Altmaier gegen Recht auf Homeoffice - Rückkehr an den Arbeitsplatz viel diskustiert

| Politik Politik

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich gegen ein gesetzlich verankertes Recht auf Arbeit von zu Hause ausgesprochen. Der CDU-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir brauchen vor allem weniger Bürokratie, nicht immer neue staatliche Garantien. Ich bin überzeugt, dass viele Betriebe von sich aus mehr Homeoffice ermöglichen, aber es passt eben nicht überall, vor allem wenn der direkte Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern notwendig ist.»

Altmaier sagte, er habe volles Vertrauen in Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betriebsräte, dass vor Ort die richtigen Lösungen gefunden werden. «Staatliche Gängelei wäre grundfalsch.»

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, er wolle das Recht auf Arbeit von zu Hause aus gesetzlich verankern und bis zum Herbst dazu ein neues Gesetz vorlegen. «Jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, soll im Homeoffice arbeiten können - auch wenn die Corona-Pandemie wieder vorbei ist», hatte Heil der «Bild am Sonntag» gesagt. «Man darf entweder komplett auf Homeoffice umsteigen oder auch nur für ein oder zwei Tage die Woche», erklärte Heil.

Aus der Union und der Wirtschaft hat es dazu skeptische Stimmen gegeben. «Politische Ladenhüter aus der Zeit vor dem größten Wirtschaftsrückgang seit vielen Jahrzehnten aufzuwärmen, wirkt etwas aus der Zeit gefallen», hatte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, gesagt. «Wir brauchen ein Belastungsmoratorium statt weiterer Vorgaben, die Wachstum und Flexibilität beschränken.»

Laut einer Umfrage ist jeder dritte Beschäftigte in der Corona-Krise ins Homeoffice gewechselt. 35 Prozent gaben in der ersten Aprilhälfte an, teilweise oder vollständig von zu Hause aus zu arbeiten, wie das Deutsche Institut der Wirtschaftsforschung auf Basis des Sozio-ökonomischen Panels ermittelte. Vor der Corona-Krise haben nur 12 Prozent gelegentlich oder immer den heimischen Schreibtisch genutzt, hatte das Institut Mitte Mai mitgeteilt. Vor allem Beschäftigte mit höheren Einkommen und höherer Bildung konnten demnach ins Homeoffice wechseln.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg geht davon aus, dass die Corona-Krise einen langfristigen Wandel hin zur Arbeit außerhalb des Büros angestoßen hat. Er rechne damit, dass in zehn Jahren rund jeder zweite Beschäftigte des Online-Netzwerks so arbeiten werde, sagte Zuckerberg in einem Interview des Technologieblogs «The Verge» am Donnerstag. Zuvor hatte bereits unter anderem Twitter angekündigt, dass alle Mitarbeiter auch nach dem Ende der Krise ihre Jobs von Zuhause aus fortführen könnten, wenn ihre Aufgaben dies zulassen.

Alle ab ins Homeoffice - im März war die Sache noch klar. Bei der Rückkehr ins Büro sind sich Arbeitgeber deutlich weniger einig. Das kann Konsequenzen haben.

Was zuvor als unmöglich galt, wurde einfach gemacht. «Ich habe gelernt, dass man einen großen globalen Konzern aus dem Homeoffice führen kann», bekannte der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, im Mai in einer Telefonkonferenz. Zu Beginn der Corona-Krise war alles ganz schnell gegangen: Wer konnte, schickte als Arbeitgeber seine Mitarbeiter nach Hause. Homeoffice - vorher vielerorts nur in Ausnahmefällen üblich - wurde zum Alltag für Millionen.

Schnell wurde deutlich: Wer seinen Job auch im heimischen Wohnzimmer erledigen kann, gehört - vermutlich nicht nur - in Pandemie-Zeiten zu den Privilegierten. Verkäuferinnen, Paket-Zusteller, Ärztinnen oder Polizisten: Sie alle konnten zu keiner Zeit von Zuhause aus arbeiten, sondern mussten weiterhin raus. Doch die anderen konnten mit dem Zuhausebleiben zumindest ihren Beitrag leisten, die Gesamtinfektionszahlen nach unten zu drücken.

So erstaunlich schnell wie der Rückzug ins Homeoffice zu Krisenbeginn klappte, so kompliziert und unterschiedlich gestaltet sich nun die Rückkehr. Angesichts der Lockerungen in vielen Lebensbereichen stellt sich nun vermehrt die Frage: Wann geht es eigentlich zurück ins Büro? Und vor allem, wie?

Die Tech-Giganten Apple und Google preschten vor und kündigten an, bis zum Ende des Jahres Homeoffice zu ermöglichen, Twitter sogar «für immer». In vielen deutschen Betrieben tüfteln Chefs und Corona-Taskforces dagegen zurzeit noch an Rückkehrplänen, messen Tischabstände aus und teilen ihre Angestellten in Schichten und Gruppen ein. Andere sehen die Pandemie weitgehend als überstanden an und haben schon wieder Präsenz vor Ort angeordnet.

Während Anfang April deutlich mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer im Homeoffice gearbeitet hat, lag dieser Wert Anfang Mai schon deutlich darunter, wie aus der Mannheimer Corona-Studie hervorgeht, für die Forscher der dortigen Universität in einer Langzeit-Studie regelmäßig etliche Bürger befragen. Mitte Mai waren es noch knapp 9 Prozent, die angaben, komplett im Homeoffice zu arbeiten, gut 20 Prozent waren zumindest teilweise wieder vor Ort im Job.

Der weit auseinander klaffende Umgang mit der Rückkehr kann zum einen daran liegen, dass ein Marketing-Mensch seine Arbeit vielleicht fast 1:1 nach Hause verlagern kann, während die Technische Zeichnerin ohne große Bildschirme und leistungsfähige Rechner deutlich weniger effizient arbeiten kann. Doch nicht alle Unterschiede sind so rational begründet.

«Die Unternehmenskultur spielt eine große Rolle», meint Thomas Clauß, der an der Universität Witten-Herdecke Familienunternehmen erforscht. «Es gibt den Stereotypen des alten Patriarchen, der die Mitarbeiter im Blick haben will und sagt: "Ich halte nichts von Homeoffice"». Für diesen Typus gebe es viele Beispiele.

Corona stellt Arbeitgeber jedoch vor neue Herausforderungen. Wenn sie darüber bestimmen, wer wann wo arbeitet, darf nicht nur das ökonomische Interesse zählen. So erinnert die Gewerkschaft Verdi an die arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht, die ein Betrieb für seine Mitarbeiter hat. Im Fall einer Pandemie erstreckt sich diese Verantwortung sogar auf einen deutlich größeren Kreis: Wer mehr Kontakte anordnet, erhöht das Risiko der Infektionen. Wer das Risiko für Infektionen erhöht, trägt dazu bei, wenn die Fallzahlen steigen.

Da der Corona-Ausnahmezustand - wenn auch abgemildert - noch bis auf Weiteres anhält, kommen persönliche Herausforderungen von Arbeitnehmern hinzu: Während ein Kollege wegen einer Vorerkrankung vielleicht zur Risikogruppe gehört, können andere bis auf Weiteres ihre Kinder noch nicht wieder in die Kita bringen.

«Die Leute haben sich entwöhnt von dem, womit sie sich arrangiert hatten. Das ist ein Moment, in dem man Vertrauen auch verspielen kann», erklärt Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. «Wenn Menschen sich an Freiheiten gewöhnt haben, wird sich Widerstand regen, wenn ihnen diese wieder genommen werden.»

So sei es wichtig, die Vor- und Nachteile von Homeoffice konstruktiv zu diskutieren: Gehen Telefonate vielleicht besser in Ruhe zu Hause? Und Excel-Listen besser im Büro, unterbrochen durch kurze Gespräche mit Kollegen? Man müsse mit Ablehnung rechnen, «wenn Führungskräfte versuchen, starre Regeln einfach so weiterzuführen, ohne dass es dafür eine Notwendigkeit gibt», erklärt Schade.

So stellte man etwa bei der Deutschen Telekom fest, dass sich die Produktivität der Service-Abteilung im Homeoffice um acht Prozent steigerte. Auch die Gesundheitsquote verbesserte sich im April trotz der Pandemie deutlich im Vergleich zu den Vorjahren. Ganz aufs Homeoffice umsteigen will Telekom-Chef Tim Höttges deswegen dennoch nicht - aber infrage stellen, wo es sinnvoll sein könnte und wo nicht. «Ich glaube zutiefst daran, dass es gut ist, hybride Strukturen zu haben», sagte Höttges in einer Telefonkonferenz.

Arbeitspsychologin Schade hält eine Rückkehr, die im Austausch mit den Mitarbeitern passiert und deren Bedürfnisse berücksichtigt, für die beste Wahl: «Zum einen ist es gut wegen Corona, wenn nicht alle gleichzeitig wieder Vollzeit im Büro sind. Und für jede psychologische Anpassung ist es einfacher, wenn sie graduell passiert.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die erste Tarifverhandlung zwischen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und dem Bundesverband der Systemgastronomie ist ohne Ergebnis geendet. Laut Gewerkschaft sei das Angebot jedoch völlig indiskutabel. Die Arbeitgeber sprechen hingegen von einer guten und konstruktiven Atmosphäre.

In Thüringen gibt es immer weniger Gastronomie-Betriebe. Dieser Trend soll aufgehalten werden. Nun gibt es Geld vom Land - allerdings mit Voraussetzungen.

Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen in Gaststätten Alkohol trinken, wenn die Eltern dabei sind. Nicht nur der Bundesgesundheitsminister möchte das ändern. Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi bringt eine Freigabe von Alkohol erst ab 18 Jahren ins Spiel.

Mit steuerlichen Vorteilen will die Bundesregierung Fachleute nach Deutschland locken - denn andere Länder tun dies schon lange. Doch es gibt Widerspruch. Auch aus den Reihen der Ampel.

Obwohl es in anderen Bundesländern bereits Einigungen gibt, eskaliert der Tarifkonflikt im bayerischen Gastgewerbe. Nun bereitet die Gewerkschaft Warnstreiks im Umfeld der EM-Halbfinalspiele vor.

Auch in der zweiten Tarifrunde haben der DEHOGA Bayern und die Gewerkschaft NGG keine Einigung erzielt. Der Verband sagt, dass er ein Angebot von fast 15 Prozent Lohnerhöhung auf den Tisch gelegt hätte.

Vor dem Beginn der Tarifrunde im niedersächsischen Gastgewerbe fordert die Gewerkschaft NGG ein deutliches Lohnplus für die Beschäftigten: 400 Euro mehr im Monat, aber mindestens 3.000 Euro Einstiegslohn nach abgeschlossener Ausbildung.

Die Gewerkschaft Nahrungs-Genuss-Gaststätten und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband haben sich in Sachsen-Anhalt geeinigt und einen Tarifabschluss erzielt. Beschäftigte und Auszubildende profitieren.

Bundesagrarminister Cem Özdemir setzt sich für eine leichte Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch ein, um den Umbau der Tierhaltung zu höheren Standards zu finanzieren. Der Grünen-Politiker griff einen Vorschlag des Bauernverbands auf. Von Verbraucher- und Umweltschützern kam ein geteiltes Echo.

In niedersächsischen Städten und Gemeinden wird zunehmend Bettensteuer erhoben. Der Dehoga kritisiert die Mehrkosten für Gäste und den bürokratischen Aufwand für Gastgeber.