Noch im Januar widersprach Ivo Ebert, Geschäftsführer im einsunternull in Berlin, Gerüchten über die Schließung des Sternerestaurants und kündigte zahlreiche Neuerungen an. Einen Tag vor der Präsentation des Guide Michelin 2019 ließ Ebert die Katze aus dem Sack und ernannte den 29 -jährigen Silvio Pfeufer zum Küchenchef. Die strenge Regionalität des einsunternull ist bald Geschichte. Der bisherige Küchenchef Andreas Rieger zieht sich privaten Gründen zurück.
Silvio Pfeufer ist gebürtiger Berliner und hat sein Handwerk in namhaften Sterneküchen gelernt. Pfeufer kochte lange Zeit als Junior-Chef bei Jan Hartwig im Münchner Drei-Sterne-Restaurant Atelier im Bayerischen Hof. Zuvor gab der junge Koch ein bei Jens Rittmeyer im „KAI“ auf Sylt. Ins einsunternull wechselt Pfeufer jetzt von Michael Kempf, der „Facil“ in der Hauptstadt derzeit mit zwei Sternen bewertet wird.
Mit dem Chef-Wechsel am Herd, des seit 2016 mit einem Sternen im ersten Betriebsjahr ausgezeichneten Restaurants wendet sich das einsunternull auch von der strengen Regionalität ab, die die Gaststätte ausgezeichnet hat. „Ich liebe Wein, ich mag Zitronen, Schokolade, Tomaten und auch nach dem Essen einen Kaffee. Das ist für mich Genuss pur und den möchte ich unseren Gästen bieten“, sagt Ebert.
Der Gastgeber will weg von der bedingungslosen Regionalität, hin zu mehr Berlin: „Wir nehmen das Erlernte der letzten drei Jahre, das heißt vor allem die enge Zusammenarbeit mit den Bauern aus dem Umland, die Erzeugnisse aus unserem eigenen Garten sowie das Handwerk des Einweckens und erweitern es um die Vielfalt der Produkte aus aller Welt mit Berlin als Zentrum“, erklärt der Gründer des Restaurants.
Ebert orientiert sich dafür am Ruf der Hauptstadt, die weltoffen für alles Neue, tolerant, eben kosmopolitisch, international und herzlich sei. Das soll zukünftig auch die Küche widerspiegeln: „Unsere Küche ist genauso vielseitig wie Berlin, inspiriert von den multikulturellen Einflüssen, die uns umgeben und Berlin charakterisieren, das heißt in enger Zusammenarbeit mit den hiesigen Produzenten, um die hohe Produktqualität zu gewährleisten.“
Bis Mitte März arbeiten sich Pfeufer und sein neues Team ein, ab dem 14. März begrüßt der neue Einsunternull-Küchenchef dann seine ersten Gäste in einem „Original Berliner Gourmet-Restaurant“.
„Ich bin Berlin — genau wie das einsunternull“
Interview mit einsunternull Gründer und Geschäftsführer Ivo Ebert
Neuer Küchenchef, neues Glück? Verabschiedet sich das einsunternull jetzt voll Allem, was es bislang auszeichnete?
Ivo Ebert: Nein, auf keinen Fall. Dazu haben wir über die Jahre viel zu viel aufgebaut und waren auch viel zu erfolgreich, als dass wir plötzlich alles über Bord werfen wollten. Außerdem würden wir ja unsere Stammgäste verprellen. Aber wir haben dazu gelernt. Durch Trial and Error, aber vor allem dank der Rückmeldung unserer Gäste, die mich oft nach unserem konkreten Konzept fragen. Meine Antwort darauf war stets irgendwie schwammig, unpräzise. Das störte mich immer, denn als Berliner sage ich die Dinge gern so, wie ich sie meine. Direkt und ehrlich.
Warum schwammig? Macht eine regionale Restaurantphilosophie denn keinen Sinn?
Ivo Ebert: In meinen Augen nicht. Sehen Sie, allein schon die Frage zeigt, wie tief diese Konzepte der Regionalität und Nachhaltigkeit gehen - sie endet direkt unter der Oberfläche! Dem einzigen, dem ich ihre konsequente Durchführung in unserem Restaurant zu 100 % zuspreche, war Andreas Rieger, der kompromisslos diese außergewöhnliche Küche auf Top-Niveau betrieben hat. Aber was ist mit all den anderen Komponenten, die ein Sterne-Lokal ausmachen, wie z.B. Wein? Tonnenschwere Weinflaschen werden quer durch ganz Europa transportiert mit Traubensaft aus wieder einer anderen Region. Und da endet die Nachhaltigkeit auch schon! Deshalb empfand ich im Laufe der letzten drei Jahre einen immer größer werdenden Zwiespalt, insbesondere konzeptionell: Ich liebe Wein, ich mag Zitronen, Schokolade, Tomaten und auch nach dem Essen einen Kaffee. Das ist für mich Genuss pur und den möchte ich unseren Gästen bieten. Doch all das hat nichts mit strikter Regionalität und schon gar nicht mit ökologischem Bewusstsein zu tun. Immer öfter stellte ich mir die Frage: Welche Message sollte, kann und möchte ich senden? Als Gastronom mit meinem eigenen Restaurant? Und vor allem: Bin ich das wirklich? Die Antwort lautete: Nein! Außerdem kommt dieser Lokal-Trend aus Dänemark. Es wird Zeit, im kulinarischen Sinne eine eigene Identität für Berlin zu schaffen und wer könnte das besser, als zwei Ur-Berliner?
Und was kennzeichnet Berlin? Bzw. in wie weit entspricht das einsunternull dieser Identität?
Ivo Ebert: Berlin entwickelt sich stetig, schnell und doch langsam. Übersät von Kultur und Kulturen, in ständigem Wandel, vergisst die Stadt ihre Wurzeln, Traditionen und Geschichte jedoch niemals. Weltoffen für alles Neue, tolerant, eben kosmopolitisch, international und herzlich mit der berühmten Berliner Schnauze heißt Berlin alle Neuankömmlinge gleichermaßen willkommen. Genau das findet sich im einsunternull wieder: Wir bezeichnen uns als gern als das typische Berliner Gourmet-Restaurant - ein gelebter Kontrast, denn moderne, international beeinflusste Küche trifft auf den etwas altmodischen „Gourmet-Begriff“, der jedoch als Referenz zu den Wurzeln gesehen werden sollte. Unsere Küche ist genauso vielseitig wie Berlin, inspiriert von den multikulturellen Einflüssen, die uns umgeben und Berlin charakterisieren, d.h. in enger Zusammenarbeit mit den hiesigen Produzenten, um die hohe Produktqualität zu gewährleisten. Wir haben uns weiterentwickelt, entwickeln uns weiter, unter Einbeziehung von dem gelernten Wissen aus den vergangenen Jahren.
Das da wäre?
Ivo Ebert: Wie gesagt arbeiten wir weiterhin mit denselben Bauern aus dem Umland zusammen, denen wir vertrauen. Die hochwertigen, anspruchsvollen Kreationen und Fokussierung auf das Produkt bleiben unser Markenzeichen und werden angereichert durch traditionelle Gerichte, die wir neu interpretieren. Wir wollen weiterhin so nachhaltig und so regional sein, wie irgend möglich. Aber eben ohne Heuchelei oder uns unglaubwürdig zu machen, indem wir uns beide Aspekte groß auf die Fahne schreiben und dann doch mit Ungereimtheiten wie Schokolade oder schwarzem Pfeffer um die Ecke kommen. Außerdem begleiten unsere Grundwerte wie Gastfreundschaft, Nahbarkeit, ein Gefühl des Nachhausekommens und Gemütlichkeit in einem puristisch anmutendem, eleganten Ambiente nach wie vor unsere Gäste von der ersten bis zur letzten Minute durch den Abend. Wenn ich ihnen die Mäntel abnehme, empfange ich sie gern mit den Worten: „Geben Sie Ihren Alltag an der Garderobe ab und lassen Sie sich verwöhnen.“
Und wieviel Ivo Ebert bzw. Silvio Pfeufer steckt in diesem Konzept?
Ivo Ebert: Geboren und aufgewachsen bin ich im Osten Berlins, im Bezirk Friedrichshain. Mein Großvater war Gemüsehändler, da wurde viel geerntet und eingeweckt, was ich das einsunternull mitgebracht habe. Die Wende erlebte ich selbst als Elfjähriger als die große Freiheit - ein Wert, der mir bis heute enorm wichtig ist und mich für den Schritt in die Selbstständigkeit motiviert hat. Ich liebe diese Stadt, das ist mir im vergangenen Jahr wieder deutlich klar geworden und das möchte ich auch in meiner Arbeit vermitteln. Mit ihren Hipstern, Schwaben, Vorurteilen, Ruppigkeiten: Berlin, ick hab dir zum Fressen jern. Aber für meine Vision brauche ich einen Berliner an meiner Seite. Einen der Nachhaltigkeit, die Liebe zu dieser Stadt, ihren Menschen, Produkten und Weltoffenheit mit Kochambitionen auf Spitzenniveau vereint. Also sprach ich mit meinem Freund Jan Hartwig aus dem ***Restaurant Atelier in München über meine Gedanken. Und wie es der Zufall wollte: Einer seiner Juniors war Silvio Pfeufer, Berliner bzw. Lichtenberger seines Zeichens. Schon bald trafen wir uns und Silvio eröffnete mir: „Ich träume davon, mit meiner Küche die ewig ungeklärte Frage zu beantworten: Was ist Berlin?“ Perfekt! Und nun ist es soweit. Unsere vielen Gespräche und gemeinsamen Gedanken zum Original-Berliner-Gourmetrestaurant tragen Früchte. Wer neugierig ist: Ab 14. März geht’s los!
Über Ivo Ebert:
Geboren 1978 in Ost-Berlin, aufgewachsen im Bezirk Friedrichshain mit einem selbst anbauenden Gemüsehändler als Großvater lernte Ivo Ebert bereits früh die Qualität frischer, hochwertiger Produkte zu schätzen. Nach der Ausbildung zum Hotelfachmann führte sein Weg zum eigenen Gourmet-Restaurant u.a. über die Ente in Wiesbaden und das Amador bei Frankfurt a.M. In diesen
Sterne-Stationen lernte Ebert das Handwerk des Sommeliers, ließ sich von der Molekularküche inspirieren und knüpfte wichtige Kontakte — u.a. zu Daniel Achilles und Sabine Demel, mit denen er 2009 das reinstoff in Berlin eröffnete. Die drei gemeinsamen Jahre bereiteten den Nährstoff für sein Solo-Projekt einsunternull im Jahre 2015. Nach der erfolgreichen Zeit mit Küchenchef Andreas Rieger heißt es nun „back to the roots“, indem er zusammen mit Berlin-Kollege Silvio Pfeufer seinen kulinarischen Berlin-Traum verwirklicht.
Über das einsunternull:
Als Gastronomiebetrieb der Ebert Fine Dining GmbH eröffnete Geschäftsführer und Sommelier Ivo Ebert das einsunternull im November 2015 in Berlin-Mitte. Unter der Leitung des ehemaligen
Mitgründers des reinstoff (Berlin) erhielt das Restaurant bereits im ersten Jahr einen Stern des Guide Michelin und erlangte rasch durch weitere, internationale Prämierungen Anerkennung weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Küchenchef ist seit März 2019 Silvio Pfeufer, der das Konzept des „typischen Berliner Gourmet-Restaurants“ durch seine produktfokussierte Küche mit multikulturellen Großstadteinflüssen auf Spitzenniveau umsetzt. Im Dezember 2018 wurde das einsunternull mit 17 Punkten von GaultMillau ausgezeichnet und zählt damit offiziell zu den Top Ten der Hauptstadt.
Über Silvio Pfeufer:
Silvio Pfeufer, gebürtiger Lichtenberger und damit Ur-Berliner seines Zeichens, sammelte nach seiner Ausbildung zum Koch 2007 mehrere Jahre Erfahrungen auf Sterne-Niveau unter namhaften Chefs de Cuisine wie u.a. Jens Rittmeyer im KAI 3* auf Sylt, Jan Hartwig im Atelier*** des Bayerischen Hofs in München und war zuletzt Teil des Teams von Michael Kempf im Facil**, The Mandala Hotel/Berlin. Zurück in der Heimat freut sich Pfeufer darauf, dem einsunternull seine eigene Handschrift zu geben.