kommen. Immer mehr Winzerinnen und Winzer bringen entalkoholisierte Weine auf den Markt, denn die Nachfrage danach steigt - weil viele Menschen inzwischen ganz bewusst auf Alkohol verzichten möchten oder müssen, wie Branchenkenner berichten.

«Komma, Nix» heißt zum Beispiel der Wein, den die Winzergruppe «Frank und Frei» aus dem bayerischen Ramsthal in diesem Jahr neu herausgebracht hat. Man habe das fränkische Kulturgut Wein dem Zeitgeist anpassen wollen, so dass dieser jederzeit ohne Tabus genossen werden könne, begründet Winzer Gerald Baldauf. Dadurch seien viele neue Kundinnen und Kunden angesprochen worden. «Traditionelle Weinfreunde fremdeln manchmal ein wenig mit diesem neuen Produkt, aber es ist wohl wie mit den veganen Lebensmitteln, mit der Zeit wird alles normal und salonfähig.»

Kundenwünsche waren auch der Grund, weshalb das Würzburger Weingut Juliusspital vor zwei Jahren alkoholfreien Wein ins Sortiment aufgenommen hat. Nach einem eher vorsichtigem Start sei die Auflage beim zweiten Jahrgang verdoppelt worden, sagt Vertriebsleiterin Tanja Strätz.

Betrachtet man den gesamten Weinkonsum in Deutschland im vergangenen Jahr, kam der alkoholfreie Wein nach Angaben des Deutschen Weininstituts in Bodenheim bei Mainz noch nicht einmal auf ein Prozent - doch die Tendenz ist wachsend. Das zeige sich auch daran, dass es seit kurzem Lohnunternehmen gebe, die für Weingüter kleinere Mengen von Wein entalkoholisieren, sagt Sprecher Ernst Büscher.

Dem Wein den Alkohol zu entziehen, hat bei Carl Jung in Rüdesheim seit 115 Jahren Tradition. Rund 10 Millionen Liter alkoholfreien veganen Wein produziert das Familienunternehmen mittels Vakuumdestillation im Jahr. Den Großteil davon, 70 Prozent, exportiert es unter anderem nach Skandinavien, Kanada und Großbritannien. «Deutschland ist relativ spät auf den Zug aufgesprungen - teilweise auch erst durch die jüngere Generation, die sich bewusster ernährt und zum Teil auf Alkohol verzichtet», sagt Bernhard Jung. Das erklärt aus seiner Sicht auch, wieso der Bio-Bereich derzeit das stärkste Wachstum verzeichnet. «Das passt gut zusammen: alkoholfrei, Bio und vegan.»

Doch bisher ist der alkoholfreie Biowein noch die Nische in der Nische. Dessen Anteil dürfte sich im Promillebereich bewegen, schätzt Wein-Fachmann Ernst Büscher. Dass sich das ändert, daran arbeitet der Bioweinimporteur Peter Riegel aus Orsingen am Bodensee. Vor zwei Jahren ist das Familienunternehmen mit seinem ersten Wein ohne Alkohol gestartet. Inzwischen hat es mehrere alkoholfreie Weine und Schaumweine im Sortiment. Allein in diesem Jahr sind sechs neue Produkte dazugekommen. Verkosten konnten Besucher diese auf der weltgrößten Naturkostmesse Biofach in Nürnberg im Sommer.

Pappsüß, ähnlich wie Traubensaft - so schmeckten Weine ohne Alkohol noch vor einigen Jahren. Geschmacklich habe sich inzwischen viel getan, sagt Geschäftsführer Felix Riegel. Dennoch dürfe man den alkoholfreien Wein nicht mit einem Wein mit Alkohol vergleichen. «Man muss es als eigene Kategorie denken», sagt er. Das sei ähnlich wie beim alkoholfreien Bier.

Trotzdem gibt es einen Riesenunterschied zum alkoholfreien Bier, der auch dafür verantwortlich ist, dass Wein ohne Alkohol noch nicht so weit verbreitet ist. «Alkohol ist Geschmacksträger», erläutert Expertin Isabell Bitzenhofer bei Peter Riegel. «Durch den Entzug gerät alles aus dem Gleichgewicht.» Da Bier aber einen viel geringeren Alkoholgehalt habe als Wein, wiege das da nicht so schwer.

Bei Bioweinen ohne Alkohol kommt ihr zufolge noch erschwerend hinzu, dass Zusatzstoffe wie Entkeimungsmittel nicht erlaubt seien, die den Wein nach dem Alkohol-Entzug haltbar machten. Stattdessen werde der entalkoholisierte Wein pasteurisiert, also in der Flasche erhitzt. Diese zusätzlichen Arbeitsschritte schlügen sich zum Teil im Preis nieder, sagt Bitzendorfer. «Die Verbraucher haben aber noch nicht das Gefühl dafür, dass Wein ohne Alkohol mehr Aufwand bedeutet.»

Bernhard Jung sieht trotzdem großes Potenzial für alkoholfreie Weine. Deshalb wird sein Unternehmen in diesem Jahr eine zweite Entalkoholisierungsanlage in Betrieb nehmen. Und auch bei der Winzergemeinschaft «Frank & Frei» denkt man Baldauf zufolge bereits über weitere Weine ohne Alkohol nach. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Sie ist seit Jahren das meistverkaufte Produkt der Marke Volkswagen: die VW-Currywurst. Jetzt bringt der Autokonzern die Wurst auch als Fertiggericht - und hofft auf neuen Schub.

Metro hat die GVS Group übernommen, einen auf Systemgastronomie spezialisierten, deutschen Foodservice-Anbieter. Die Übernahme stärkt den strategischen Zugang von Metro zur Systemgastronomie und soll das Wachstum des Belieferungsgeschäfts vorantreiben.

Die Dönerfabrik Birtat ist eine der größten in Deutschland. Das Gehalt ist laut Gewerkschaft NGG aber «völlig willkürlich». Jetzt drehen die Mitarbeiter den Spieß um - und fordern einen Tarifvertrag.

Pressemitteilung

Der zweite GreenSign Community Circle des Jahres fand am 5. Mai 2025 im inspirierenden Umfeld des Düsseldorfer Medienhafens statt und brachte rund 50 Hoteliers, Gastronomen und Partner der nachhaltigen Zulieferindustrie zusammen.

Die Weinbranche wird weiblicher. Dies ergibt eine Auswertung der Neuverträge zur Winzerausbildung der letzten 10 Jahre durch das Deutsche Weininstitut (DWI), die alljährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung erfasst werden.

Ob Veggie-Burger, Tofuwurst oder Seitanmortadella: Rein rechnerisch wurden rund 1,5 Kilogramm Fleischersatzprodukte pro Kopf im Jahr 2024 in Deutschland produziert. Im Fünf-Jahresvergleich hat sich die Produktion damit mehr als verdoppelt.

Der extrem aufwendige und riskante Steillagen-Weinbau ist in der Krise. Für die Winzer ist die Herstellung dort besonders teuer - und es gibt immer wieder schwere Unfälle. Hightech könnte helfen, aber es gibt Hürden.

Die Sektkellerei Henkell Freixenet sieht sich mit Herausforderungen wie US-Zöllen, Klimawandel und Folgen von Kriegen konfrontiert. Was sind die Trends bei der deutsch-spanischen Sektkellerei?

Für ihre neueste Sonderedition hat die Berliner Popkornditorei Knalle gemeinsame Sache mit Tim Raue gemacht und die limitierte Knalle x Tim Raue Edition „Extrakaramell – Chipotle Chili –  Zitrone" entwickelt.

Pressemitteilung

Die Bewerbungsphase für den neu ins Leben gerufenen GREEN MONARCH Award, vergeben von GreenSign, befindet sich auf der Zielgeraden. Noch bis Ende Mai 2025 können herausragende Projekte und Persönlichkeiten der Hospitality-Branche eingereicht werden. Die feierliche Verleihung des Awards findet am 2. Dezember 2025 im Rahmen des GreenSign Future Lab Events im JW Marriott Hotel in Berlin statt.